(Susanne / Meeresakrobaten, Mai 2005)
1999 war ich zum letzten Mal an der Nordsee auf der Insel Sylt. Die Jahre zuvor verbrachte ich jeweils für eine knappe Woche in der Seevogelrettungs- und Naturschutzstation in Westerland, um bei der Zählung der Schweinswale mitzuwirken. (Siehe auch unter „Natur pur – Wale live in Deutschland“.)
Die von Rolf C. Schmidt und Birgit Hussel geleiteten Praktika machten jedes Mal außergewöhnlich viel Spaß, denn nach sechs bis sieben Stunden anstrengendem Ausschauhalten und „Verfolgen“ der kleinen Meeressäuger gab es abends sowohl lustige als auch informative Stunden in der bunt zusammengewürfelten Praktikanten-Gruppe. Dazu gehörten „Skelett-Puzzeln“, Grillen am Strand, Muschelessen bei Paul, Besuch bei einem Seehundjäger und vieles mehr.
Leider verstarb Rolf im Jahr 2000 viel zu früh nach einer kurzen schweren Krankheit und somit endeten auch die Praktikumsangebote in Westerland.
Nach sechs Jahren nun gab es für mich ein Wiedersehen mit Birgit und den Schweinswalen (Letztere hielten sich allerdings gut versteckt eher unter der Wasseroberfläche auf). Aber ich war nicht allein im „nördlichsten Norden“ Deutschlands: Begleitet wurde ich von meinen beiden Delfin-Freunden Angelika und Frank.
Angelika und Frank
Angelika lernte ich 1997 während eines Schweinswal-Praktikums in Westerland kennen. Frank kenne ich seit Anfang 2003. Er hat auf vielen Abenteuerreisen rund um die Welt hervorragende Fotos von Walen und Delfinen gemacht. Viele davon findest du bei den Meeresakrobaten (z.B. unter „Spirit of Adventure“). Bei unserem intensiven Mail-Kontakt wurden immer wieder neue Ideen für weitere Projekte geboren. So entstand z.B. zusammen mit Frank die Pole-Website, die schon sehr viel Zuspruch – unter anderem von Gymnasiallehrern – erhalten hat. Ja und mit diesen beiden sympathischen Freunden erlebte ich für ein paar Tage Sylt 2005!
Rau, aber herzlich
Anfang Mai war es recht rau und kalt am Meer, aber wir ließen uns trotzdem nicht davon abhalten, ausgedehnte Strandspaziegänge sowohl im äußersten Norden Sylts – am sogenannten Ellenbogen bei List – als auch im „untersten Süden“ der Insel – bei Hörnum – zu unternehmen. Bernstein haben wir zwar keines gefunden (das fossile Harz soll am Ellenbogen immer mal wieder angeschwemmt werden), aber wir (vor allem Angelika) entdeckten tolles anderes Strandgut (zum Beispiel orange-rote Feuersteine oder außergewöhnliche Muschelschalen).
Im Hörnumer Hafen machten wir eine Stippvisite bei Willi. Die Kegelrobbe (eigentlich ein Weibchen) lebt seit vielen Jahren im Hörnumer Hafenbecken und setzt sich für die Fotografen gern in Pose – am liebsten, wenn sie dafür ein Leckerli bekommt … Die Sylter Abende ließen wir unter anderem mit leckeren Abendessen (die Sylter Krabben-Brötchen sind ein Genuss!) und lustigen Spielen ausklingen. Es gab viel zu lachen!
Zu Besuch bei Birgit
Am Mittwoch, 4. Mai, trafen wir uns mit Birgit. Mit ihr fuhren wir auf dem Ausflugsschiff ADLER ein Stück weit aufs Meer, um dort mit einem Netz einiges „Getier“ an Bord zu „hieven“. Keine Sorge – unseren „Bei- bzw. Hauptfang“ entließen wir nach kurzer Zeit wieder in seinen Lebensraum. Doch zuvor erklärten uns Birgit und der Koch der ADLER genau, was da so alles in einem Becken im hinteren Schiffsbereich wuselte. Viele Strandkrabben zeigten angriffslustig ihre Scheren, aber auch ein junger Seeskorpion (das ist ein Fisch, der bis zu 30 cm lang werden kann), Garnelen und Einsiedlerkrebse gehörten zur „Beute“.
Nach unserem Schiffsausflug begleitete ich Birgit noch in die Wattenmeerstation Sylt (List), wo sie schon seit vielen Jahren arbeitet. Sie versorgte mich mit viel Informationsmaterial über diese Forschungsstätte, in der biologische und ökologische Prozesse an der Nordseeküste untersucht werden. Anschließend nahm sie mich noch zu einem Feldexperiment im Meer mit. In verschiedenen Fläschchen (teils lichtzugänglich, teils lichtdicht verschlossen) untersucht sie zurzeit die Einwirkung des Lichts auf die Sauerstoffproduktion bestimmter Meerespflanzen.
Zu Besuch bei Hasenfischen und Katzenhaien
Am Donnerstag (5. Mai) besuchte ich das Sylt-Aquarium in Westerland. Vor liebevoll gestalteten Kulissen werden hier Nordseebewohner, aber auch tropische Fische ausgestellt. Ich habe mich sehr wohl gefühlt in diesem Haus – zumal es draußen sehr windig war … Amüsiert haben mich manche Tiernamen, in denen Landtiere enthalten sind: „Seespinne“ (eine Krabbenart), „Wolfsbarsch“, „Hasenfisch“, „Seeskorpion“, „Katzenhai“, „Zebrahai“ usw. Die Haie schwimmen übrigens direkt über den Köpfen der Besucher!
Schutzstation Wattenmeer
Frank und ich besuchten am darauffolgenden Tag in Hörnum das Info-Zentrum der Schutzstation Wattenmeer. Hier werden kindgerecht und sehr informativ die Bewohner des Watts und der Nordsee vorgestellt. Am meisten beeindruckt hat uns aber der „Totempfahl der Nordseetiere“ direkt vor der Station. Dieses sechs Meter hohe Natur-Kunst-Denkmal wurde 2002 von der Bildhauerin Dina Frevert aus einem Keitumer Ulmenstamm geschnitzt. Es soll zum Reflektieren über die Schutzwürdigkeit des Wattenmeeres anregen.
Bei einem Spaziergang auf der Westseite der Insel unterrichtete uns die Praktikantin Annette über „Tiere, Pflanzen und Seltsames am Strand“. Unter anderem fanden wir Schnecken- und Muschelgehäuse, die mit Seepocken (eine Krebsart) besiedelt waren, einen „Büschel“ mit Blättermoostierchen, Laichballenhüllen der Wellhornschnecke und ein Stück Schulp vom Tintenfisch. Den Blasen des Blasentangs konnte man herrliche Knallgeräusche entlocken, wenn man sie zwischen den Fingern zerdrückte …
Schweinswale
Es war auch im Süden der Insel, wo Frank und ich ganz kurz einen Schweinswal auftauchen sahen. Wahrscheinlich hat man im Sommer, wenn die Jungtiere ihre Mütter begleiten, mehr Glück mit Sichtungen. Jetzt Anfang Mai machten einige der Nordseebewohner lieber „Ausflüge“ in die Flüsse Elbe und Weser, was offenbar immer wieder vorkommt.
Schweinswale sind sehr kleine Zahnwale, deren Männchen bis 1,50 und deren Weibchen bis 1,80 Meter groß werden. Auch was das Gewicht angeht, gehören sie mit 40 bis 80 kg eher nicht zu den Giganten. Sie wiegen deutlich weniger als ein gleich langer Seehund. Die meisten Schweinswale werden zwischen Mai und Juli geboren. Sie werden etwa acht Monate lang mit einer sehr fetthaltigen Muttermilch ernährt, bevor sie selbst ans Fischen gehen. Ausgewachsene Schweinswale benötigen täglich ca. zwei Kilogramm Fisch. Zu ihren bevorzugten Beutetieren gehören Seezunge, Flunder, Makrele, Wittling, Dorsch und Hering, denen sie bis in 70 Meter Wassertiefe nachjagen. Dabei kann es schon vorkommen, dass sie sechs Minuten unter der Wasseroberfläche bleiben, bevor sie wieder zum Luftholen auftauchen müssen. Unter Wasser orientieren sich Schweinswale – ebenso wie die anderen Zahnwale auch – mit Ultraschall. Nur so haben ihre Jagdversuche in der trüben Nordsee Erfolg. Schweinswale können 15 bis 20 Jahre alt werden. Von den Delfinen unterscheiden sie sich u.a. durch ihre spatelförmigen Zähne (Delfine haben kegelförmige Zähne.)
Leider verenden viele Schweinswale in Stellnetzen, die sich draußen auf dem Meer befinden. Aber auch Lärmbelästigungen unter Wasser und die Umweltverschmutzung setzen ihnen zu. Da die Anzahl der Tiere immer weiter abnimmt, stehen die Schweinswale seit 1982 unter Schutz (Bern-Konvention) und seit 1999 gibt es vor Sylt und Amrum ein Walschutzgebiet.
Am 25. Mai 2005 hat sich Bundesumweltminister Jürgen Trittin für noch weitergehende – die Kleinwale betreffende – Schutzmaßnahmen eingesetzt. Auf seinen Vorschlag hin hat das Kabinett einen Gesetzentwurf zur Erweiterung des Schutzes von Delfinen, Tümmlern und anderen kleinen Walen in Nordeuropa beschlossen. Ziel ist es, Kleinwale als Teil des Naturerbes der nordeuropäischen Meere zu erhalten. (Siehe BMU-Pressemitteilung vom 25. Mai 2005.)
In Dänemark werden mit den gezähmten Schweinswalen Freja und Eigil Experimente gemacht, um noch mehr über das Verhalten und die Gewohnheiten dieser Meeressäuger zu erfahren, was künftigen Schutzbemühungen zugute kommt. Auch in ihrem eigentlichen Lebensraum sind Schweinswale übrigens meist „im Doppelpack“ unterwegs. Große Gruppen, wie bei den Delfinen üblich, sind bei den kleineren Verwandten eher selten. Freja und Eigil kann man übrigens auch besuchen. Weitere Informationen unter www.fjord-baelt.dk.
Was sonst noch los war …
– Franks linker Arm musste eingegipst werden – nein, er wurde weder von einem Hai angegriffen, noch von einem Seeskorpion gestochen. Eine Entzündung im Ellenbogen hatte ihm so heftig zugesetzt, dass der Arm eine ganze Weile zum Stillhalten verurteilt war …
– Die Tiere zum Schauen, Hören und Anfassen im Multimar Wattforum in Tönning haben uns sehr beeindruckt.
– Während zwei anstrengenden (aber preisgünstigen!) Nachtfahrten im Zug haben Angelika und ich unsere Betten zu Hause sehr vermisst.
– Der Vortrag über den Geophysiker und Polarforscher Alfred Wegener in List war recht interessant.
– Ein Spieleabend bei Taschenlampen-Beleuchtung löste die reinsten Lachsalven aus.