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Drei Tage im Walschutz-Park


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MEERESAKROBATEN / 23. August 2014

Zugegeben, drei Tage in einem Walschutz-Park zu verbringen, ist eine viel zu kurze Zeit. Vor allem wenn man bedenkt, dass es sich bei diesem „Park“ um ein Gebiet handelt, das 87.500 Quadratkilometer umfasst.

Streifendelfin im Walschutzgebiet (Foto: Susanne Gugeler)

Streifendelfin im Walschutzgebiet
(Foto: Susanne Gugeler)

Wie soll man da die Tierwelt entdecken, die sich dort – vor allem unter Wasser – 365 Tage im Jahr tummelt?

Aber einen kleinen Eindruck vermittelt auch ein Kurzbesuch im Santuario Internazionale Dei Cetacei (übersetzt: „Internationales Heiligtum für Wale“).

Höchste Säugetier-Dichte im gesamten Mittelmeer

Am 25. November 1999 unterschrieben die Länder Italien, Frankreich und das Fürstentum Monaco ein Übereinkommen, ein Gebiet des Mittelmeeres (siehe Karte unten) zur Wal-Schutzzone zu erklären. Die Schutzzone bezieht die Cote d’Azur sowie Korsika (beides Frankreich) und Sardinien (Italien) mit ein. Ein großer Teil liegt in Ligurien und in der Toskana (beides Italien). In dem ausgewiesenen Gebiet darf nur wal-schonende Fischerei (das heißt ohne Treibnetze) betrieben werden und dort ist nur gemäßigter Schiffsverkehr zugelassen.

Dieser Bereich weist die höchste Meeressäugerdichte des gesamten Mittelmeeres auf. Acht Walarten leben dauerhaft in diesem Gebiet.

Es handelt sich dabei um
* den zweitgrößten Wal der Erde: den Finnwal,
* das größte Raubtier der Erde: den Pottwal,
* die bekannteste Delfinart: den Großen Tümmler,
* eine kleine Delfinart: den Streifendelfin (auch Blau-Weißer-Delfin genannt),
* den früher am häufigsten vorkommenden Delfin: den Gemeinen Delfin,
* den in großen Schulen lebenden Delfin: den Grindwal,
* einen seltenen Schnabelwal: den Cuvier-Schnabelwal und
* den mit den meisten Narben versehenen Delfin: den Rundkopfdelfin.

Walschutzgebiet (Zeichnung Silvia M.)

Walschutzgebiet (Zeichnung Silvia M.)

Gefährlicher Lebensraum

Das Mittelmeer ist eines der am dichtesten besiedelten und befahrenen Meere der Welt und somit ein sehr gefährlicher Lebensraum für Wale. Es kommt immer wieder zu Kollisionen mit Schiffen. Außerdem sind die Tiere sehr vielen Umweltgiften und einer Menge an Plastikmüll ausgesetzt.

Mit der Gründung des Walschutz-Gebietes wurden Richtlinien ausgearbeitet, die den Tieren helfen sollen zu überleben. So muss zum Beispiel die Besatzung eines Motorbootes einen Verhaltenskodex einhalten, um die Wale und Delfine nicht allzu sehr zu stören.

Die ligurische Küste zwischen San Remo und Genua (ca. 150 Kilometer) wird von einem einzigen Whale-Watching-Boot – der Corsara – abgedeckt. Die Auflagen für das Sich-Annähern an Wale und Delfine sind in Italien so hoch, dass sich keine weiteren Anbieter für Wal-Safaris gefunden haben. Die Corsara gehört zum Unternehmen Golfo Paradiso, das seinen Sitz in Camogli hat.

Nur noch wenige Delfine und Finnwale

Bei einer Studie hatte man im Sommer 1992 im (damals noch nicht ausgewiesenen) Santuario Internazionale Dei Cetacei knapp 33.000 Streifendelfine und 830 Finnwale gezählt. Im August 2008 wurden nur noch weniger als die Hälfte der Streifendelfine und etwa 200 Finnwale registriert. Der starke Rückgang wird von Umweltschutzorganisationen auf einen mangelhaften Schutz der Meeressäugetiere zurückgeführt.

Diese krass veränderte Anzahl an Walen und Delfinen zeigt deutlich, dass man sich eine Wal-Safari im Ligurischen Meer nicht so vorstellen darf wie eine Land-Safari beispielsweise in der Serengeti. Denn während sich die Wildtiere im afrikanischen Nationalpark gut sichtbar präsentieren, bedeutet ein Besuch im Meeres-Park eher „suchen“ denn finden.

Sichtungen

An zwei von drei Tagen hatte ich großes Glück und sah Streifendelfine und sogar einen Pottwal. Der erste Ausflugstag (16. August) blieb ohne Meeressäuger-Sichtung. Dafür hatte sich uns eine Unechte Karettschildkröte gezeigt. Insgesamt verbrachte ich ca. 17 Stunden auf dem Wasser.

Meeresschildkröte (Foto: Rüdiger Hengl)

Meeresschildkröte (Foto: Rüdiger Hengl)

Wie ich an der aktuellen Beobachtungstafel des Whale-Watching-Bootes Corsara ablesen konnte, gab es zwischen dem 13. und 15. August keine Ausfahrt wegen schlechter Wetterbedingungen, und am 16. August (meinem ersten Ausflugstag) war der Wellengang immer noch so ungünstig, dass etliche Gäste an Bord unfreiwillig die Fische fütterten.

Am 17. August 2014 hatte sich das Meer beruhigt.

Nach vier Stunden tauchte eine Gruppe Streifendelfine auf. Eine Zeit lang sahen wir ihnen bei ihren akrobatischen Sprüngen zu. Sie surften in der Bugwelle unseres Bootes, flitzten unter dem Boot durch, und einzelne Tiere sprangen komplett aus dem Wasser. Um sie nicht bei einer eventuellen Futtersuche zu stören, verließen wir sie nach einer halben Stunde wieder. Doch für die spektakuläre Vorführung der Delfine hatte sich die lange Ausfahrt mehr als gelohnt.

Der Höhepunkt

Am letzten Tag meines Besuches gab es noch eins obendrauf. Wir waren bereits viereinhalb Stunden bei (wieder) sehr unruhiger See unterwegs und – sahen nichts … Bis plötzlich eine buschige Fontäne seitlich in die Luft schoss. Ein Pottwal war aufgetaucht und zeigte sich in voller Größe. Ein paarmal atmete er ein und aus, bevor der typische Fluken-Abgang kam. HERRLICH!!! Mein Glücksgefühl war dermaßen groß, dass mir auch der hohe Wellengang auf dem Weg zur Küste nichts mehr ausmachte.

Unterschiede

Die Wal-Beobachtung im Ligurischen Meer läuft ganz anders ab als das „Whale-Watchen“ beispielsweise auf Teneriffa oder auf den Azoren.

In den genannten Vergleichs-Gebieten ist man nur kurze Zeit mit dem Boot unterwegs, um an die Walbeobachtung-Orte zu kommen. Und dann wird man meist auch reichlich belohnt. Auf den Azoren kann es sein, dass man gleich mehreren Arten begegnet. In Teneriffa sieht man mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Grindwale und Große Tümmler. Oft ist man nach zwei Stunden schon wieder zurück an der Küste mit jeder Menge Fotos im Gepäck.

Im ligurischen Walschutzgebiet wird dem Beobachter da schon mehr abverlangt. Geduld und Seefestigkeit sind zwei Eigenschaften, die von großem Vorteil sind, wenn man auf Tour geht. Zwei meiner Ausflüge waren mit einer Berg- und Talfahrt vergleichbar. Ich war froh an meiner Unterwasserkamera, die gegen Spritzwasser immun ist.

Angesichts der Naturgewalt, die einen ein unruhiges Meer spüren lässt, fühlt man sich als Gast in diesem riesigen, fremden Lebensraum ganz klein. Andere Schiffe sieht man so gut wie keine. Ganz in der Ferne erblickt man vielleicht mal ein Container-Schiff oder einen einsamen Segler.

Anzeigetafel der Corsara (Foto: Susanne Gugeler)

Anzeigetafel der Corsara
(Foto: Susanne Gugeler)

Container-Schiff (Foto: Susanne Gugeler)

Container-Schiff und Delfin
(Foto: Susanne Gugeler)

Die Tiere werden kaum durch Touristen gestört

Die Tatsache, dass man hier die Delfine und Wale praktisch 23,5 Stunden in Ruhe lässt (die Crew der Corsara hält sich genau an den Verhaltenscodex des Schutzgebietes und verweilt nicht länger als eine halbe Stunde bei den Tieren), bereitet mir ein gutes Gefühl. Von anderen Walbeobachtungs-Gebieten hört man nämlich immer mehr Schauergeschichten über verletzte Delfine oder Mutter-Kind-Gruppen, die durch allzu viele Touristen getrennt werden.

Aus Studien in Delfinarien weiß man, dass ein neugeborener Delfine etwa 200 (!) Mal am Tag bei seiner Mutter trinkt. Leider werden die Trink-Intervalle in Gebieten mit hohem Aufkommen an Ausflugsbooten immer wieder unterbrochen. Die Folge ist, dass das Jungtier zu wenig Energie tanken kann, um ordentlich wachsen und eine Immunität gegen Krankheiten entwickeln zu können. Das weiß man als Ausflügler natürlich nicht. Man sieht nur das bezaubernde Jungtier, über das man sich verständlicherweise riesig freut.

Mehr über Whale-Watching in Ligurien erfährst du hier.

1 Kommentare

  1. Ja, ist schon toll, was für Glücksgefühle die Meeressäuger auslösen!
    Klasse, dass du im Walschutz-Park einem Pottwal begegnet bist!
    Irgendwann werde ich auch mal nach Italien reisen :-)

    geschrieben von Frank Blache

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