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Delfine in deutschen Delfinarien – Fragen und Antworten


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Wieso werden die Delfine zu den Shows gezwungen?

Zunächst: Delfine kann man zu gar nichts zwingen. Im Gegenteil: Ein ernsthaft verärgerter Delfin ist für seinen Peiniger und jeden, der ihm zu nahe kommt, akut lebensgefährlich!

Großer Tümmler in Nürnberg (Foto: Rüdiger Hengl)

Daher wurde speziell für die Arbeit mit Delfinen bereits in den 70-er Jahren eine Methode entwickelt, bei der die Tiere nur durch Ausnutzung ihrer Neugierde und mithilfe von kleinen Belohnungen zur Mitarbeit animiert werden. Diese Methode hat sich aufgrund ihrer Effizienz inzwischen bei der Arbeit mit praktisch allen Tierarten durchgesetzt, zumal man dadurch ausgesprochen sanftmütige und zutrauliche Tiere erhält.

Auch ihre Futterration bekommen die Delfine bereits vor dem Trainingsprogramm, denn nichts anderes sind die „Shows“ oder „Vorführungen“.

Da die Tiere in menschlicher Obhut ihr Futter nicht mehr jagen müssen, fehlt ihnen der normale Anreiz, sich anzustrengen. Dies macht man in der verantwortungsvollen Tierhaltung (nicht nur bei Delfinen) dadurch wett, dass man im Zusammenhang mit der Fütterung die Tiere dazu animiert, sich zu bewegen und geistige Herausforderungen anzugehen. Dies ist eine wesentliche Maßnahme, um die Tiere körperlich und geistig fit zu halten.

Die Menge an Futter, die sie während ihres Fitnessprogramms bekommen, ist übrigens minimal und einzelne Delfinhaltungen verzichten inzwischen sogar (fast) ganz darauf, ohne dass dies gravierende Auswirkungen auf die Motivation der Tiere hätte. Mit kleinen Leckerli ist es aber zugegeben etwas einfacher, die Tiere zum Mitmachen zu bewegen.

Durch die ausgebildeten Pfleger wird natürlich stets sichergestellt, dass alle Tiere genau die erforderliche Futtermenge physiologisch sinnvoll über den Tag verteilt bekommen.

Leiden die Tiere nicht darunter, dass sie in solch kleinen Gehegen gehalten werden? Das Meer ist schließlich grenzenlos!

Wie bereits erläutert, werden ausschließlich Delfinarten gehalten, die auch in der Natur eher kleine, eng begrenzte Reviere bewohnen. Die karibische Küstenform der Großen Tümmler ist von Natur aus ziemlich ängstlich und meidet unbekannte und/oder tiefe Gewässer. Daher dauerte es auch fast zwei Wochen, bis die Großen Tümmler in Nürnberg so weit waren, dass sie sich alleine – d.h. ohne die Begleitung von Tierpflegern – in die neue Lagune gewagt haben.

Delfin-Lagune Nürnberg (Foto: Frank Blache)

Interessant ist auch, dass es kaum eine Delfinhaltung in einer abgetrennten Meereslagune weltweit gibt, in der nicht irgendwann einmal die Netze durch einen Sturm zerstört wurden. Und in praktisch allen Fällen sind die Tiere spätestens nach dem Sturm freiwillig zurückgekehrt. An einigen Orten (z.B. in Eilat/Israel) schließt man die Netze seitdem nur noch zeitweilig, um die Tiere vor Schwertwalen und Haien zu schützen. Auch gibt es mehrere meeresnahe Delfinhaltungen, in denen die Tiere regelmäßig ins Freiwasser ausgeführt werden. Delfine werden bei anständiger Behandlung vergleichbar anhänglich, wie Hunde.

Stören die kleinen Becken nicht die Echoortung der Tiere?

Nein. Jeder, der schon einmal an einem Riff getaucht ist, weiß, dass es dort weder leise noch übersichtlich ist. Auch wenn keine Boote in der Nähe sind, besteht durch natürliche Geräuschquellen (Brandung, Tiere etc.) stets eine Lärmkulisse, die selbst ein Gerätetaucher noch gut wahrnimmt. Auch die oft zerklüfteten Riffe sind eng und verwinkelt. Die Küstenform des Großen Tümmlers ist perfekt an solche Gegebenheiten angepasst, sodass diese Tierart auch in einer künstlichen Delfinlagune keinerlei Probleme hat, sich zurechtzufinden.

Verstummen Delfine in Gefangenschaft?

Große Tümmler haben ein exzellentes Sehvermögen und benutzen die (für sie vergleichsweise anstrengende) Echoortung nur dann zur Orientierung, wenn ihr Sehsinn an seine Grenzen stößt. Da das Wasser in einer gut gepflegten Delfinlagune fast glasklar ist, nutzen sie ihre Echoortung eher selten und wenn, dann vor allem bei Dunkelheit. Versuche haben jedoch gezeigt, dass ihre Fähigkeiten zur Echoortung dennoch uneingeschränkt erhalten bleiben. So ist selbst der über 50-jährige Große Tümmler „Moby“, der seit über 40 Jahren in Nürnberg lebt, nach wie vor in der Lage, eine Cent-Münze auf dem Beckenboden nur mit seinem Sonar zu finden und aufzulesen.

Delfine und Seelöwe in Münster (Foto: Allwetterzoo Münster)

Sind die Tiere durch die kleinen Becken und die zahlreichen Menschen in der Umgebung nicht starkem Stress ausgesetzt?

Der Tiergarten Nürnberg nimmt bei seinen Delfinen regelmäßig Speichelproben und untersucht diese auf Stresshormone. Die Schwankungen bewegen sich in einem Bereich, die auf einen recht entspannten, aber auch nicht gelangweilten Gemütszustand schließen lassen. Etliche Tierpfleger haben da eher bedenkliche Werte.

Weshalb bekommen die Delfine in menschlicher Obhut so viele Medikamente?

Jeder verantwortungsvolle Tierarzt ist bemüht, die Medikamentengaben auf ein Minimum zu beschränken. Wenn sich jedoch Erkrankungen zeigen, die das Leben der Tiere bedrohen, wäre es unverantwortlich, nicht einzuschreiten.

Die Art und Weise, wie die Delfine in einem verantwortungsbewusst geführten Delfinarium mit Medikamenten behandelt werden, unterscheidet sich vom Grundsatz her nur wenig von dem, wie man mit menschlichen Patienten verfahren würde.

Selbstverständlich wird berücksichtigt, wie die Dosierungen an die jeweilige Tierart und das entsprechende Körpergewicht anzupassen ist und welche Medikamente bei welcher Tierart besonders gut oder eben eher nicht geeignet sind.

Wie beim Menschen steigt mit zunehmendem Lebensalter auch bei Delfinen die Anfälligkeit für verschiedene Erkrankungen, sodass mit zunehmendem Alter des Tierbestandes auch der Behandlungsbedarf erheblich ansteigen kann.

Wieso werden Delfinen auch Psychopharmaka verabreicht?

Im Rahmen einer verantwortungsbewussten medizinischen Betreuung kann auch die Gabe von Beruhigungsmitteln und Appetitanregern sinnvoll sein. Diese Gaben folgen aber beinahe denselben Voraussetzungen wie bei menschlichen Patienten.

Der vorsichtige Einsatz von Appetitanregern ist die sanfteste Methode, bei älteren oder erkrankten Tieren eine ausreichende Flüssigkeits- und Kalorienzufuhr sicherzustellen. Dies ist bei Delfinen umso wichtiger, als sie Salzwasser nicht trinken können und daher ihren Flüssigkeitshaushalt aus der Nahrung bestreiten müssen.

In der Natur können daher bereits vergleichsweise harmlose Erkrankungen zu schweren und oft irreparablen Schäden an Kreislauf und Nieren führen, wenn die Tiere zeitweilig nicht genug und regelmäßig fressen. Solchen Schäden aktiv vorzubeugen, hat für einen verantwortungsbewussten Tierarzt natürlich Priorität.

Ebenso kann es sinnvoll sein, besonders nervösen Tieren oder vor absehbaren hohen Belastungen (starker Baulärm, neue Tiere, Transporte etc.) den Delfinen kurzzeitig mit Beruhigungsmitteln zu helfen, auch, um Verletzungen z.B. durch Stressreaktionen zu vermeiden. Leider kann man Tieren die Umstände nicht erklären, sodass eine Medikamentengabe manchmal der einzige Weg ist, sie vor übermäßigen Stressreaktionen zu schützen. Selbstverständlich kann dies immer nur eine kurzzeitige und zeitlich streng begrenzte Maßnahme sein, auch, um eine Gewöhnung an die Medikamente zu vermeiden.

Es wäre daher nicht zu verantworten, bestimmte, in der Humanmedizin bewährte Medikamentengruppen und Behandlungsmethoden in der Tierpflege auszuschließen. Selbstverständlich wird dabei berücksichtigt, dass manche Medikamente bei bestimmten Tierarten anders wirken und anders zu dosieren sind wie bei Primaten bzw. Menschen.

8 Kommentare

  1. Die Antwort haben Sie sich bereits selbst gegeben: „Bis jemand die *Verantwortung* für die Delfine übernehmen kann (…)“. Der von Ihnen angeführte Praktikant hat keine Verantwortung für die Delfine übernommen, sondern den Tierpflegern bei ihrer Arbeit assistiert. Solche Aufgaben kann prinzipiell jeder übernehmen, der im Umgang mit (Wild-)Tieren einigermaßen erfahren, des Schwimmens mächtig und frei von ansteckenden Krankheiten ist – was bei diesem Mann ja ohne jeden Zweifel der Fall war.

    Die verantwortlichen Stellen sind (auch) in Nürnberg mit entsprechend qualifiziertem Personal besetzt; das reicht von Herrn Dr. von Fersen, einem international renommierten Meeresbiologen mit Fachrichtung Meeressäuger, bis hin zu den entsprechenden Pflegern im Delfinarium. Dass man aber nicht unbedingt einen promovierten Meeresbilogen ins Wasser schicken muss, um die Becken zu reinigen, oder – wie von Ihnen beobachtet – für die Tiere unter Anleitung und Aufsicht als Spielzeug herzuhalten, sollte aber auch bei kritischer Betrachtung einleuchten.

    geschrieben von Norbert Fleck
    1. Noch kurz vorher wurde mir aber versichert, dass zu den Tümmlern aufgrund ihres Gefahrenpotentials nur jahrelang ausgebildetes Personal ins Wasser darf…und das war der Pfleger der Wildvögel definitiv nicht. Er hat damals selber geäußert, dass er von Delfinen keine Ahnung hat.
      Es gab wohl einen Personalmangel und da heißt es: The show must go on!
      Es ist etwas weit aus dem Fenster gelegt hier zu sagen, dass der Mann zweifelsohne frei von ansteckenden Krankheiten war. Haben Sie ihn untersucht?
      Und ob ein Vogelpfleger global Erfahrung mit Wildtieren hat? Sehr fragwürdig.
      Es gibt ja sogar Leute, die jeglichen nicht-Biologen die Qualitfikation pauschal absprechen, sich zu dem Thema Delfinarien überhaupt nur äußern zu können…

      geschrieben von Doris Thomas
      1. Gehen Sie einfach mal davon aus, dass man auch in Nürnberg nicht blöd ist und leichtfertig die Gesundheit der Tiere und der Pfleger aufs Spiel setzt – auch wenn die Öffentlichkeitsarbeit (wie auch in Ihrem Falle wieder eindrucksvoll belegt) ein ganz heißer Anwärter für die "Goldene Himbeere" ist.

        Wer allgemein mit Tieren umgehen kann (keine überraschenden Bewegungen, keine unnötige Hektik) kann ganz sicher auch nach kurzer Einweisung und unter Aufsicht einem Delfintrainer assistieren.
        Es macht zudem einen gewaltigen Unterschied, ob jemand in Anwesenheit der Pfleger zu den Tieren ins Wasser geht, oder allein. Große Tümmler sind ohnehin ausgesprochen friedlich und auch nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen, solange man sich an ein paar einfache Regeln hält. Die Beckenreinigung übernehmen auch Taucher, die nicht unbedingt ausgebildete Tierpfleger sind – solange man die Delfine in Ruhe läßt, sind die weitgehend ungefährlich. – Und satte, an Menschen gewöhnte Tiere sowieso.

        Ich kann aber durchaus verstehen, dass speziell in Nürnberg da gerne ein wenig dramatisiert wird: Es gibt praktisch permanent und penetrant Anfragen, ob man nicht (doch) mal mit den Delfinen schwimmen kann, oder sie wenigstens mal anfassen darf. Und in Nürnberg will man das aus durchaus nachvollziehbarfen Gründen nicht – ganz gleich, ob die Tiere damit ein Problem hätten, oder nicht.

        Es gibt aber durchaus auch seriöse Delfinarien, in denen das möglich ist (nach Vorlage ärztliches Attest, Belehrung, usw.). Und wenn man das beachtet, was am Anfang gesagt wird und die Anweisungen der Tiertrainer genau befolgt, hat man mit den Tieren auch ziemlich viel Spaß – und ganz offensichtlich auch umgekehrt.
        Wer sich nicht an die (relativ simplen) Regeln hält, fliegt allerdings hochkant raus: Entweder, weil die Tiertrainer das so entscheiden, oder weil man eine Delfinfluke abbekommen hat. – Letzteres kommt aber so gut wie nie vor.

        geschrieben von Norbert Fleck
  2. "Bis jemand die Verantwortung für Delfine übernehmen kann, muss er eine mehrjährige Ausbildung unter qualifizierter und wissenschaftlich begleiteter Anleitung durchlaufen." – Das sagte mri auch damals Herr Mägdefrau, als ich vor vielen Jahren in Nürnberg hinter die Kulissen schauen durfte. Dann sprach ich mit einem Pfleger. Er war nur aushilfsweise seit 2 Wochen (!) bei den Delfinen und normalerweise für die Greifvögel zuständig. Umso überraschter war ich, als er kurz danach in der Show zu den Delfinen ins Wasser ging. Soviel zu den qulifiziertem und jahrelang geschultem Personal.

    geschrieben von Doris Thomas
  3. "Die Küstenform des Großen Tümmlers " ?

    geschrieben von Doris Thomas
    1. Ja, es gibt auch vom Großen Tümmler mehrer Unterarten. So beispielsweise eine kräftige, bis 600 kg schwere Hochseeform, die überwiegend im Freiwasser lebt und die kleinere, auf eher flache und begrenzte Reviere spezialisierte Küstenform, die ausgewachsen meist weniger als 250 kg auf die Waage bringt.
      Da sich die beiden Unterarten genetisch und von der Physiologie nur minimal unterscheiden, werden sie nicht als separate Arten geführt, auch wenn sie auf dem besten Wege sind, sich irgendwann einmal zu unterschiedlichen Arten zu entwickeln.

      geschrieben von Norbert Fleck
  4. Sehr schöne und interessante Auflistung vieler Delfinarien betreffender Fakten.

    geschrieben von Lars
  5. Ein sehr ausführlicher und informativer Bericht, der sämtliche Statements der Delfinarien-Hasser ad absurdum führt.

    geschrieben von Rüdiger

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