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Fischen mit Delfinen


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Meeresakrobaten, 1. Januar 2013

Auf dem Weg nach Laguna sieht man überall Fischernetze hängen. Die feinen Nylongebilde wehen von Eukalyptusbäumen und Holzpfählen. Kein Zweifel: Laguna im Südosten Brasiliens ist ein Fischerort.

Das ist nichts Ungewöhnliches für einen Küstenort. Doch wenn man den Bewohnern Lagunas dabei zusieht, wie sie an ihre Nahrung kommen, zeichnet sich schnell ein Unterschied zu anderen Fischereitechniken ab.

Escubi und Filipe

„Escubi!“, schreit ein Mann in Shorts und T-Shirt, als eine Finne das Wasser durchpflügt. Der Name bezieht sich auf einen Delfin, der sich ganz nah an den Strand von Laguna gewagt hat. „Filipe!“, ruft ein anderer Mann.“Filipe“ steht in Brasilien für „Flipper“.

Die Fischer verharren gebannt am Ufer, als ob sie auf ein Zeichen warteten. Und da kommt es schon. „Escubi“ schlägt mit der Fluke aufs Wasser und flitzt Richtung Land. Ein Fischer wirft schnell ein Netz aufs Wasser. Es faltet sich auf wie ein Spinnennetz, landet auf der Wasseroberfläche und faltet sich wieder zusammen. Der Fischer zieht an der Leine. Eine große Meeräsche zappelt im Netz.

„Escubi“ verschwindet wieder Richtung Meer. Die Männer nehmen die Fische aus.

Delfine und Fischer arbeiten schon lange zusammen

Während in anderen Küstenregionen Delfine als Konkurrenten und Diebe beschimpft und aus diesem Grund immer wieder von Fischern erschossen werden, arbeiten in Laguna Fischer und Delfine seit mindestens 120 Jahren zusammen.

Diese seltsame Kooperation ist durch einen Brief aus dem 19. Jahrhundert schriftlich belegt. Wie lange Delfin und Mensch tatsächlich schon zusammen auf die Jagd gehen, weiß man nicht.

Die feinmaschigen Netze werden jedenfalls seit dem 16. Jahrhundert von den Brasilianern benutzt. Sie stammen ursprünglich von Immigranten von den Azoren.

Mensch und Delfin profitieren voneinander

Warum verhalten sich die Delfine so kooperativ? Wohlgemerkt: Sie sind nicht gezähmt. Es wird vermutet, dass die Delfine von dieser Art Jagd ebenso profitieren wie die Menschen.

Große Tümmler (Foto: Rüdiger Hengl)

Große Tümmler (Foto: Rüdiger Hengl)

Die Fische verlieren ihre Orientierung, wenn sie von Menschen und Delfinen in die Enge getrieben werden. Einzelne Tiere werden bei dieser Jagdtechnik isoliert. In diesem Chaos machen die Delfine leichte Beute. Sie erwischen die schnell schwimmenden Fische eher in Küstennähe als auf offenem Meer. Und die Menschen füllen gleichzeitig ihre Netze. Sie fangen auf diese Weise mehr und größere Fische als ohne die Hilfe der Meeressäuger.

Im Winter werden vor allem Meeräschen gejagt, im Sommer Sardellen. Wenn sich kein Delfin am Horizont zeigt, sehen die Fischer keine Notwendigkeit, ihre Netze auszuwerfen.

Gute Delfine

Die meisten Delfine dieser Region sind ortstreu. Manche von ihnen patrouillieren die Küste entlang. Von 55 Individuen, die in diesem Küstenabschnitt identifiziert wurden, beteiligen sich allerdings nur 21 Delfine aktiv an der Jagd im Verbund mit etwa 200 Fischern.

Die Fischer nennen die Delfine „Botos bons“ (=gute Delfine). Die meisten Fischer haben einen festen Job. Nur vom Fischfang allein kann man in Laguna nicht überleben, sagen sie.

Ähnliche Kooperationen kennt man aus Burma von den Irawadi-Delfinen oder aus Australien, wo Ureinwohner ebenfalls mithilfe von Delfinen fischen. In Mauretanien schlagen die Fischer mit Stöcken auf die Wasseroberfläche und veranlassen die Kamerun-Flussdelfine damit, Meeräschen Richtung Ufer zu treiben. Dort warten die Fischer mit ihren Netzen, und für die Delfine bleibt auch noch genügend Beute übrig.

Die Fischereitechnik wird dabei von Generation zu Generation weitergegeben – sowohl von den Fischern als auch von den Delfinen.

Soziales Gefüge

Die Delfine aus Laguna bilden beim Jagen eine Gruppe. Diese Gruppe löst sich nach der Jagd wieder auf. Solch ein soziales Gefüge wird „fission-fusion“ (=ein fließendes soziales Gefüge) genannt.

Unter den Fischern herrscht Harmonie, nicht nur in Bezug auf die Delfine. Basierend auf eine lange Tradition gibt es beim Fischen ein „Rotationssystem“. Sobald ein Fischer zwei Meeräschen oder ein besonders großes Tier gefangen hat, überlässt er seinen Platz dem nächsten Fischer.

Delfine befreien Wale aus misslicher Lage

Gerne erzählen die brasilianischen Fischer den Touristen eine Geschichte, die sich vor Jahren in Laguna abgespielt hat. Eine Glattwalmutter hatte sich mit ihrem neugeborenen Kalb im Kanal von Laguna verirrt. Die verstörten Wale wurden plötzlich von einer Gruppe Delfine eskortiert, die das Paar hinaus aufs offene Meer geleitete.

Gefahren

Doch ganz so idyllisch, wie es scheint, läuft das Leben für die Delfine in der Lagune nicht ab. Sie sind bedroht durch die Wasserverschmutzung und sie schwimmen in Kiemennetze, die entlang des Tubarao-Flusses aufgestellt werden. Der Fluss mündet in die Lagune. Vor allem die „guten Delfine“ verheddern sich in den Maschen. Einige sterben darin.

Fischernetz (Foto: Rüdiger Hengl)

Fischernetz (Foto: Rüdiger Hengl)

Auch die Existenz der Fischer ist gefährdet. Fischer aus Uruguay fangen trächtige Meeräschen-Weibchen weg, um deren Rogen zu gewinnen. So ist die Nachhaltigkeit des Fischens in dieser Region nicht mehr gewährleistet. Es wurde außerdem beobachtet, dass einem ertragreichen Jahr (z.B. 2011) ein eher fisch-leeres Jahr (z.B. 2012) folgt.

Die Delfinpopulation in Laguna ist trotz aller Widrigkeiten sehr widerstandsfähig. Selbst der Bau einer Mole in den 1940er-Jahren konnte die Meeressäuger nicht aus ihrem Gebiet vertreiben.

Tierfreundlich

Die Fischer haben übrigens nicht nur zu den „guten Delfinen“ ein optimales Verhältnis, sondern auch zu anderen Wassertieren – wie Robben oder Reihern. Diese bekommen von ihnen entweder einen freundschaftlichen Klaps, wenn sie um die Beine der Fischer dümpeln, oder sie erhalten Reste des Fangs. Hoffentlich funktioniert das Zusammenspiel von Mensch und Tier noch recht lange.
(Quelle: Fishing with dolphins)

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