Die am 17. Januar in ARTE ausgestrahlte Dokumentation Der Aufstand der Wale – Moby Dicks wahre Geschichte nahm die im 19. Jahrhundert ausufernde Jagd auf Pottwale ins Visier.
Die größten Raubtiere der Welt wurden damals vor allem wegen des Walöls getötet. Mit diesem Öl wurden Straßenlaternen zum Leuchten gebracht und Maschinen geschmiert. Die kostbare Flüssigkeit spielte eine große Rolle im gerade angebrochenen industriellen Zeitalter.
Auch Herman Melville – selbst Harpunier – hat sich damals in seiner Erzählung „Moby Dick“ des Themas „Walfang“ angenommen. Doch Romane müssen nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen. Konnte es tatsächlich sein, dass Melvilles tierischer Protagonist Moby Dick tatsächlich ein Walfangboot rammte und zum Untergehen brachte?
Außergewöhnliches Experiment
Der Dokumentarfilmer Jürgen Stumpfhaus ist dieser Frage nachgegangen und hat dazu ein außergewöhnliches Experiment gestartet. In einer Versuchsanlage in Sachsen ließ er einen von einer Lok angeschobenen Waggon mit dem Gewicht eines ausgewachsenen Pottwals und der Geschwindigkeit, die dieser erreichen kann, auf eine nachgebaute Segelboot-Bordwand donnern. Die Bordwand zerbarst unter diesem Aufprall.
Vielleicht lässt sich durch diesen Crashtest erklären, warum in manchen Walfanggebieten sehr viele Schiffswracks liegen. Wurden die Walfangboote alle von großen Pottwalen versenkt? Dies ist zumindest vorstellbar.
Lockten Hammerschläge Pottwale an?
Eine weitere Theorie wird im Dokumentarfilm vorgestellt. Wurden die Pottwale, auf die Jagd gemacht wurde, womöglich von Hammerschlägen angelockt?
Die Harpunierer schärften damals ihre Waffen auf den Booten mithilfe eines Hammers. Da das Geräusch den Klicklauten der Pottwale ähnelt, könnte es sein, dass Pottwal-Bullen die Boote mit Konkurrenten verwechselten und sie angriffen.
Der TV-Beitrag wird übrigens am Montag, den 26. Januar 2015 um 17:30 Uhr auf ARTE wiederholt.
Lesetipps
* Die Wucht der Erkenntnis
* Pottwal als Abrissbirne
* Ambra oder „Vom Fischer und seiner Frau …“ (im Beitrag „Die inneren Organe der Delfine“ etwas nach unten scrollen …)
Norbert, bei deiner Betrachtung müsste das Schiff fest eingespannt sein, denke ich.
Ein im Wasser schwimmendes Schiff ist faktisch „eingespannt“, da bei dynamischen Vorgängen und insbesondere quer zur vorgesehenen Fahrtrichtung ein Schiffsrumpf einen derart hohen Strömungswiderstandsbeiwert („Cw“) aufweist, dass selbst eine feste Aufspannung etwa auf einem Trockendock kaum höhrere Kräfte zulassen würde.
Wasser hat eine 800-fach höhere Dichte, wie Luft; oder anders ausgedrückt: Ein Taschentuch mit 10 x 10 cm hat unter Wasser dieselbe Bremswirkung wie ein Fallschirm (oder ein Segel) mit 8 Quadratmetern an der Luft.
Vielen Dank für eure Diskussions-Beiträge! Passend zum TV-Film über Moby Dick hier eine Meldung von der Insel Maui. Ein Buckelwal hat ein Touristenboot (sanft) gerammt.
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/besonderer-anblick-wal-rammt-touristenboot-13369741.html
Ich glaube auch nicht daran, dass der „gepolsterte“ Schädel, der- wie Norbert sagt – die Kräfte verteilt, eine Bordwand zerstören könnte, War ein netter Film zur Abend-Unterhaltung, mehr nicht.
Ein größeres Holzschiff ist ziemlich empfindlich, wenn mittschiffs 50 Tonnen Wal dagegen rammen. Die Kraft pro cm² braucht da gar nicht hoch zu sein, die gewaltige Fläche einer Pottwalmelone macht’s,
Das Schiff ist einfach nicht dafür konstruiert, quer zur Fahrtrichtung größere Kräfte aufzunehmen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird das Schiff zunächst nicht einmal auf der Seite des Angriffs leck schlagen, sondern auf der gegenüberliegenden Seite aufreißen und schließlich abbrechen.
Theoretisch kann ein Pottwal mit seinen rund 250 kN Schub so ein Holzschiff auch dann zum Bersten bringen, wenn er es nicht rammt, sondern sanft dagegen schwimmt und dann mal mit der Schwanzflosse kräftig Gas gibt.
Ein Rammstoß mittschiffs mit 18 km/h und 50 to Masse dahinter (bei einer Verformung der Pottwalmelone und der Bordwand von 1 m) belastet die Schiffsstruktur allerdings schon mit
W = 1/2 m v² = 625 kN m, also 625.000 N (entsprechend 62,5 to)
für die Zeitdauer von rund 0,5 – 1 Sekunden (während seine Geschwindigkeit abgebaut wird) zusätzlich zu der Kraft, welche der Wal weiterhin mit der Schwanzflosse erzeugt (nochmals rund 250 kN, also in Summe 875 kN).
Das hält keine hözerne Schiffskonstruktion aus – im Gegenteil: Das reicht locker für einen Kielbruch!
Auch muss ich mich korrigieren: Selbst ein Stahlschiff des 19. Jh. (schwefelhaltige und damit brüchige Stähle, oft nicht optimale Nietkonstruktion) könnte ein technisch versierter Pottwal zerstören, wenn er wüsste, wie und wo er ansetzen muss – oder einfach das Glück hat, richtig zu treffen. Die Kräfte, die so ein Tier aufbringen kann, reichen jedenfalls aus – anschließende Kopf- und Rückenschmerzen inbegriffen. ;-)
Ich möchte dazu noch anmerken, dass die rechnerische Nachweisbarkeit der technischen Möglichkeit keinerlei Aussage dazu beinhaltet, ob Pottwale dies tun würden, bzw. ob und ggf. warum sie es in der Vergangenheit getan haben könnten.
Pottwale haben – wie alle Cetaceen – oberhalb ihres Maules (Schnabels) die Melone. Dies ist eine fettgefüllte, von Muskeln und festem Bindegewebe eingefasste Blase, die primär der Fokussierung der Sonarimpulse dient.
Da die Melone beim Pottwal über den Schnabel hinaus ragt, haben sie damit eine Art von Kissen vor dem Schädel, der bei einer Kollision mit anderen Pottwalbullen (beim Kampf um Kühe hört der Spaß bekanntlich auf) den Schädelknochen vor Frakturen schützt und die Aufprallenergie auf eine große Fläche verteilt.
Auch bei der Kollision mit hölzernen Schiffen wird die Melone den Druck mit hoher Wahrscheinlichkeit so verteilen, dass der Pottwalschädel wohl unversehrt bleibt – während bei einer mittig gesetzen Breitseite durchaus die Spanten des Walfängers brechen können – was für das Schiff in aller Regel einen auf See irreparablen Schaden und damit den sichern Untergang bedeutet.
Mein Fazit als Ingenieur: Ein ausgewachsener Pottwalbulle wird durch die brechenden Planken eines Holzschiffes sicherlich einige oberflächliche Wunden davon tragen, aber er hat gute Chancen einen hölzernen Walfänger des frühen 19. Jh. zu versenken, ohne ernste Verletzungen zu erleiden – insbesondere dann, wenn das Schiff schon etwas älter (und damit auch schon mehr oder weniger von Schiffsbohrwürmern zerfressen) ist.
Sobald beim Schiff aber eine ordentlich vernietete (oder später verschweißte) Stahlkonstruktion ins Spiel kommt, hat der Wal keine Chance mehr. Vielleicht würde er es noch schaffen, das Schiff ein wenig zu verbeulen, aber das war’s dann auch.
Danke für die Erklärung, Norbert. :-D Das beantwortet meine Frage schon ziemlich genau.
Wirklich interessant. Blöd, dass unsere Sattelitenanlage grade nicht funktioniert. Der erste Gedanke, der mir bei dem Crashtest kam, war aber: würden sich die Wale dabei nicht verletzen. Das kann man mit einem Eisenbahnwaggon natürlich schlecht rekonstruieren. Aber gab es dazu irgendwelche Erkenntnisse in dem Film?
Vielen Dank für deinen Kommentar, Dani! Mit deinen Bedenken hast du ganz recht. Ich habe zu dem TV-Beitrag die Meinung von Günther Behrmann (Präparator und Wal-Experte) eingeholt. Er schrieb mir: „Die Behauptung, dass der Schädel des Pottwalbullen massiv sei, ist falsch. Der Schädel hat den Angriff nicht heil überstanden.“
Der Film wirft in manchen Teilen mehr Fragen auf, als beantwortet werden.