Beitrag von Stefan Hintsche, Diplom-Biologe.
Leider arbeiten die Delfinhaltungsgegner mit zahlreichen falschen Behauptungen, z.B. werfen sie schon einmal sämtliche Tümmlerarten in einen Topf.
Dabei ist inzwischen genetisch nachgewiesen, dass es sich bei den in Delfinarien gehaltenen Tümmlern um ortstreue Nordwestatlantische Küstentümmler handelt, die sich bereits vor ca. einer halben Mio. Jahren von den Tümmlern im offenen Meer abgespalten haben und nur Flachwasserzonen in Flüssen, Flussmündungen und Küstenstreifen bis max. 34 m Tiefe bewohnen.
Bestand der Küsten-Delfine nimmt rasant ab
Die Gesamtpopulation der Küstentümmler besteht nur aus etwa 40.000 Tieren und der Bestand nimmt so rasant ab, dass sie evtl. schon in 30 Jahren in der Natur ausgestorben sein werden.
Zählungen an den Küsten von Ost-Louisiana bis Nord-Florida weisen darauf hin, dass die Bestände von 1993 bis 2012 um ca. 41 Prozent zurückgegangen sind. (Quelle: Waring et al. (2013). U.S. Atlantic and Gulf of Mexico Marine Mammal Stock Assessments – 2012. NOAA Tech Memo NMFS NE 223, 419 pp.)
Ein Haltungsverbot würde das Aussterben nur fördern. Außerdem haben eine Menge Delfinforscher, die Delfine weltweit untersuchen, bisher keine Unterschiede im Sozialverhalten zwischen Delfinarien- und Wildtieren, noch irgendein Fehlverhalten entdeckt.
Die Zahl der Geburten ist auch doppelt so hoch wie die Zahl der Todesfälle und die Lebenserwartung inzwischen 5-15 Jahre höher als in der Wildnis.
Bei dem Thema Geburten/Todesfälle beziehe ich mich auf die Delfinarien in Mittel- und Westeuropa, trifft aber auf Nordamerika auch zu. Mit den Delfinarien in Osteuropa und in Asien habe ich mich noch nicht näher beschäftigt, da in Osteuropa der Schwarzmeer-Tümmler (Tursiops ponticus) und in Asien die Küstenarten Tursiops aduncus und Tursiops gillii gehalten werden.
Unterschiede zwischen Küsten- und Offenmeer-Delfinen
Die Unterschiede zwischen der Küsten- und der Offenmeerart vor der amerikanischen Küste wurden bereits morphologisch, ökologisch, genetisch und verhaltensbiologisch in den Arbeiten
* Torres, L. G. (2003). Improving management of overlapping bottlenose dolphin ecotypes through spatial analysis and genetics. Marine Mammal Science 19 (3): 502-514 und
* Mead, J. G. & Potter, C. W. (1995). Recognizing two populations of the bottlenose dolphin (Tursiops truncatus) on the Atlantic coast of North America: morphologic and ecologic considerations. IBI Reports 5: 31-44
herausgearbeitet. Mead & Potter haben auch bereits mehrere wissenschaftliche Namen für die Küstenart ins Spiel gebracht, wobei es wahrscheinlich auf Tursiops erebennus hinausläuft.
Ganz aktuelle genetische Daten in der Arbeit
* Moura et al. (2013). Recent diversification of a marine genus (Tursiops spp.) tracks habitat preference and environmental change. Systematic Biology 62 (6): 865-877
haben die Entwicklungsgeschichte der Gattung Tursiops genetisch beleuchtet und die Abspaltung der Küstenart an der amerikanischen Atlantikküste von den Offenmeerarten auf 486.000 Jahre datiert.
(Quelle: Stefan Hintsche, Biologe)
Vielen Dank für den Beitrag. Mir haben sich aber beim Lesen jedoch adhoc zwei Fragen gestellt: 1 Welche Auswirkung hatte die durch die Havarie der Deepwater Horizon ausgelöste Ölpest im Golf von Mexiko auf die sinkende Population der Tümmler? und 2. Wie kommen Sie zu der These, dass ein Haltungsverbot das Aussterben fördern würde?
Hallo Martin: Siehe dazu auch folgende Beiträge von Stefan Hintsche:
http://www.meeresakrobaten.de/2015/03/genetische-unterschiede-bei-den-kalifornischen-delfinen/
sowie von Benjamin Schulz:
http://www.meeresakrobaten.de/2015/07/grosser-tuemmler-wirklich-alles-im-gruenen-bereich-2/