Berichte

Besuch im Delfin-Forschungsinstitut auf Sardinien


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Meeresakrobaten/17. Oktober 2009
Nachtrag vom Februar 2014: Leider hat das BDRI seinen Standort gewechselt. Es befindet sich nun in Galicien (Nord-West-Spanien). Dort werden Bruno & Co. bestimmt auch wieder hervorragende Arbeit leisten. In Sardinien gibt es laut BDRI nun keine Delfin-Forschung mehr.

Anfang des Jahres habe ich das „Bottlenose Dolphin Research Institute“ (BDRI) in Golfo Aranci/Nord-Ost-Sardinien vorgestellt. Dort betreibt Bruno Diaz Lopez seit 2004 Studien über die in diesem Gebiet ansässigen Großen Tümmler (siehe auch Delfin-Beobachtung rund um Sardinien).

Empfangskomitee Bruno und Luna (Foto: Susanne Gugeler)

Für mich als Delfin- und Italien-Fan war klar, dass ich mir das BDRI unbedingt einmal selbst anschauen und Bruno persönlich kennenlernen will. Vielleicht könnte ich ja sogar mit dem Forscher hinaus aufs Meer fahren … Also machte ich mich in diesem Sommer auf zu einem Kurztrip nach Sardinien.

Nachdem ein Hund aus der Nachbarschaft mein Kommen mehr grollend als freundlich angekündigt hat, ist der Empfang von Bruno und Luna umso herzlicher.

Doch leider gibt es nach dem Willkommensgruß gleich einen Dämpfer. „We cannot go out“, verkündet Bruno, da ein zu starker Wind blase. Bereits gestern wäre die See zu unruhig gewesen, um brauchbare Forschungsergebnisse zu bekommen.

Sonnenschein und Mistral

„Schuld“ an den ungünstigen Wetterverhältnissen sei der Mistral, der sich laut Bruno meistens drei Tage lang in Golfo Aranci festsetzt. 

Susanne Gugeler

Sonne und starker Wind in Golfo Aranci

Frühestens am Dienstag könne er wieder aufs Meer fahren, prognostiziert der Delfin-Experte, denn erst dann hätte sich der Wind vollkommen beruhigt. So lange dauert mein Kurzurlaub auf Sardinien leider nicht.

Doch meine Enttäuschung hält sich in Grenzen. Als erfahrene Italien-Reisende bin ich es schließlich gewöhnt, dass bei starkem Wind Whale-Watching-Touren aus Sicherheitsgründen kurzfristig abgesagt werden. So genieße ich die Sonne der letzten Sommertage eben an Land.

Selbst die kommerziellen WW-Anbieter in Golfo Aranci kapitulieren vor dem Mistral. Auch ihre Touren fallen für die nächsten Tage „ins Wasser“.

45 Große Tümmler

Da wir nicht aufs Meer fahren, nutze ich die Gelegenheit und schaue Bruno und den Praktikanten über die Schulter, während sie Fotos und Laute der Großen Tümmler auswerten.

Bruno nimmt sich viel Zeit für mich, um mir seine Arbeit im BDRI zu erklären. So erfahre ich zum Beispiel, dass sich das ganze Jahr über etwa 45 Große Tümmler permanent in diesem Gebiet aufhalten – sogenannte „Residents“.

Susanne Gugeler

Dem Delfin auf Brunos Boot kann der Mistral nichts anhaben.

Insgesamt seien schon 70 Individuen gesichtet worden, doch 25 Delfine zeigen sich nur sporadisch in den Gewässern um Golfo Aranci. Sie machen sozusagen „holidays“ vor der Küste, meint Bruno grinsend.

Die „ortsansässigen“ Großen Tümmler sind sehr gut erforscht und katalogisiert. Viele Tiere tragen auffällige Narben und Kerben an der Rückenflosse (Finne), die ein Wiedererkennen bzw. eine Zuordnung mithilfe von Fotos möglich machen.

Hohe Neugeborenen-Sterblichkeit

Die Delfine werden offenbar in unterschiedlichen Zusammensetzungen beobachtet. Es bilden sich meist Gruppen mit vier bis fünf Tieren, die jedoch nicht lange zusammen bleiben, sondern in immer neuen Formationen schwimmen. In diesem Jahr haben Bruno und seine Praktikanten(innen) zwei Delfin-Babys gesehen. Leider ist die Säuglingssterblichkeit bei den Großen Tümmlern in Golfo Aranci sehr hoch. Von fünf Neugeborenen hat im letzten Jahr lediglich eines überlebt. Die Großen Tümmler werden hier etwa alle vier Jahre trächtig, erklärt mir Bruno. Die Schwangerschaft dauert ca. 12 Monate.

Susanne Gugeler

Zusammen mit Bruno, Andrea und Elana im BDRI

Bruno erklärt mir weiter, dass das Meer um Golfo Aranci sehr flach sei – nur zwischen 10 und 100 Meter tief. Das seien ideale Bedingungen für Große Tümmler, meint er.

Anpassungskünstler

Die Großen Tümmler im Thyrrenischen Meer sind nicht nur imposante Meeresakrobaten, sondern auch wahre Anpassungskünstler, was ihre Nahrung angeht. So finden sie sich gerne am „gedeckten Tisch“ vor der Insel Figarolo ein. Dort gibt es eine Fischfarm, in der Speisefische (Meerbrassen, Wolfsbarsche) gezüchtet werden. Ein gefundenes Fressen für die Großen Tümmler. Dabei zerren sie nicht etwa Zuchtfische aus den Netzkäfigen, sondern sie haben es auf Widlfische (Meeräschen) abgesehen, die sich ebenfalls an der Fischfarm gütlich tun. Diese fressen nämlich die Futterpellets (etwa 600 Kilogramm werden täglich davon verfüttert), die in einem Fischzuchtbetrieb reichlich anfallen. Und die Delfine wiederum fressen die Futterräuber. (Die Fischfarm ist bei Google Earth sogar vom Weltraum aus zu sehen. Einfach per Kopieren und Einsetzen folgende Zahlen-Koordinaten im Suchfenster „Anfliegen“ eingeben: >40.98308649541784, 9.634849104767156<.)

Susanne Gugeler

Im Hintergrund die Fischfarm vor Golfo Aranci

Stress für Fische und Delfine

700 Kilogramm Zuchtfisch sterben jährlich an Stress, informiert Signor Clemente, der Geschäftsführer der Fischfarm. Der Stress entstünde durch die Delfine, die sich vor den Unterwassergehegen tummeln und die Zuchtfische zu Tode erschreckten. Doch auch die Delfine haben Stress. Gerade in der Hauptsaison ist es für die Großen Tümmler um Golfo Aranci alles andere als gemütlich. Es herrscht reger Schiffs- und Bootsverkehr. Übereifrige Dolphin-Watching-Anbieter jagen die Meeressäuger regelrecht, nur damit die zahlenden Touristen ein gutes Foto schießen können. Bruno sieht das mit großer Sorge. Immer wieder bittet er die Bootsfahrer um Respekt vor den Tieren.

Der Unterwasserlärm hat drastisch zugenommen. Bruno ist es deshalb oft nicht möglich, die Laute der Delfine mithilfe von Hydrophonen (Unterwassermikrofonen) aufzunehmen. Der Schiffslärm übertönt alle anderen Geräusche.

Susanne Gugeler

Bruno lässt mich Delfin-Laute lauschen.

Susanne Gugeler

Delfin-Laute kann man auch sichtbar machen.

Die Töne der Großen Tümmler Sardiniens unterscheiden sich übrigens sehr stark von denen in Gefangenschaft gehaltenen Tieren. Bruno gibt mir eine Kostprobe vom Variantenreichtum der Delfin-Laute. Er überlässt mir auch eine kurze Laut-Sequenz zur Veröffentlichung auf meiner Webseite.

Eine weitere Gefahr für Delfine stellen Fischernetze dar. Beim Versuch, die Fische aus den Maschen zu stibitzen, verheddern sich die Delfine immer wieder darin. Auch wenn die Fischer solche Unfälle Bruno melden, können die Delfine meist nicht lebend aus den Netzen gerettet werden.

Susanne Gugeler

Andrea wertet Delfin-Fotos aus.

Susanne Gugeler

Die Identifikationskarte von PITU

Während mir Bruno jede Menge Informationen über die Großen Tümmler Sardiniens übermittelt, sitzen Andrea und Elana am anderen Computer und werten die Fotos aus, die sie bei einer Ausfahrt in den vergangenen Tagen gemacht haben. Auch PITU haben sie fotografiert. Seine markante Finne kann man sehr gut auf der laminierten Identifikationskarte wiedererkennen.

So langsam geht mein Tag im Delfin-Forschungsinstitut zu Ende. Ich habe ein sehr sympathisches und kompetentes Forscherpaar kennengelernt, mit Luna – ihrem Hund – geschmust und ein wunderschönes Stückchen Erde entdeckt. Golfo Aranci ist einen weiteren Besuch wert …

Lesetipps und Links

Auf meine Frage hin, welches Delfin-Buch er mir als Experte empfehlen könne, hat Bruno mir folgenden Titel genannt: „Whales, Dolphins and Seals – A Field Guide to the Marine Marine Mammals of the World“ von Hadoram Shirihai und Brett Jarett. Ich habe es mir zu Hause gleich bestellt und kann es jedem Delfin- und Wal-Freund wärmstens weiterempfehlen. Ich habe mich für die englische Originalausgabe entschieden, da die deutsche Ausgabe des Kosmos-Verlags nicht nur sehr viel mehr kostet, sondern offenbar (laut einer Rezension) auch eine Fülle von Rechtschreib- und Trennungsfehlern aufweist, die ein flüssiges Lesen erschweren …

Susanne Gugeler

Die sardische Flagge

Mehr über das Bottlenose Dolphin Research Institute auf der BDRI-Website
Das BDRI ist auch auf Facebook vertreten. Dort erfährst du Aktuelles aus Golfo Aranci.

1 Kommentare

  1. Vielen Dank für die interessanten Texte und Berichte zu den Delphinen vor Sardinien!
    Wenn ich das nächste Mal auf Sardinien bin, werde ich versuchen, dieses Institut zu finden. Vielleicht gibt es ja auch 2013 die Möglichkeit, "Fischforscher für einen Tag" zu sein.
    Herzlich sigrid, von o-solemio

    geschrieben von sigrid

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