Rüdiger Hengl/17. September 2009
Nach einer abenteuerlichen Woche „Mit Schlafsack und Zelt in der Serengeti“, bin ich am 25. August abends (allein des Relaxens wegen) in Jambiani/Sansibar angekommen, wo ich im kleinen, aber traumhaften Blue-Oyster-Hotel wohne.
Doch mit Relaxen ist es zumindest heute noch nichts. Ich habe Susanne nämlich versprochen, dass das Erste, was ich hier machen werde, eine Delfintour nach Kizimkazi sein wird, an der Südküste Sansibars.
Und ich halte mein Wort. Kurz nach halb sechs stehe ich auf, weil mich das Taxi nach Kizimkazi um 6:15 Uhr abholen soll. Es ist noch stockdunkel. Die wenigen Lampen vorm Hotel spenden kaum Licht. Ich stehe am Strand und blicke in die Nacht. In meinen Ohren das Rauschen der Wellen. Obwohl die Sonne erst in einer halben bis dreiviertel Stunde aufgehen wird, ist es bereits schwül-heiß und die frischen Klamotten, die ich erst vor fünf Minuten angezogen habe, kleben am Körper. Von der Dunkelheit abgelenkt, habe ich ganz vergessen, meinen Hut mitzunehmen. Hoffentlich bekomme ich nachher auf dem Boot keinen Sonnenstich.
Allmählich kann man auch schon die Umrisse der Palmen erkennen. Vom Tor her kommt eine dunkle Gestalt. Es ist Mohamed, bei dem ich gestern Abend noch die Delfintour gebucht habe. Durch die unbeleuchteten Sandwege hindurch begleitet er mich zum Wagen, der vorm Hotel geparkt ist. Am Steuer Habis. Zwei Leute für eine Tour? Jetzt wird mir auch langsam klar, weswegen die Delfintour (einschließlich 20 km Anreise mit dem Taxi) 80 US-Dollar kostet. Will eben jeder etwas abhaben vom Touristenkuchen in Sansibar.
Die Hauptstraße von Jambiani nach Makunduchi ist im Gegensatz zu vielen anderen Straßen hier asphaltiert und Habis kann „voll Stoff“ gen Süden brettern. Wer jetzt (bei Nacht) auf der Straße ist, hat selbst Schuld … Oft habe ich in Tansania mit ansehen müssen, wie vor allem Massai vor heranbreschenden Automachos in die Büsche gejagt werden. Fast wären wir – ob Habis‘ Raserei – jetzt in ein Kälbchen gekracht, das kurz vor uns die Straße überqueren wollte. Eine Vollbremsung konnte dies zum Glück gerade noch verhindern. Allmählich geht linker Hand die Sonne auf, von Süden her verdeckt mit einer dunklen Wolkenfront.
Nach einer viertel Stunde erreichen wir Makunduchi. Von hier aus sind es nur noch 15 km bis Kizimkazi. Wenn Habis weiter so rast, werden wir in 10 Minuten dort sein – oder nie. In Kufile wird die Raserei allerdings gestoppt. Drei Ölfässer stehen mitten auf der Straße – natürlich unbeleuchtet. Die Ölfässer markieren eine Polizeisperre. Wir werden angehalten und Habis muss Führerschein und Lizenz vorweisen. Ob der Polizist von meinen 80 US-Dollar nun auch etwas abbekommt? Ich halte es zumindest für möglich.
Nach einem für europäische Ohren heftigen Kisuaheli-Wortgefecht wird schließlich das mittlere Ölfass weggerollt und es geht weiter. Inzwischen ist es hell. In Dimbani noch links abbiegen und nach zwei Kilometern ist man da, an der Südküste Sansibars in der Nähe des Suaheli Beach Resorts.
Nach der Ankunft am Sandstrand (das Taxi fährt bis fast ins Wasser) bekommt man erst mal Taucherbrille und Flossen verpasst. Zweiteres wird bei Schuhgröße 45 etwas schwierig, aber nach mehrmaligen Fehlversuchen werden wir dann doch noch fündig.
Von Süden her weht ein kräftiger Wind. Landratten würden sagen: ein Sturm. Aus Sicherheitsgründen lasse ich den Fotorucksack im Taxi. Das Risiko, bei diesem Wellengang meine Kameras zu verlieren, ist mir einfach zu groß. Dabei hatte ich Mohamed extra gefragt, ob man auf die Delfintour Kameras mitnehmen kann. „Hakuna matata“, war seine Antwort. überhaupt, in Tansania ist alles „Hakuna matata“. Diese Worte sind Kisuaheli und bedeuten: „Kein Problem“. Nun, es sind ja nicht seine Kameras. Ich habe also zwei Alternativen: Kameras im Meerwasser versenken oder aber Kameras im Taxi lassen, wo sie eventuell gestohlen werden. Ich entscheide mich für zweiteres und nehme nur eine Kamera mit an Bord. Doch auch das kann ich nur Verrückten raten. Zunächst bis zu den Knien, später bis zum Bauch reicht das Wasser, wenn man über den flachen Strand gehend das Boot erreichen will.
Genau um 7:00 Uhr morgens lichten wir den Anker des etwa 7 bis 8 Meter langen Holzboots, das von einem schwach dimensionierten Außenbordmotor angetrieben wird. Der Besitzer ist Kapitän Haruna, der Mann am Außenbordmotor heißt Barama. Mit an Bord kommt noch ein Pärchen aus Paris: Sophie und Sebastian. Mit geschätzten 6 bis 8 Knoten tuckern wir voran. Das Boot tut sich mächtig schwer, gegen den Wind auf der einen Seite die Wellenberge hochzuklettern, um dann auf der anderen Seite im Leerlauf wieder von der Welle herunterzugleiten. Vollgas – Leerlauf, dieser ständige Wechsel, soll dafür sorgen, dass die Passagiere einigermaßen trocken bleiben. Doch das gelingt Barama leider nicht bei jedem Wellenberg und so sind Sophie, Sebastian und ich bereits nach wenigen Metern durch und durch nass. Zum Glück kann ich meine Kamera in Sebastians Rucksack verstauen, wo sie wenigstens einigermaßen vom Spritzwasser geschützt ist. Mit Fotografieren ist’s dann aber nichts.
Der Wind frischt mehr und mehr auf und zu allem überfluss fängt es jetzt an, wie aus Kübeln zu schütten. Während Barama nach wie vor zwischen Vollgas und Leelauf pendelt, macht sich Haruna daran, mit der unteren Hälfte eines aufgeschnittenen Bezinkanisters Wasser aus dem Boot zu schöpfen. Nach einer Stunde sind wir, so schätze ich, etwa 4 Kilometer weit draußen. Von Delfinen jedoch ist weit und breit nichts zu sehen. Richtig glücklich scheinen Bootsbesitzer und Steuermann auch nicht zu sein. Außer unserem Boot sind noch drei weitere Boote draußen. Aus meiner Sicht allesamt Verrückte. Die meisten Boote, ich schätze so um die 20, sind sicherheitshalber gar nicht erst ausgefahren und am Strand verankert geblieben.
Der Sturm wird immer heftiger und Sophie ist schon ganz grün im Gesicht. Sie bittet schließlich darum umzukehren. Sie hat regelrecht Angst. Sebastian ist sowieso für sie und ich muss das akzeptieren. Dabei hätte ich so gerne weiter nach Delfinen Ausschau gehalten. Doch meine Meinung ist nicht gefragt. Das Boot wendet und die Fahrt verläuft (nun mit den Wellen) Richtung Küste schon deutlich ruhiger. Ich kann es wagen, meine Kamera wieder hervorzuholen. Sophie hat ein schlechtes Gewissen, weil sie uns die Tour vermasselt hat. Doch wenn ich ehrlich bin, ist zurückzufahren das wirklich einzig Vernünftige.
Nach der einwöchigen Zeltsafari habe ich mir inzwischen eine für mich völlig ungewohnte Gelassenheit angeeignet, sodass ich Sophie sogar trösten und uns allen Mut machen kann auf Delfine. „Hakuna matata“, alles kein Problem. Das haben wir doch gelernt. „Hakuna matata“, wir werden schon noch Delfine sehen – auf dem Rückweg. Da bin ich mir ganz sicher!
Und 20 Minuten später sehen wir sie dann auch. Eine Schule von etwa 20 Delfinen kommt von der Küste her auf uns zu. Es könnte die indische Ausführung des Großen Tümmlers sein (Tursiops aduncus). Das hebt auch Sophies Laune. Wir bleiben noch etwa eine halbe Stunde, dann geht es zurück Richtung Strand. immer noch begleitet von den Delfinen.
Als wir gegen 9:30 Uhr an Land gehen, hört der Regen auf. Gerade so, als ob das schlechte Wetter nur jetzt und nur für uns hat da sein müssen. In einem Schuppen können wir die nassen Klamotten wechseln, dann geht es mit dem Taxi (Fotorucksack und Kameras sind noch da, obwohl die Türen auf waren) wieder zurück ins Hotel.
Fazit: Auch wenn uns das Wetter an der Südküste nicht gerade entgegenkam, war es doch ein wundervoller Morgen. 80 US-Dollar für eine Einzelperson, 50 US-Dollar wenn zwei mitfahren, 40 US-Dollar bei drei Personen usw. kostet die Tour (ich musste allerdings volle 80 Dollar zahlen, weil ich ja mit einem eigenen Taxi angereist bin). Das sind schon stolze Preise. Allerdings, Delfinsichtungen sind garantiert!
Vom Ministerium für Fischerei und Marinewirtschaft in Sansibar soll es einen Richtlinienkatalog geben, der den Anbietern für Delfinbeobachtungen entsprechende Verhaltensweisen empfiehlt. Doch die Einheimischen sind von ihrer Mentalität her eher geneigt, die Delfine zu verfolgen als sich an Richtlinien zu halten. Dennoch habe ich nicht den Eindruck, dass sie „Delfinverfolgungen“ auch tatsächlich verwirklichen können. Die Delfine lachen sich eins, wenn die schwerfälligen, untermotorisierten Boote versuchen, ihnen nahe zu kommen. Vielmehr habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Delfine selbst zu den Booten kommen. Was sie getan hätten, wenn wir zu ihnen ins Wasser gesprungen wären, weiß ich nicht. Wir haben heute darauf verzichtet. Bei den Wellen und dem Geschaukel wäre es für mich sicher nicht einfach gewesen, wieder ins Boot zurückzukehren.
2005 wurde die gemeinnützige Kizimkazi Dolphin Tourism Operators Association (KIDOTOA) gegründet, die Aufklärungskurse für die Delfintour-Anbieter durchführt. Ob Haruna und Barama dieser Organisation angehören, konnte ich mangels einschlägiger Kisuaheli-Kenntnisse nicht in Erfahrung bringen.
Die Organisation SONAREC (Society for Natural Resources Conservation and Development) ist darum bemüht, das Tourismusministerium von Sansibar davon zu überzeugen, internationale Aufklärungsarbeit zu betreiben und die Maximalzahlen an Besuchern pro Tag strikt zu reglementieren und vor allem auch zu kontrollieren. Eine Maßnahme, dies zu verwirklichen, sind u. a. die hohen Gebühren, welche die Teilnehmer der Delfin-Touren zu zahlen haben. Die Gelder sollen angeblich zum Erhalt der Küstenzonen Sansibars eingesetzt werden.
Nach einem grandiosen, wenn auch teueren Vergnügen bin ich gegen 10:00 Uhr wieder zurück in meinem Hotel. Ein Boy bringt mir mein verspätetes Frühstück. Zum Tee gibt es Omelette „Spanish Style“ mit Speck, Paprika und Zwiebeln, ergänzt mit gegrillten Würstchen in einer Zwiebel-Paprika-Tomaten-Sauce. Dazu gibt’s frisch gerösteten Toast. Als zweiten Gang gibt’s Ananas, Limetten, Bananen und Papaya. Nicht zu vergessen die kleinen Leckerein wie Käse, Marmelade, Erdnussbutter und natürlich das Glas frisch gepressten Orangensaft.
Ich hatte in Kizimkazi ein gutes Gefühl und nicht den Eindruck, dass die Delfine durch uns Touristen über Gebühr gestört wurden. Weiterführende Informationen zu den Delfinen vor Kizimkazi findet ihr hier.
Wer nach diesem spannenden Bericht über die Delfin-Beobachtungstour in Sansibar noch mehr Lust auf Abenteuer verspürt, dem empfehle ich, sich zusammen mit Rüdiger sowie „Schlafsack und Zelt in die Serengeti“ aufzumachen … Viel Spaß!!!
Drei Jahre ist’s jetzt her. „Mit Schlafsack und Zelt in der Serengeti“ und „Hinterher nach Sansibar“ haben mein Leben nachhaltig beeinflusst. Wahrscheinlich die beeindruckendste Reise meines Lebens. Das war einfach nur irre.