In meiner Amazon-Besprechung habe ich dem Erstlingswerk von Karsten Brensing nur drei von fünf Sternen gegeben. (Informationen zum Inhalt des Buchs unter Persönlichkeitsrechte für Tiere.)
Was mir nicht gefällt …
1. Schimpanse auf dem Cover
Auf dem Cover ist ein Schimpanse abgebildet, obwohl sich der Autor Delfin-Experte nennt. In einer Anhörung im Bundestag (15. Mai 2013) sagte Brensing zumindest: „Ehrlich gesagt, habe ich kaum von etwas anderem (Anmerkung Meeresakrobaten: gemeint sind Delfine) Ahnung.“ (Siehe Bundestag-Video an Stelle 00:27:14.)
Für mich ist es unerklärlich, warum trotz dieses „Bekenntnisses“ etwa die Hälfte des Buches von anderen Tieren handelt.
2. Äußerungen, die für mich nicht zusammenpassen
Karsten Brensing schreibt sehr viel über die Intelligenz der Tiere und über erstaunliche Forschungsergebnisse, die man in Delfinarien und Zoos gewonnen hat. Auf Seite 113 spricht er sogar von „unseren Delfinen“, die schnell begriffen hätten; auf Seite 35 nennt er ein „bahnbrechendes Experiment“ mit einem Delfin, der in menschlicher Obhut lebte.
Andererseits lässt Brensing keine Gelegenheit aus, sich negativ über Delfinarien und die Haltung von Tieren in zoologischen Einrichtungen zu äußern (Beispiele Seite 29: „Delfinarien, die nicht gerade zimperlich mit den Tieren umgehen.“ Auf Seite 40 schreibt Brensing, dass Delfine nur „unter Zwang“ Übungen mitmachen).
Meiner Meinung nach passen diese Äußerungen nicht zusammen. Außerdem hätte Brensings Buch ohne die Forschungsergebnisse aus wissenschaftlich geführten Einrichtungen gar nicht entstehen können …
3. Auswilderungs-Forderung ist nicht realistisch
Das Märchen vom Schwertwal-Weibchen Morgan (Seite 208 f.) ist meiner Meinung nach für ein Sachbuch zu „schmusig“ und führt den Leser auf eine utopische Fährte. So will Brensing ihm weismachen, dass man das Schwertwal-Weibchen hätte ohne Probleme auswildern können.
Zur Erklärung: Morgan ist ein weiblicher Orca, der im Sommer 2010 in der Nordsee gestrandet war und ohne seine Familie und in geschwächtem Zustand enteckt wurde.
Mitarbeiter der SOS-Station in Harderwijk/Niederlande haben Morgan mitgenommen und das Weibchen so lange behalten, bis es wieder bei Kräften war und auch zugenommen hatte.
Weil Morgan offensichtlich von ihrer Familie verlassen worden war und ohne ihren Clan wohl kaum Überlebenschancen gehabt hätte, wurde der Schwertwal nach zwei Jahren Reha in ein größeres Becken in den Loro Park auf Teneriffa umgesiedelt. Dort gewöhnt sich der Schwertwal nach und nach ein.
Tierärzte hatten bei Morgan eine Hörschwäche diagnostiziert, die eventuell für ihre Strandung verantwortlich war.
Brensing fordert in seinem Märchen die Freilassung von Morgan. Das ist mir – auch angesichts der kläglich gescheiterten Auswilderung von Keiko (Free Willy) – unerklärlich.
4. Werbeportal für Website
Was mir ebenfalls missfällt, ist die ständige Werbung für Brensings Website www.walrecht.de. Wenn diese Adresse einmal am Beginn oder Ende des Buches genannt worden wäre, hätte das gereicht.
Was mir gefällt …
Unterhaltsam ist das Buch geschrieben. Da schließe ich mich dem Vorwort-Schreiber Hannes Jaennicke durchaus an. Ich möchte auch keinesfalls Brensings Wissen über die Meeressäuger und seine Arbeit in der Delfin- und Walschutzorganisation WDC/München schmälern und erkenne auch seine Kompetenz an. Da gibt es andere (berufsfremde) „Delfinschützer“, die meiner Meinung nach null Ahnung von den Tieren haben, die sie vorgeben zu schützen.
Positiv hervorheben möchte ich außerdem das ausführliche Quellenverzeichnis am Schluss des Buches.
Doch fünf Sterne bei der Amazon-Wertung ist mir Brensings Erstlingswerk einfach nicht wert, auch wenn das Buch von einem bekannten TV-Schauspieler sehr gelobt wird …
Zum Thema Persönlichkeitsrechte für Tiere gibt es einen interessanten Beitrag im BR vom 23. Mai 2014.
http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/tagesgespraech/tiere-menschen-affen-persoenlichkeit-rechte100.html
Der Orca Morgan wurde nach der Methode von Prof. Dr. Paul E. Nachtigall auf sein Hörvermögen getestet. Dabei werden durch aufgesetzte Saugnapf-Elektroden die Hirnströme gemessen, so dass das Tier für den Test weder ein Training benötigt, noch dabei "schummeln" kann.
Dabei stellte sich heraus, dass der Orca in weiten Bereichen seines Ultraschall-Hörvermögens praktisch taub ist. Mit anderen Worten: Das Tier kann sein Sonar nicht mehr sinnvoll nutzen – was auch die Strandung erklärt.
Nach einhelliger Meinung aller beteiligten Fachleute hätte eine Auswilderung von Morgan daher keinerlei Aussicht auf Erfolg – im Gegenteil: Es wäre sein Todesurteil.
Ich kann nur verständnislos den Kopf schütteln, wenn selbsernannte "Experten" dann – ohne das Tier je aus der Nähe gesehen zu haben – zu ganz anderen Ergebnissen kommen wollen.
Morgan kann froh sein, von echten Fachleuten betreut zu werden – und nicht von selbsternannten "Experten", wie Karsten Brensing.