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Knochenjob im Skelett-Kabinett


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Meeresakrobaten-Bericht, 17. Juni 2010.
So wie sich Puzzle-Fans für kleine Pappteile begeistern, die sie in ihrer Freizeit zu einem attraktiven Motiv zusammensetzen, ist es Wolfgang Lechners Leidenschaft, Knochenfragmente von Tieren zu sammeln, aus denen er dann Stück für Stück einen kompletten Igel, einen Tiger oder sogar einen Delfin baut.

Weißschnauzendelfin (Foto: Wolfgang Lechner)

Fundobjekte oder verendete Zootiere

Seit über 40 Jahren beschäftigt sich Wolfgang in seiner Freizeit mit dem Präparieren von Säugetierskeletten. Die meisten Präparate seiner Sammlung sind Fundobjekte bzw. stammen von verendeten Zootieren. „Leider sind wir sehr auf die äußere Erscheinung der Tiere fixiert. Mir ist es ein persönliches Anliegen, die eigentliche Konstruktion der Lebewesen zu verstehen und zu konservieren“, begründet Wolfgang sein Interesse an den Tierknochen. Vor allem Säugetier-Schädel haben es ihm angetan.

Delfin-Rätsel

Im Sommer 2009 hat Wolfgang bei einer längeren Exkursion in Island an einem Strand einen zwar etwas maroden, jedoch fast vollständigen Kadaver eines Delfins gefunden, den er mittlerweile präpariert hat. Da der Oberschädel nicht gefunden wurde und es von den Unterkiefern nur Fragmente gab, kann er die genaue Art nicht bestimmen. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Weißschnauzendelfin. Den fehlenden Schädel ersetzte er durch ein sogenanntes Replikat (siehe erstes Foto oben, zum Vergrößern bitte anklicken). Auch die fehlenden Mittelhandknochen hat er nachgebildet (siehe zweites Foto).

Moderne und Umwelt schonende Präparations-Techniken

Über die Präparations-Techniken erzählt Wolfgang Folgendes: „Die Knochenpräparation erfolgt durch eine sogenannte enzymatische Präparation. Bei diesem Verfahren erfolgt die Präparation nicht mehr nach der klassischen Vorstellung durch „Auskochen“ der grob vom Fleisch befreiten Kadaver. Vielmehr werden die zu präparierenden Teile, nachdem sie eine gewisse Zeit in einer wässrigen Lösung verblieben sind, unter Einsatz natürlich gewonnener Enzyme (z.B. Papain, das in der Lebensmittelindustrie auch als Zartmacher für Fleisch verwendet und in natürlich hoher Dosis in der Papaya-Frucht vorkommt) quasi biologisch präpariert.

Dabei bleiben selbst die kleinsten Knochenteile im Hand-/Fußgelenk erhalten.

Mittelhandknochen eines Delfins (Foto: Wolfgang Lechner)

Es entfällt praktisch jede mechanische Einwirkung auf die Präparate und es können sämtliche vorhandene Knochenstrukturen wie z.B. arthrotische Verwachsungen an der Wirbelsäule, aber auch kleinste Verknöcherungen wie z.B. die diversen Sesambeine (kleine Knochen, die in eine Sehne eingelagert sind und für einen zusätzlichen Abstand zum Knochen sorgen) eines Skelettes herauspräpariert werden.“

Wolfgang befasst sich vor allem mit den Sesambeinen an Knie sowie an den Hand- und Fußgelenken der Säugetierskelette.

Vom verwesten Tier zum stattlichen Präparat

Damit die MEERESAKROBATEN-Besucher mal einen kleinen Eindruck vom „Knochenjob“ eines Präparators erhalten, zeigt Wolfgang anhand von sechs Arbeitsschritten die einzelnen Phasen auf, die ein totes Tier durchläuft, bis es als prächtiges Präparat in Museen, Biologischen Instituten oder in privaten Sammlungen ausgestellt wird.

1. Abfleischen = grobes Entfernen von Haut/Fell und Muskelfleisch

2. Weiche = Aufschließen der Muskelzellen
In sogenannten Weichbädern werden wasserlösliche Eiweiße und Blut aus dem toten Tier gewaschen. Dieser Prozess dauert einige Zeit. Es wird immer wieder eine neue Weiche angesetzt. Der Weichprozess ist beendet, wenn die Farbe des Muskelgewebes hellrot bis weißlich-rot erscheint. Außerdem darf keine Eintrübung des Wassers mehr stattfinden.

3. Mazeration = Entfernen der letzten Fleischreste von den Knochen
In einem sogenannten Mazerationsbad werden die letzten Fleischreste von den Knochen gelöst. Mithilfe eines bestimmten Enzyms, das in Fleisch, Muskeln und Sehnen dringt und dort die Eiweiße spaltet, kann die Mazeration innerhalb einer halben Stunde abgeschlossen werden. Dabei werden Produkte verwendet, die vollkommen biologisch abbaubar sind und die Umwelt nicht schädigen. Gerne verwendet wird Papain, das natürlich in der Papayafrucht vorkommt (siehe auch oben).

Tiger-Skelette (Foto: Wolfgang Lechner)

Früher hat man die Mazeration den Bakterien überlassen. Der stattfindende Fäulnisprozess hat jedoch wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen als die Mazeration mit Enzymen

Sind alle Muskulatur- und Sehnenreste entfernt, wird das Präparat gut gespült. Dabei müssen vor allem enge Kanäle im Schädel gut gesäubert werden. Hilfreich dabei ist eine Wasserdüse. Danach wird das Präparat zum Trocknen ausgelegt.

4. Entfettung = Fettentzug aus den Knochen
In einer Entfettungsanlage wird Ethylalkohol (auch als Ethanol oder Weingeist bekannt) über einen Verdampfer durch das Knochenmaterial geleitet. Dabei werden die Fettpartikel – also kleinste Fettteilchen – gelöst. über einen Kühler kondensiert der Alkohol wieder, dabei wird das Fett in einem Abscheider gesammelt.

Wenn man das Knochenmaterial nicht in einer Entfettungsanlage behandeln würde, würde das in den Knochen eingelagerte Fett durch die Luftfeuchtigkeit in Säure umgewandelt werden. Diese ist so aggressiv, dass sie die Knochen nach einer gewissen Zeit zersetzen kann.

Kleinere Mengen/Knochen z.B. Schädel kann man auch ohne eine spezielle Entfettungsanlage bearbeiten. Wolfgang verwendet hierfür Aceton (ein farbloses Lösemittel), das in mehrere Wannen gegeben wird. Die Knochen werden nun wochenweise von einem Acetonbad ins nächste verlagert. Das verunreinigte Aceton wird gesammelt und zu einem Aufbereitungsbetrieb gegeben.

Verwachsene Wirbel (rechts) bei Delfin-Wirbelsäule (Foto: Wolfgang Lechner)

5. Bleiche = Oxidation mit Wasserstoffperoxid
Gebleicht wird vor allem aus ästhetischen Gründen. Die Bleiche verleiht den Knochen ein einheitliches Aussehen. Oft findet man alte Skelettteile in einem weniger attraktiven Grau vor oder ein Knochen wurde nur unvollständig entfettet, was sich in einer gelblichen Farbe äußert. Durch das Bleichen werden alle Knochen gleichmäßig weiß. Das Bleichen bewirkt aber auch eine geringere Geruchsbelästigung des fertigen Objekts.

6. Konservierung = Abschluss der Knochenoberfläche, vorzugsweise mit einer Acetonlösung bzw. Emulsion
Wolfgang taucht zum Konservieren die Knochen in eine 10-Liter-Tonne, in der sich eine Acetonlösung befindet. Anschließend lässt er die Skelettteile abtropfen und an der Luft ablüften. überschüssige Tropfen sollte man abwischen, empfiehlt Wolfgang. Für trockene Teile kann man auch eine Aceton-Emulsion verwenden, die aufgepinselt wird.

Delfin-Skelett von oben (Foto: Wolfgang Lechner)

Die Zähne eines Tieres werden in einer Holzleim-Lösung konserviert. Dann werden die Zähne getrocknet und eventuell nochmals oberflächlich mit Holzleim dünn eingestrichen. Wichtig ist, dass die feinen Risse verschlossen sind. Würden die Zähne nicht behandelt, könnten sie reißen, bzw. der Zahnschmelz könnte absplittern, wenn die Zähne austrocknen.

Das Aufstellen eines Skeletts ist eine wahre Kunst

Wolfgang ist ganz in seinem Element, wenn er über die Abschlussarbeiten der Präparation spricht. „Die eigentliche Kunst ist die „Artikulation“, das Aufstellen eines Skelettes in möglichst dynamischer, natürlicher Haltung. Hier ist vor allem handwerkliches Geschick gefragt. Techniken wie Metall-Bearbeiten, Schweißen, Kunststoff- und Kunstharz-Bearbeiten usw. werden angewandt, um ein perfektes Skelett entstehen zu lassen“, erklärt er.

In Wolfgangs Skelett-Kabinett befinden sich außer dem Delfin noch andere Säugetiere wie z.B. zwei Tiger oder mehrere Igel. Außerdem arbeitet er zurzeit an einem Knochenatlas, in dem u.a. Braun- und Höhlenbären dargestellt werden.

Günther Behrmann präpariert Pottwal-Schädel (Foto: Reinhard Kikinger)

Pottwalskelett

Lässt sich Wolfgangs Skelett-Sammlung noch relativ gut in einem Raum seines Hauses aufstellen, sieht es mit Groß-Skeletten schon anders aus. Wahrscheinlich hätte man enorme Schwierigkeiten, einen 15 Meter langen Wal durch die Türe zu transportieren ;o))

Auf die Präparation von großen Meeressäuger-Skeletten hat sich der Wal-Experte Günther Behrmann spezialisiert. Er ist seit vielen Jahren Berater der MEERESAKROBATEN und hat bereits mit etlichen Beiträgen zur Informationsvielfalt der Website beigetragen.

Erst vor kurzem kam Günther von den Malediven zurück (siehe auch MA-News vom 7. Juni 2010), wo er ein Pottwalskelett für die Präparation vorbereitet hat. Ähnlich wie Wolfgangs Präparationsschritte müssen auch die knöchernen Überreste dieses riesigen Meeressäugers eine langwierige Vorbereitungsphase durchlaufen, bevor aus ihnen ein stattliches Modell werden kann. Im nächsten Jahr wird sich Günther dem Aufbau des Skeletts widmen.

(Nachtrag: 2011 hat Günther Behrmann die Präparation abgeschlossen. Siehe MA-News vom 8. März 2011 und vom 12. März 2011)

Literaturtipp

Knochenpräparation – Handbuch für Praktiker
von Peter Niederklopfer und Martin Troxler
ISBN 3-9522247-0-7

Lesetipps

* „Das Skelett der Delfine“
* „Auf den Zahn gefühlt – Besuch bei Günther Behrmann“
* „Evolution der Wale – Wie sah der Urwal aus?“

2 Kommentare

  1. Hallo, i h habe zwei Wirbelkörper offen auf Borkum gefunden und wüsste gerne von welchen Tieren sie sind. Ich habe ein Foto davon gemacht. Wo kann ich h es bin schicken?
    IDrews@gmx.de

    geschrieben von Inga Drews
    1. Das OZEANEUM in Stralsund wäre vielleicht die richtige Adresse.

      geschrieben von Susanne

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