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Mehrsprachige Wale


Sehr gefreut habe ich mich, als ich von einem Forschungsprojekt der Universität Wien gelesen habe: Es geht dort um das Rufverhalten bei Schwertwalen in Vancouver Island/Westkanada, das u.a. von Dr. Paul Spong, seiner Frau Dr. Helena Symonds sowie der Biologin Brigitte Weiß analysiert wurde. Alle drei Wissenschaftler durfte ich im September 2003 vor Ort kennenlernen. An meinen Aufenthalt im OrcaLab erinnere ich mich sehr gerne (siehe dazu auch „Wale – so weit das Auge reicht“).

Brigitte und Dr. Spong

Brigitte Weiß und Paul Spong (Foto: Susanne Gugeler)

Zum Rufverhalten der Schwertwale gibt es folgende Pressemitteilung der Uni Wien:

Die als Showtiere in Freizeitparks und durch den Film „Free Willy“ bekannten Schwertwale leben in freier Natur in engen und sehr stabilen Familiengruppen. Diese verfügen über völlig unterschiedliche Lautrepertoires – ähnlich Fremdsprachen bei Menschen. Ein Forschungsteam um Friedrich Ladich vom Department für Verhaltensbiologie der Universität Wien untersuchte das Rufverhalten von Schwertwalen in unterschiedlichen sozialen Situationen. Die Ergebnisse sind im Journal „Marine Mammal Science“ online erschienen. Während zahlreiche Vogelarten die Rufe ihrer Artgenossen imitieren, sind Imitationen von Rufen bei Säugetieren bislang nur selten beschrieben. Eine Ausnahme bildet der Große Tümmler, jene Delfinart, die durch die TV-Serie „Flipper“ bekannt wurde und als Expertin für Rufimitationen gilt. Auch der Große Schwertwal (Orcinus orca) zählt zur Familie der Delfine – und hat mit seinem Lautverhalten das Interesse eines Forschungsteams der Universität Wien geweckt.

Verschiedenartige Lautrepertoires

„Schwertwale leben in engen und sehr stabilen Familiengruppen. Sie sind akustisch überaus interessant, da sich Familien durch unterschiedliche Dialekte auszeichnen“, erklärt Friedrich Ladich vom Department für Verhaltensbiologie der Universität Wien. Die Dialekte nah verwandter Familiengruppen sind einander besonders ähnlich, während unverwandte Familien voneinander völlig verschiedenartige Lautrepertoires besitzen – vergleichbar mit unterschiedlichen Sprachen.

Laute als Rufimitationen

Im Rahmen ihrer Studie eruierten die ForscherInnen der Universität Wien in Zusammenarbeit mit kanadischen KollegInnen wiederholt Laute, die nicht aus dem Dialekt der beobachteten Familie stammten, sondern denen von unverwandten, nicht anwesenden Familien ähnelten. „Die Ergebnisse deuten stark darauf hin, dass es sich bei diesen Rufen tatsächlich um Imitationen handelt“, sagt Projektmitarbeiterin Brigitte Weiß, deren Dissertation auf den Forschungsergebnissen beruht.

Aufnahme mit Unterwassermikrofonen

Zu diesem Zweck wurden Schwertwalfamilien in der kanadischen Johnstone Strait, einer Meerenge nahe Vancouver Island, mit einem Netzwerk an Unterwassermikrofonen aufgenommen. Die von den Familien verwendeten Ruftypen wurden bestimmt und mit dem bekannten Lautrepertoire verglichen. Die Ergebnisse zeigten nicht nur, dass Schwertwal-Familien tatsächlich die Rufe unverwandter Familien nachahmen. Auch können diese Nachahmungen von nur oberflächlichen Ähnlichkeiten bis hin zu sehr exakten Kopien der jeweiligen Rufe reichen.

Motivation der Wale als offene Frage

Offen ist noch, warum Schwertwale Artgenossen imitieren. „Die Nachahmungen könnten als ‚Name‘ für die betreffenden Familien verwendet werden; möglich wäre aber auch, dass sie ohne bestimmte Intention produziert werden“, so Ladich. Um diese Frage zu beantworten, müssten die ForscherInnen die Rufe einzelnen Walen zuordnen – was derzeit technisch kaum machbar ist, insbesondere wenn viele Wale eng beisammen schwimmen.

Im OrcaLab

Paul Spong erklärt mir ein Unterwassermikrofon. (Foto: Susanne Gugeler)

Publikation

Call sharing across vocal clans of killer whales: Evidence for vocal imitation? Brigitte Weiß, Helena Symonds, Paul Spong, Friedrich Ladich. In: Marine Mammal Science Online, 15.07.2010.
DOI: 10.1111/j.1748-7692.2010.00397.x
Volltext unter Onlinelibrary.
(Quelle: Universität Wien)

Kleines Sprachrepertoire

Wie Brigitte Weiß der Basler Zeitung mitteilte, ist das Sprachrepertoire der Orcas relativ klein. „Im übertragenen Sinn benutzen Orcas etwa 20 Wörter, verwenden davon aber nur 12 bis 14 regelmäßig“, erklärte sie.

Mehrere Sommer verbrachte Brigitte im OrcaLab von Paul Spong. Dort hat sie auf einer Fläche von 50 Quadratkilometern die dort ansässigen Orcas belauscht. 30.000 Rufe hat sie mithilfe von Unterwassermikrofonen aufgenommen und ausgewertet. Sie versuchte dabei die Geräusche jeweils einer Walfamilie zuzuordnen. Das gelang ihr in vielen Fällen anhand individueller Muster der Rückenflosse, die als Fingerabdruck der Wale gelten. Auf diese Weise ließ sich der Laut einem bestimmten Clan zuordnen.

Abschied vom OrcaLab (Foto: Paul Spong)

Paul Spong macht von uns ein Abschiedsfoto. (Foto: Paul Spong)

Laute werden im Nasengang erzeugt

Ähnlich unseren Stimmbändern dienen Membrane bei den Orcas der Lauterzeugung. Diese befinden sich jedoch nicht im Halsbereich der Tiere, sondern im Nasengang oben auf dem Schädel. Dort wird die Luft hin und her gepresst und dadurch in Schwingungen versetzt. Die dabei erzeugten Laute kann man bis 10 km weit wahrnehmen.

Buckelwale sind die Lärmmacher im Tierreich

Friedrich Ladich – der Brigitte Weiß Doktorarbeit betreut hat – zählt Buckelwalen zu den Meeressäugern mit den komplexesten Stimmäußerungen. Sie bringen viele Laute hervor und kombinieren diese miteinander. „Im Gegensatz zum Orca benutzen Buckelwale zur Produktion von Tönen höchstwahrscheinlich ihren Kehlkopf“, vermutet Ladich. Wenn Buckelwale „singen“, wiederholen sie die Strophen regelmäßig. Im Lauf der Jahre werden diese Strophen jedoch verändert. 190 Dezibel laut können diese Gesänge sein. Damit gehören die Buckelwale zu den größten Lärmmachern im Tierreich. Ein Orca bringt es immerhin auch auf 170 Dezibel. „Das ist extrem laut“, sagt Brigitte Weiß. Es entspreche, auf Werte in der Luft umgerechnet, einem startenden Flugzeug.

(Quelle: Basler Zeitung)

1 Kommentare

  1. Oh, Neid. Ich würde dort auch gerne einmal hin. Ich war 2000 nur in Victoria und Tofino und habe die südlich residenten Orcas gesehen. Mein Roman "Mit den Augen der Orcas" handelt allerdings genau von diesen erforschten nördlich residenten Orcas, nicht zuletzt angeregt durch Alexandra Mortons Buch "Sinfonie der Wale".

    Monatelang habe ich recherchiert und war auf der OrcaLive Internetseite, um die Rufe der Orcas zu hören. Wichtige Informationen habe ich dort bekommen und so mancher OLer hat mir weiterhelfen können. Am Ende habe ich zwei tolle Dinge erreicht: 1) ein wunderbares Vorwort zu meinem Buch von Dr. Paul Spong und Helena Symonds und 2) die Erlaubnis des Stammes zur Verwendung einer originalen Indianerlegende. Erstaunlich, wie die Dinge sich manchmal entwickeln.

    geschrieben von Doris Thomas

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