Jochen Zaeschmar/MEERESAKROBATEN, 4. September 2013 (Ergänzung am 11. November 2013)
Andreas Morlok – Geschäftsführer der Ein-Mann-Organisation Pro Wal – ist fleißig am Einsammeln von Spendengeldern.
Sein Ziel: Er möchte mit dem Geld Pinger (das sind akustische Vergrämer, die beispielsweise Schweinswale von Fischernetzen fernhalten sollen) kaufen und diese in den Gewässern vor den Färöer Inseln versenken. Dort sollen sie dafür sorgen, dass Grindwale, die sich in der Nähe der Färöer Inseln aufhalten, nicht von den Inselbewohnern abgeschlachtet werden können.
Misserfolg
Morlok, der behauptet, bereits etliche Pinger vor den Färöer Inseln gesetzt zu haben, muss einen herben Misserfolg hinnehmen. Denn die Vergrämer haben nichts gebracht.
„Bis heute (Stand 14. August) sind bereits 1.085 Wale und Delfine auf den Färöer Inseln seit dem ersten Grind der Saison am 21. Juli getötet worden. In nur 24 Tagen dieser Saison stellt die aktuelle Todesbilanz für 2013 die Gesamttötungszahl der letzten Saison (713 Pilotwale) in den Schatten.“
(Zitat aus einem Beitrag der Münchner Wal- und Delfinschutzgesellschaft WDC)
Pinger haben nur eine geringe Reichweite
Jochen Zaeschmar von Whale Rescue ist Meereswissenschaftler. Er hat sich vor allem der Rettung von gestrandeten und sich in Netzen verhedderten Walen und Delfinen verschrieben.
Über den Einsatz von Pingern vor den Färöer Inseln schreibt Jochen Folgendes: Pinger werden vorrangig in der Fischerei und in der Aquakultur eingesetzt. Sie sollen den Beifang reduzieren. Die Vergrämer sind so konstruiert, dass sie in einem begrenzten Umfeld (zum Beispiel um Netze herum) wirken. Sie sind keinesfalls dafür ausgelegt, ein mehrere 1.000 Quadratkilometer umfassendes Gebiet abzudecken, wie man es um die Färöer Inseln herum vorfindet.
50 Meter zwischen Netz und Pinger ist der bestätigte erfolgreiche Abstand. Das geschätzte Ausmaß des Färöer Archipels beträgt 400 Kilometer!
Meerestiere können sich in Pinger-Leinen verheddern
Pinger müssen an einem Gegenstand befestigt werden. Das ist im Normalfall ein Netz oder eine Fangleine. Sie werden somit in einer bestimmten Position gehalten. Ohne Fixierung würden die Geräte durch Sturm, Meeresbewegung oder andere Einflüsse sehr schnell von ihrem Standort entfernt werden und hätten keinen Nutzen.
Alternativ können sie auch an einer Leine, die mit Gewichten versehen wird, installiert werden. In dieser Leine könnte sich jedoch alles mögliche Meeresgetier verheddern und gefährdet werden. Am Meeresgrund hätten die Pinger nur wenig Einfluss auf Grindwale, da diese sich sehr oft an der Wasseroberfläche aufhalten.
Geringe Lebensdauer der Batterien
Die Lebensdauer einer Batterie, die sich in den Pingern befindet, reicht zwischen ein paar Stunden und ein paar Monaten. Generell kann man sagen, dass Pinger, die Vergrämer-Batterien mit einer hohen Lebensdauer enthalten, nur eine geringe Reichweite (ca. 50 Meter) haben.
Unterschiedliches Hörempfinden
Ein Pinger kann nicht für alle Wal- und Delfinarten eingesetzt werden. Unterschiedliche Wal- und Delfinarten haben auch ein unterschiedlich empfindliches Gehör. Ein Pinger, der eine Art abschreckt, bewirkt bei einer anderen gar nichts.
Gewöhnungseffekt
Außerdem weiß man inzwischen auch, dass Pinger nur einen kurzen „Schreck-Effekt“ auslösen. Die Tiere gewöhnen sich schnell an das Geräusch und ignorieren es bald. Oft tritt sogar ein gegenteiliger Effekt – der sogenannte „Dinner-Bell-Effekt“ – ein.
Da die Pinger vor allem an Netzen angebracht werden, in denen sich eine potenzielle Beute der Wale und Delfine befindet, assoziieren die Waltiere das Geräusch der Pinger mit der Vorstellung, dass man hier leicht an Fische (quasi an einen gedeckten Tisch) gelangen kann. Die Pinger locken also Wale und Delfine unter Umständen an, anstatt sie zu vertreiben.
Keine Langzeitstudien
Über die Reaktion von Grindwalen auf Pinger liegen keine Langzeitstudien vor. Man weiß also nicht, wie sie auf die Störmanöver reagieren.
Nachtrag vom 29. September 2013: Es gibt allerdings eine Studie zur Reaktion von norwegischen Grindwalen auf abgespielte Töne von jagenden Orcas. Vielen Dank an Philipp J. Kroiß für diesen Hinweis!
Die für die akustischen Vergrämer verwendeten Töne waren Orca-Schreie. Sie bewirkten jedoch keine Abschreckung, sondern zogen die Grindwale regelrecht an. Da, wo Orcas sind, gibt es einen gedeckten Fisch-Tisch, wurde ihnen offenbar von den Pingern signalisiert. Auch von anderen Arten kennt man diesen sogenannten „Dinner-Bell-Effekt“. Du kannst die Ergebnisse der Studie unter Pilot Whales Attracted to Killer Whale Sounds nachlesen.
Gefährdungen
Es wurde herausgefunden, dass Pinger bei Delfinen Hörschäden anrichten können. Außerdem können Pinger Waltiere aus deren angestammtem Habitat vertreiben und ihnen somit ihre Nahrungsgrundlage entziehen.
Jochens Fazit
Pinger eignen sich nicht für den Einsatz vor den Färöer Inseln. Sie können sogar mehr Schaden anrichten als der sogenannte Grindarap (die Jagd auf Grindwale) selbst.
Außerdem ist es durchaus vorstellbar, dass die Pinger ein Chaos unter den Grindwalen auslösen und sie gar in die „falsche“ Richtung schwimmen lassen, nämlich landeinwärts, statt hinaus aufs Meer. Die Pinger könnten sogar das Stranden der Meeressäuger bewirken …
Mehr über Pinger unter Cetacean Bycatch Rescue Center
Locken Pinger Grindwale an?
Man kann sich – was den Einsatz von Pingern angeht – noch einen weiteren negativen Effekt für die Grindwale vorstellen: Da es bis heute noch keine Langzeitstudien über die Reaktion von Grindwalen auf Pinger gibt, kann es durchaus sein, dass diese als Vergrämer gedachten Geräte einen nicht gewollten umgekehrten Effekt haben. Sie können genauso gut die Grindwale anlocken (siehe Ausführungen oben).
Ein Informant der MEERESAKROBATEN und Kenner der Färöer Inseln schreibt aktuell: „The oceans are boiling with pilot whales“. Übersetzt heißt das so viel wie: „Der Ozean kocht über vor lauter Grindwalen.“ Man kann nur hoffen, dass die Tiere nicht durch eine gut gemeinte, aber sinnlose Aktion angelockt wurden …
Enorme Kosten, aber kein Nutzen
Hier zeigt sich einmal mehr, blinder Aktionismus rettet keinen einzigen Delfin oder Wal, sondern zieht gutmütigen und uninformierten Spendern nur das Geld aus der Tasche. So veranschlagt Morlok für einen Pinger 125 Euro!!!
Nachtrag vom 11. November 2013: In der Fernsehsendung „W wie Wissen – Warnung für Schweinswale“ wurde am 10. November 2013 auf die Problematik von Pingern hingewiesen. Dort ging es um Schweinswale, die sich häufig in Fischernetzen verfangen und dort umkommen. Herkömmliche Pinger bringen die Schweinswale dazu, ihren Sonarsinn auszuschalten und sich ruhig zu verhalten. Ohne ihren Orientierungssinn schwimmen sie direkt in die nächste Falle, was unter Umständen ein Fischernetz sein kann, das nicht mit akustischen Vergrämern ausgerüstet ist. Es kommt auch vor, dass Schweinswale von den Pingern nicht verscheucht, sondern im Gegenteil von ihnen angelockt werden.
Mehr über die Jagd auf Grindwale siehe unter Globi lebt gefährlich sowie durch Eingabe des Stichworts Färöer Inseln in die MEERESAKROBATEN-Suchleiste.
Wie ein Pinger aussieht und funktioniert, kannst du im MEERESAKROBATEN-Beitrag Die Meeres-Flüsterer erfahren (im dort eingestellten Film wird der Pinger etwa an der Stelle 09:59 erklärt).
Das ist ja unglaublich.Wo ist denn Ihr Beitrag zum Thema Delfinschutz? Kritisieren können wir alle.
Zum Thema Delfinschutz gibt es hier viele Beiträge, Nadine.
Einen zweiten Kommentar, den Sie hier posten wollten, habe ich gelöscht, da er nicht hinnehmbare Beleidigungen enthielt.
Neben Pinger-Versenken hatte Morlok auch schon andere Aktionen auf dem Plan, welche absolut nichts brachten. WEIL SIE NÄMLICH ÜBERHAUPT NICHT DURCHGEFÜHRT WURDEN! Ich erinnere nur an sein IMPACABA-Projekt. http://www.walschutzaktionen.de/429201.html , welches inzwischen im Homepage-Abschnitt „GESCHLOSSEN“ auf seiner HP dahin-dümpelt. Sir-Vival-gleich wollte er Ende 2011 in einem Ruderboot nur mit eigener Muskelkraft angetrieben auf einer Strecke von mehr als 4700 km den Atlantik überqueren. Für jeden einzelnen km hat er 10 € erbettelt. Die angestrebten rund 47.000 € hat er natürlich nicht geschafft, wohl aber hat er Einzelpersonen, Tauchschulen, aber auch einige Schulklassen, welche Spendendosen aufstellten, um knapp 10.000 € zweckgebundene Spenden erleichtert. DIE „ABENTEUER-REISE“ FAND ABER NIEMALS STATT UND WIRD WOHL AUCH NIEMALS MEHR STATTFINDEN! Folgende Fragen stellen sich: •Warum hat Morlok das Treffen mit Unterstützer G. K. (Großraum Aschaffenburg) und die Sachspenden der österreichischen Fa. G. abgelehnt? •War Morlok beleidigt, weil die G.-Ausrüstung über G.K. kam und nicht direkt an ihn ging? •Hat er erkannt, dass Unternehmen im Stil von Hannes Lindenmann http://de.wikipedia.org/wiki/Hannes_Lindemann oder Rüdiger Nehberg http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCdiger_Nehberg für ihn dann doch eine Nummer zu groß sind? Viel wichtiger aber ist: •Was ist aus diesen knapp 10.000 € zweckgebundener Spendengelder geworden? •Hat Morlok das Geld wegen Nichterfüllung seiner Zusage an die Spender zurückgegeben oder hat er mit den Spendern wenigstens eine Umwidmung vereinbart? Hat er das Geld womöglich anderweitig, also nicht zweckgebunden verwendet? Wurde dadurch auch nur ein einziger Wal oder Delfin gerettet? Fragen, die auch die Finanzverwaltung in Singen, wo ProWal (noch) als gemeinnützig geführt wird, sicher interessieren könnten.