MEERESAKROBATEN, 5. Juli 2014
Dr. Katrin Baumgartner ist seit 1996 Tierärztin im Nürnberger Tiergarten. Dort ist sie auch seit vielen Jahren für das Wohlergehen der Großen Tümmler verantwortlich.
Bei einer Anhörung vor dem Landtag in Nordrhein-Westfalen hatte sie am 28. April 2014 dargelegt, wie man als Veterinär feststellen kann, ob es einem Delfin gut geht oder nicht. Im Folgenden ein Ausschnitt aus Dr. Baumgartners mündlichem Beitrag vor dem Landtag zum Thema „Wohlbefinden bei Delfinen“:
Täglicher Kontakt mit dem Tier
Wie erkennt man den Gesundheitszustand eines Delfins?
Dr. Baumgartner: Es gibt zwei Aspekte: Zum einen ist es der tägliche Kontakt mit dem Tier. Damit meine ich gar nicht uns Tierärzte, die meistens dann anwesend sind, wenn etwas wieder besser oder nicht gut läuft, sondern unsere Trainer und Tierpfleger, die mit den Tieren täglichen Kontakt haben und wirklich kleinste Anzeichen erkennen.
Wir arbeiten bei unseren Tieren mit der sogenannten positiven Verstärkung. Viele kennen das vom Clickertraining beim Hund. Das wird jetzt übrigens auch bei Sportlern, Astronauten und Ähnlichem verwendet, weil das Unterbewusstsein dadurch stimuliert wird. Dadurch haben wir die Möglichkeit, mit diesen Tieren ganz viele Voruntersuchungen zu machen, aber auch kleine Anzeichen zu erkennen, weil die Tiere in der Nähe des Menschen sind.
Erscheinungsbild und Spielverhalten sind wichtig
Welche Beobachtungen sind sonst noch wichtig, um beurteilen zu können, wie es einem Delfin geht?
Dr. Baumgartner: Man kann ein Tier zum einen vom Erscheinungsbild her beurteilen. … Es gibt jetzt auch eine recht neue Studie. Darin geht es um Spielverhalten.
Es ist eine ganz schwierige Aufgabe, Wohlbefinden bei Tieren zu messen. Das fällt uns allen schwer. Das ist sehr subjektiv. Jeder denkt an seinen Hund oder an sein Pferd, wenn er eins hat, das in der Box steht.
Man misst Wohlbefinden mit verschiedenen Parametern. In dieser Studie wird zum Beispiel – einer der Faktoren, die Wohlbefinden zeigen, ist das Spielverhalten – gezeigt, dass das Spielverhalten bei Delfinen, die in Menschenobhut gehalten werden, ähnlich, wenn nicht sogar stärker ausgeprägt als bei Tieren ist, die sich zum Beispiel in der Wildbahn angewöhnt haben, an Fischkuttern oder Ähnlichem zu fressen.
Denn eines muss uns bei Wildtieren klar sein: Es ist eine Kosten-Nutzen-Frage. Ich kann nur so viel investieren, wie ich Energie habe, um etwas zu erlangen. Bekomme ich mein Futter und habe ich meinen Sozialpartner, kann ich mehr Zeit mit Spielen verbringen.
Objektive Untersuchungen zum Stress
Wie sieht es mit Stress bei Delfinen aus?
Dr. Baumgartner: Dann gibt es natürlich – klar ist, dass Verhaltensstudien allein nicht ausreichen – objektive Untersuchungen, nämlich Endokrinologiestudien. Das bedeutet: Man versucht, anhand des Cortisols zu messen, also anhand eines Hormons, das vom Körper ausgeschüttet wird, wenn er in eine Stresssituation gerät.
Das ist nicht schlecht; einige von uns hier (Anmerkung MEERESAKROBATEN: gemeint sind die Anwesenden bei der Anhörung im Landtag) haben wahrscheinlich auch einen erhöhten Cortisolwert, was uns auch dazu bringt, ein bisschen schneller zu sein. Aber man muss in der Lage sein, das auch wieder abzubauen und darauf zu reagieren. …
Speichelproben
Dr. Baumgartner: Im Moment läuft eine Studie in den Delfinarien Nürnberg, Duisburg, Harderwijk sowie in spanischen Delfinarien. Dort machen wir anhand von Speichelproben diese Untersuchungen in verschiedenen Zeiträumen: morgens, abends, wenn ein neues Tier in die Gruppe kommt, wenn ein Transport ansteht oder wenn es zum Beispiel eine Bautätigkeit gibt.
Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Zum Teil sammeln wir – die Tiere machen das über das Training – am Tag jede Stunde drei Proben von jedem Tier, um sehen zu können, ob wir ein objektives Messergebnis bekommen. Das sind unsere Möglichkeiten, objektiv und nicht gefühlsmäßig Wohlbefinden von unseren Tieren messen zu können.
Anmerkung MEERESAKROBATEN: Dr. Lorenzo von Fersen – Artenschutzbeauftragter und Delfin-Experte im Nürnberger Tiergarten sagte einmal in einem Interview mit der WELT über die Cortisolwerte in Speichelproben: „Die gehen mal rauf und mal runter, auch ein gutes Zeichen. Wenn der Pegel ständig hoch oder ständig niedrig bleibt, stimmt etwas nicht. Geht er aber hoch, weil im Moment die Umwelt nervt, etwa weil draußen ein Bagger lärmt, ist das völlig normal.“
Delfine sterben nicht an Morbillivirus
Dr. Baumgartner: Durch die Trainingsmöglichkeiten, die wir haben, können wir alle Proben bekommen. Das betrifft nicht nur unsere Delfine. Wir machen das mit Nashörnern, Giraffen, Tapiren, Vögeln usw. Sie gehen freiwillig auf die Waage. Wir können Blutproben, Blasproben usw. nehmen. Sie pinkeln sogar auf Kommando, wenn wir das brauchen. Wir kontrollieren die Kotproben.
Das ist natürlich – mancher mag es als überprotektiv ansehen, wie wir den Tieren gegenübertreten – auch ein Luxus. Denn natürlich sterben auch Delfine in Delfinarien; das ist ganz klar. Krankheiten gibt es. Unsterblich ist niemand. Aber sie sterben natürlich nicht an Intoxikationen, Hunger, Morbillivirus und Vergiftungen, wie wir es in der Natur sehen.
(Quelle: Protokoll der Anhörung im Landtag NRW)
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