Serie von Benjamin Schulz, Teil 4
2. Februar 2015
(13 Kommentare)
Hallo liebe Meeresakrobaten-Fans!
Im letzten Eintrag habe ich am Ende noch erwähnt, dass die Zucht von Delfinen in Delfinarien so wichtig ist, da dieser Nachwuchs irgendwann auch wieder wilde Populationen aufstocken kann.
„Stopp“ werden jetzt sicher einige denken, die in der Diskussion zwischen Delfinarien und Freiheitsaktivisten gut aufgepasst haben: Die Delfinarien lehnen eine Auswilderung ihrer Tiere doch stets ab, während die Aktivisten sie vehement einfordern.
Oberflächlich betrachtet stimmt das auch, aber es ist alles viel komplexer. Um euch die Sachverhalte verständlich darzulegen, möchte ich zunächst einmal zwei für die Diskussion ganz wichtige Begriffe erläutern: Auswilderung und Wiederansiedlung. Denn hierin liegt der wichtige Unterschied der zwei Lager.
Zugegeben, diese zwei Begriffe werden häufig vertauscht, meistens natürlich weil die Medien, die darüber berichten, sich gar keine wirkliche Mühe geben, die Begriffe korrekt zu erklären.
Auswilderung
Als Auswilderung darf im Grunde genommen jeder Akt bezeichnet werden, in dem ein Tier durch einen Menschen aus einer Haltung in die Freiheit entlassen wird. Dabei ist es egal, ob diese Auswilderung wissenschaftlich und ethisch vertretbar ist beziehungsweise diese auch verantwortungsvoll umgesetzt wird.
Also auch Tierrechtsaktivisten, die in eine Nerzfarm einbrechen und Tiere freilassen, führen eine Auswilderung durch. Selbst Tierhalter, die ihren Hund an der Autobahn aussetzen, wildern ihn aus.
Doch niemand würde in einer solchen Handlung sinnvollen Tierschutz erkennen. Zudem sind solche Handlungen auch durch den Gesetzgeber in den meisten Ländern der Welt verboten.
Wiederansiedlung
Auswilderungen, die dagegen durch Behörden genehmigt wurden, die einem wissenschaftlichen und arterhaltenden Zweck dienen und bei denen die Tiere auch nach ihrer Freisetzung weiterhin beobachtet werden, werden als Wiederansiedlungen bezeichnet.
Im Gegensatz zu den planlosen Freisetzungen, die meist mit Leiden und Tod der dabei beteiligten Tiere, aber zumindest mit ökologischem Schaden an Flora und Fauna einhergehen, folgen die Wiederansiedlungen immer einem speziellen Plan zur Arterhaltung der entsprechenden Spezies, aber auch dem Schutz des bereits im Wiederansiedlungsbereich existierenden Ökosystems.
Delfinarien lehnen Auswilderung ab
Und genau darin liegt der Grund für die Ablehnung der Auswilderungsforderungen durch die Delfinarien: Alle bislang postulierten Auswilderungsprojekte der Aktivisten sind weder durch Behörden der verschiedenen Länder noch durch die Kommissionen internationaler Naturschutzorganisationen empfohlen worden.
Das Ganze mag zwar in einem gewissen Rahmen sogar legal sein – aber vor allem weil die beteiligten Länder keine oder nur unzureichende Tierschutzgesetze haben –, doch im Sinne des Artenschutzes sind diese Aktionen auf gar keinen Fall.
Rote Liste
Was Wiederansiedlungen angeht, hat das IUCN (übersetzt: Weltnaturschutzunion) mit der Herausgabe der Roten Liste von bedrohten Arten die oberste Entscheidungsgewalt darüber, welche in Zoos gezüchteten Spezies überhaupt für Wiederansiedlungen in Frage kommen. Und die Großen Tümmler gehören nach derzeitigem Stand eben nicht dazu.
Auswilderungen sind gescheitert
Außerdem hat keine der Tierrechtsbewegungen bislang einen akzeptablen Plan für eine Wiederansiedlung präsentieren können. Im Gegenteil: die bisher durchgeführten Auswilderungen von Zahnwalen, die lange Zeit in Gefangenschaft gelebt haben, sind gescheitert. Alle Tiere, ein Orca auf Island sowie drei Große Tümmler in einem anderen Projekt in Florida, sind innerhalb weniger Wochen gestorben.
Der Initiator des letzteren Projektes, Ric O’Barry, wurde zudem zu einer Geldstrafe wegen Tierquälerei verurteilt, weil die Freilassung der Tiere nicht genehmigt war.
Ideologische Hetzkampagnen
Es ist ein Skandal, dass gerade dieser Aktivist mit seinen Partnerorganisationen nun in Europa unterwegs ist und weitere gefährliche Auswilderungen plant, die er mit Tieren versorgen will, indem er seriöse Zoos und Aquarien durch ideologische Hetzkampagnen in den Ruin treibt.
Das letzte gescheiterte Projekt der Tierrechtler: eine Insel bei Griechenland mieten, um dort Tiere aus den mitteleuropäischen Delfinarien auszuwildern.
Dass die Tiere, die ursprünglich aus der Karibik stammen, dort wahrscheinlich in Konkurrenz getreten wären mit den stark bedrohten Schwarzmeertümmlern beziehungsweise auch den Adria-Tümmlern und diese Arten verdrängen könnten, war den sogenannten Tierschützern dabei entweder vollkommen egal, wahrscheinlich aber hatten sie noch nicht einmal daran gedacht.
Unverantwortliche Pläne
Doch es wäre sowieso nie dazu gekommen: Die Gesetze in der EU hätten das auf jeden Fall verhindert.
Die von den Tierrechtlern in Augenschein genommenen Delfine durften vom damals geschlossenen Heide-Park-Delfinarium nur in andere EAAM-Einrichtungen transferiert werden. Eine klare Absage also an die unverantwortlichen Pläne der Aktivisten. Auch ein Ausweichen in außereuropäische Gefilde, um Vorschriften zu umgehen, ist zwecklos. Die in Europa gehaltenen Delfine dürfen Europa nicht verlassen.
Es macht Sinn, dass solche Auswilderungen unter strengen internationalen, wissenschaftlichen Kontrollen stattfinden müssen! Es liegt also keinesfalls an der „Geldgier“ der „skrupellosen Delfinarienbetreiber“, dass diese jedes Mal aufs Neue die Forderungen der Aktivisten zurückweisen, sondern schlicht und einfach an der Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit der Tierrechtler, die inakzeptable Projekte vorschlagen. Denn die Teilnahme an und Finanzierung von Wiederansiedlungsprojekten ist den europäischen Delfinarien sogar vorgeschrieben, durch die Satzung der EAAM (der europäischen Gesellschaft für Meeressäuger). Darauf begründet sich ja auch schon die Zucht der Tiere in den Delfinarien.
Eine erfolgreiche Wiederansiedlung geht nicht von heute auf morgen
Für eine erfolgreiche Wiederansiedlung braucht es nicht allein gute Vorsätze. Es braucht vor allem Zeit, Geduld, wissenschaftliche und ethische Kompetenz und natürlich sehr, sehr viel Geld, gerade bei Meeressäugern. Und all das fehlt in den Projekten der Aktivisten.
* Zeit und Geduld haben sie nicht, wie die Erfahrung fehlgeschlagener Projekte zeigt.
* Eine wissenschaftliche Beobachtung nach der Freilassung fehlt ebenso wie die notwendigen Studien der ökologischen Verträglichkeit vor dem Beginn des Projektes.
* Und der Hauptgrund für ein Scheitern der Wiederansiedlung ist einfach: Das Geld fehlt den Aktivisten. Denn auch die Tierschutzorganisationen sind darauf angewiesen, finanziell umsichtig zu handeln. Ob sie dies aus Verantwortungsbewusstsein für ihre Mitarbeiter und die Realisierbarkeit anderer Projekte tun oder rein aus Profitgier, sei dahingestellt.
Fehleinschätzung von PETA
Entlarvend fand ich in dieser Hinsicht das Angebot von PETA vor einem Jahr, dem Zoo Duisburg 100.000 € für die Auswilderung seiner 9 Delfine zur Verfügung zu stellen, sollte dieser sich dazu entscheiden, das Delfinarium zu schließen.
Etwa das 100-Fache wäre eigentlich nötig gewesen, so ein Projekt tatsächlich zu realisieren. 100.000 € hätte allein der Transport eines Delfins zum Auswilderungsort gekostet.
Für diese gravierende Fehleinschätzung kommen für mich nur zwei mögliche Ursachen in Betracht: Entweder hat niemand bei PETA genügend Kompetenz und Weitsicht, um solch ein Projekt überhaupt auf die Beine zu stellen. Oder aber die finanzielle Kompetenz von PETA ist extrem hoch und das Schicksal der Tiere ist ihnen egal. Denn 100.000 € zu investieren, um sich dann aus der Sache rauszuhalten und durch den daraus resultierenden Medienhype das 100-Fache wieder zu verdienen, ist eine Rechnung, die für die Tiere tödlich endet, sich aber für den Schatzmeister richtig lohnt.
Geldstrafe für tote Delfine
Auch Ric O’Barry präsentierte Mitte der Neunziger-Jahre eine haarsträubende Rechnung: Nur 20.000 $ sollte eine Auswilderung pro Tier bei ihm kosten. Ein Jahr später waren dann drei Tiere tot, die Verurteilung kam prompt: rund 60.000 $ Geldstrafe. Hatte er etwa die Strafe bereits erwartet?
Leider sind auch zurzeit wieder Projekte geplant, die gegen internationale Gesetzgebung und Artenschutzabkommen verstoßen. Um die verantwortlichen Organisatoren nicht vorzuwarnen, werde ich hier keine konkreten Namen nennen. Aber ich kann euch versichern, dass IUCN, CITES sowie regionale Behörden vor Ort bereits über alle Vorhaben informiert sind und diese Projekte beobachten. So können Verstöße schnell geahndet werden, bevor auch nur ein Tier darunter leiden muss.
Zukunftsziel: das Meer
Ich hoffe, dass ich mit diesem Eintrag ein wenig zum Verständnis für die Delfinarien beigetragen habe, warum sie sich den Forderungen der Aktivisten verweigern. Nämlich allein aus Verantwortung für das Wohl ihrer Tiere heraus.
Doch die Wiederansiedlung von Delfinen in der Zukunft bleibt eine Option. Es wird sogar notwendig sein, denn die Zucht zielt darauf ab, zunächst eine selbsterhaltende, dann auch eine wachsende Population aufzubauen. Und das Ziel dieser Generation wird dann auch wieder das Meer sein. Damit das funktionieren kann, müssen wir bis dahin hart arbeiten, die richtigen Orte auswählen, Kontakte zu Regierungen, Wissenschaftlern, Umweltschutzkommissionen knüpfen, dabei aber auch nie die Menschen vor Ort vergessen.
Die ökologische Verträglichkeit der Projekte muss ebenso gewährleistet sein wie der Schutz der freizulassenden Tiere, damit sie eine Chance haben, in ihrer neuen alten Heimat zu überleben.
Allem voran jedoch müssen wir Geduld haben und die Delfinarien unterstützen, und dabei auch die falschen Tierschützer entlarven, denn sie schlucken das Geld, das wir für die Erhaltung der Delfine so dringend brauchen. Denn eine Auswilderung bzw. Wiederansiedlung wird immer nur mit den Delfinarien, nicht gegen sie funktionieren!
Thema des nächsten Blogs
Woran erkennt man eigentlich ein gut geführtes Delfinarium? Kann man erkennen, ob Tiere sich wohlfühlen? Sind die oft von Tierrechtlern genannten Anzeichen überhaupt aussagekräftig? Das alles wird beim nächsten Mal in meinem Blog Thema sein. Bleibt dabei!
Bis zum nächsten Mal,
euer Benjamin
Zu den Teilen 1 bis 3 meines BIOLOGEN-BLOGS geht es hier.
Interessanter Diskussionsverlauf hier. Dani, ich habe mir dein Konzept gerade mal durchgelesen. Rein didaktisch finde ich das total in Ordnung, aber man muss erst einmal sehen, ob das in einer Show ankommt. Die Vorführung in Duisburg ist absolut auf Kinder zurechtgeschnitten und hat sich leider seit Jahrzehnten nicht mehr verändert. Auch Kinder wollen heutzutage eher was anderes lernen. Bootsfahrt und Kind auf der Bühne: würde ich komplett rausnehmen. Danach würde ich eine Erzählstruktur aufbauen und mit den gezeigten Verhaltensweisen diese unterstützen, und nicht umgekehrt. Im Connyland hat das sehr gut funktioniert, die Leute fanden es toll. Außerdem wurden täglich zwei Shows in öffentliche Trainings umgewandelt, in denen ich spontan erklärt habe, was meine Trainerkollegen gerade gezeigt haben. Sowas muss man aber lernen, das geht nicht auf Anhieb. Ein flexibleres Training ist für die Tiere spannender, und für den Besucher bietet es auch jedesmal etwas Neues. Dabei kann man auch viel besser wichtige Fakten zur Nahrungssuche, Orientierung, Anatomie, Fortpflanzung etc einbauen. Und wenn man diese Fakten erwähnt, kann man schnell einen Bezug zur Bedrohung aufbauen und den Zuschauern eine wichtige Botschaft mitgeben (z.B. Nahrungssuche – Überfischung, Orientierungssinn – Lärm und Netze, Fortpflanzung – Jungtiersterblichkeit).
Haben wir übrigens auch bei den Seelöwen so gemacht. Weg von den Slapstickshows hin zum Training mitten unter den Zuschauern. Fragen an die Zuschauer gestellt, wer konnte sie beantworten? Dann konnten die Zuschauer uns Fragen stellen, und wir haben sie gleich am Tier erklärt. Ich hoffe dieses Konzept setzt sich in der nächsten Zeit noch in anderen Delphinarien durch.
Ich weiß nicht, vielleicht bin ich da einerseits zu pessimistisch, andereseits aber auch zu ungeduldig. Ich würde meine Gedanken so gerne mal vor Ort anbringen. Aber ich hab da immer die Bedenken, dass man von diesem WDSF-Dauerbeschuss so genervt ist, dass das falsch aufgefasst wird, bzw. unglesen im Papierkorb landet.
Und das man auf dem Standpunkt steht, am vermeintlich bewährten festzuhalten, denn damit kann man ja nichts falsch machen, es läuft ja schon über 40 Jahre. Dabei läuft es nur, weil die Besuchererwartungen nicht in Richtung Information gehen, sondern in Richtung Unterhaltung.
Was die Kinder betrifft, hab ich übrigens das Gefühl, dass schon unsere Dritt- und Viertklässler, die wir in der Ganztagsbetreuung haben, sich bei dieser Nummer mit dem Wir-tun-so-als-springst-du-rein total verarscht vorkommen würden. Hab vor einiger Zeit sogar ein Kind in der Vorführung gesehen, dem völlig klar war, dass das ganze Theater ist, und dem es sichtlich peinlich war, da mitzuspielen, und der war höchstens 10. Mir ist jedesmal das Zugucken schon peinlich, die Kinder so vorzuführen.
Und ich behaupte mal, dass alle, die im Alter noch darunter liegen, sowieso nicht mehr mitkriegen, als das Delphine tolle Tiere sind, die schöne Sprünge machen und mit denen man (in dem Fall der Trainer) spielen kann wie mit einem Hund.
Ich denke, da steht auch momentan ein Generationswechsel auf Seiten der Parks und Zoos an. Leider liegt es in der Natur der Sache, dass die Entscheider („Management“) meist die letzten sind, bei denen der Generationswechsel dann auch tatsächlich stattfindet.
Was noch erschwerend dazu kommt, sind in die Jahre gekommene Pädagogen, die mangels praktischer Arbeit mit Kindern ein grellbunt-rosarotes Heile-Welt-Bild von den Kindern entwickelt haben – was in der Realität von der „Generation Smartphone“ eher als ‚megapeinlich‘ empfunden wird.
Wenn ich manchmal Killerphrasen höre, wie „aber die Kinder lieben das“ (und das aus dem Mund einer 60-jährigen, die seit 35 Jahren keinen wirklichen Kontakt mehr zu realen Kindern hatte – Sorry für das Klischee, aber ich muss da an eine sehr reale Person denken) bekomme ich auch rosarote Pusteln.
Andererseits erlebe ich (auch im Umfeld des Delfinariums Duisburg) sehr engagierte Tierpfleger, denen die Kindershows selbst gewaltig auf den Zeiger gehen. Es spricht also nichts dagegen, wenn da der eine oder andere freundliche(!) und sachliche(!!) Brief ankommt, der die Bemühungen der Tierpfleger um eine zeitgemäße Tierpräsentation unterstützt. Ausführungen wie „das war sogar meiner 10-jährigen Tochter ‚oberpeinlich'“ sind da sicherlich ein gewichtiges Argument.
Meine persönliche Erfahrung sagt mir auch, dass die Verantworlichen in den Tierhaltungen ausgesprochen zugänglich sind, sobald sie merken, dass man ein echtes und unvoreingenommenes Interesse an den Tieren hat.
Zwischen dem Erstkontakt mit einem Verantworllichen und „Weiß ich jetzt auch nicht, aber ich hole Ihnen einen Delfin aus dem Wasser damit Sie das nachmessen können“ lagen in meinem Fall weniger als 1 Stunde Fachsimpeln und fachliche Fragen in freundlicher Atmosphäre (es ging um ein Bionik-Projekt im Zusammenhang mit Delfinflossen).
Das ermutigt mich jetzt doch ein bisschen, die Sache vielleicht einmal anzugehen. Danke Norbert. :-)
Vielleicht ist das ja erfolgsversprechender, wenn ich mal direkt im Delphinarium jemanden anspreche, vielleicht mit ein paar Ideen auf Papier in der Hand, anstatt einen Brief zu schreiben, der erstmal in der Verwaltung landet. Ich bin mir da nämlich nicht sicher, wie viel Wert man wirklich auf Besucherrückmeldung legt. Letztens hab ich nämlich erst entdeckt, dass es tatsächlich solche „Ihre-Meinung-ist-uns-wichtig“-Bögen gibt, aber hinter der Glasscheibe der Kasse, versteckt zwischen allerlei Prospekten. Man muss wohl danach fragen, wenn man Rückmeldung geben will, anstatt dass man selbst gefragt wird, ob man Rückmeldung geben will. So kann nicht viel kommen, denke ich mir.
@ Norbert: Ok, über das Hörvermögen muss ich mich nochmal genauer schlau machen. :-)
„Das heißt aber nicht, dass man diese “Übungen” nicht ensprechend launig aber dennoch korrekt kommentieren kann“
Genau das ist es, was ich meine. Wenn ich mir das Repertoire an Übungen in Duisburg vor Augen führe, dann muss daran garnicht mal groß was geändert werden, sondern wenn, dann eher and er Kommentierung – wie gesagt, seit rund 30 Jahren praktisch das selbe.
Vor allem, auf der HP steht zu den Vorführungen als Ziel „Wissenswertes über die Biologie und Ökologie der Delfine zu vermitteln“. Entschuldigung, aber nein, das passiert in der Vorführung nicht. Man erfährt, dass Große Tümmler in allen Weltmeeren leben, wie die Flossen heißen, was sie mit den Flossen machen können (schwimmen, wer hätte das gedacht), wie schwer sie sind, dass sie durch die Wasseroberfläche sehen können (biologischer Nutzen dieser Fähigkeit?), mit der Nase Geräusche machen (evolutionärer Nutzen?) und dass wilde Delphine in Netzen ertrinken, weil sie nicht darüber springen können. Alles andere ist zu zeigen, wie toll Delphine springen und Sachen fangen und apportieren können.
Was fressen Delphine, wie jagen sie – Stichwort Biosonar, Stichwort Koordination -, welche besonderen evolutionäre Anpassung an den Lebensraum Wasser haben sie (nicht nur Flossen), wie leben sie als Sozialverband, welche Bedrohungen gibt es, was kann der Besucher selbst dagegen tun (nachhaltige Fischerei unterstützen, Plastikmüll vermeiden etc.) – DAS wären für mich relevante Inhalte.
Oder auch in eigener Sache: Wie funktioniert das Training (Stichwort postive Verstärkung), wozu werden die Tiere überhaupt trainiert (auch Medical Training), wie gut lernen Delphine überhaupt, wie werden Jungtiere aufgezogen (wenn die Situation gerade gegeben ist), wie ist das Familienleben im Delphinarium?
Das kriegt man natürlich nicht alles in eine 30-Minuten-Vorstellung. Vermutlich muss man das wirklich modular aufbauen und jeweils auch unter Berücksichtigung der Tagesform der Tiere auswählen. Aber dann ist wirklich jede Vorführung anders und der Gelegenlich-Besucher hat wirklich die Möglichkeit, bei jedem Besuch etwas anderes zu sehen und etwas neue zu lernen. Und das positive Gefühl von Aha-Effekten, etwas neues zu erfahren, sollte man, denke ich, nicht unterschätzten, erstrecht wenn die Besucher nur mit der Erwartung kommen, die Tiere in Aktion zu sehen, und sie das auch noch als Bonus kriegen.
Erfreulich, wenn es wenigstens anderswo anscheinend besser läuft.
Zum Stichwort Seelöwen fällt mir grade noch ein: Ich war letztes Jahr mit meiner Community in Münster. Als ich das „umgestaltete“ Ex-Delphinarium Robbenhaven gesehen habe, dachte ich nur: Echt jetzt?
Das hat sich ja praktisch garnichts geändert außer für ein paar Hundert Euro Holz und Farbe, mit denen man über das recht Abtrennbecken ein paar bunte Häuserfassaden gezimmert hat. Die Rutschbahn dabei hat uns schon schwanen lassen, in welche Richtung die Vorführung geht. Wir haben darauf verzichtet. Mit dem natürlichen Lebensraum von Seelöwen hat dieser Robbenhaven aber auch nichts zu tun, Haltungsverbesserung Null. Traurig.
Ich bin zwar nicht der große Robbenspezialist, aber vor allem die Kalifornischen Seelöwen sind ziemlich anspruchslos, was ihre Umgebung angeht – solange sie regelmäßig beschäftigt werden und die hygienischen / medizinischen Bedingungen stimmen.
Auch ihre natürlichen Lebensräume sind aus menschlicher Sicht meist reichlich eintönig, „hässlich“ und trostlos.
In freier Wildbahn leben sie an und in Felsklippen und Grotten, klettern, rutschen und springen dort herum. Aus meiner Sicht ist daher gegen die Haltungsbedingungen dort wohl kaum etwas einzuwenden. Auch die Lebenserwartung, Reproduktionsrate und weitere „harte“ Fakten sprechen sehr dafür, dass sich die Viecher in solchem Umgebungen ziemlich wohl fühlen.
Über die Gestaltung der Präsentationen lässt sich aber durchaus streiten. Auch hier haben die Tierhaltungen wieder die Gratwanderung zwischen „gefällt dem Publikum“ und „populärwissenschaftlichem Infotainment“. Wie gut das den einzelnen Tierhaltungen letzlich gelingt, hängt nicht so sehr von der Tagesform der Tiere ab (Seelöwen „funktionieren“ in einer gut choreographierten Show mit einer erstaunlichen Verlässlichkeit – anders als die durchaus auch mal launischen Delfine), als von den Verantwortlichen der Anlage.
Leider hängt den Robben in den meisten Parks noch immer die Clown-Nummer an.
Ich halte es aber für ein wenig übereilt, aus der Anlage (Seelöwen lieben Rutschen und Kletterfelsen!) auf die Präsentation zu schließen.
Man kann auch zwischen einer „Der Bachelor“-Parodie (Seelöwenbulle mit Fisch statt Rose) einige sachliche Info über die Tiere unter die Leute bringen.
Die Kunst des Infotainments besteht nun einmal darin, möglichst den Eindruck eines Schulunterrichtes zu vermeiden. Man darf beim Lernen durchaus auch mal lachen!
Wie gut das allerdings dann am Ende im Einzelfall gelingt – das steht auf einem anderen Blatt.
Das Seelöwen recht anspruchlos sind, ist mir klar. Sonst könnte man sie nicht seit Jahrzehnten so erfolgreich halten in Anlagen, die bei weniger anspuchslosen Arten kaum als tiergerecht durchgehen würden.
Ich hab in letzter Zeit nur vermehrt die Präsentation und die Didaktik im Blick: Welches Bild von den Tieren und ihrem leben in der Wildbahn vermittelt die Haltung. Vor dem Hintergrund ist dieser Robbenhaven ein schlechter Witz. Die Seelöwen in Gelsenkirchens Alaska finde ich übrigens, trotz der naturnähere Anlage und dem eindrucksvollen Unterwassertunnel, wo man die Tiere auch beim Schwimmen sieht – erst da wirken sie richtig faszinierend – genauso daneben, weil kein wilder Kalifornischer Seelöwe jemals im Leben einem Eisbären begegnen wird (zumindest unter normalen Umständen). Dabei sind Nördliche Seebären als passendere Alternative auf jeden Fall im europäschen Bestand vorhanden. Mit Walrossen wird es noch eine Weile dauern. Aber ich schweife ab, über den – unnötigen – zoologisch-geografischen Ettikettenschwindel in Gelsenkirchen könnte ich sonst Bände schreiben.
Ähem … Alaska gehört zwar nicht zum Hauptverbreitungsgebiet des Kalifornischen Seelöwen – einzelne Tiere schwimmen aber im Sommer durchaus entlang der kanadischen Küste bis nach Alaksa. Auch wenn sich die Eisbären an der Atlantikküste und die Seelöwen an der Pazifikküste aufhalten (und sich dementsprechend wohl nie begegnen), kann man beide Tierarten dennoch der Tierwelt Alaksas zuordnen.
Insofern liegt Gelsenkirchen zumindest nicht ganz falsch…
Ich halte das Thema wissenschaftlich begründete „Auswilderung“ gerade im Bezug auf Große Tümmler für eine reichlich theoretische Angelegenheit, da diese Art in freier Wildbahn nirgends ernsthaft gefährdet ist; geschweige denn, dass es irgendwo verwaiste Habitate gibt, die für eine Wiederansiedlung in Frage kämen.
Delfinarten, bei denen eine Wiederansiedlung ein realistisches Ziel darstellen könnte, bzw. bei denen der Wildbestand akut vom Aussterben bedroht ist (Hector-Delfin u.A.), sind leider in wissenschaftlichen Erhaltungszuchtprogrammen (derzeit) nicht vertreten.
Ich befürchte, die Wiederansiedlung von Großen Tümmlern wird unser geringstes Problem sein, wenn es erst einmal so weit gekommen sein sollte, dass ein solches Projekt Sinn ergeben würde.
Ich denke die Haltung (und Erhaltungszucht) von Großen Tümmlern ergibt sehr viel Sinn im Bezug auf die Forschung und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit.
Dass dieser Zuchtbestand in absehbarer Zeit einmal gebraucht werden könnte, um Wildbestände aufzufüllen oder wiederherzustellen, ist glücklicherweise aber nicht zu erwarten.
Im Großen und Ganzen sehe ich das ähnlich wie Norbert. Gleichwohl käme eine Umstellung der Haltung auf die bedrohten Arten heute nicht mehr in Frage – was Norbert, so denke ich, auch nicht sagen wollte.
Zur Forschung kann ich mich nur auf das verlassen, was ich u.a. hier so mitkriege. Dabei würde ich mir wüschen, dass der Zoo Duisburg beispielsweise auf der Delphinariums-Homepage mehr darüber informieren würde, welche Forschungen mit welchem Ziel aktuell durchgeführt werden oder würden. Es müssen ja nicht gleich ganze wissenschaftliche Abhandlungen dort veröffentlicht werden.
Was die Sensibilisierung der Öffentlichkeit angeht, wird hier mMn nach leider das mögliche Potential immer noch nicht richtig ausgeschöpft, wenn die Hälfte des Vorführungsprogramms darin besteht, den Besuchern die „Geschicklichkeit und gute Körperbeherrschung“ der Tiere vorzuführen und der einzige Hinweis auf die Gefährdungen darin besteht, zu erklären, dass wilde Delphine in Netzen ertrinken, weil sie nicht in der Lage sind, darüber zu springen. :-(
Ich denke, dass die Tierpräsentationen immer auch eine Gratwanderung sind. Die wenigsten Zoobesucher sind darauf erpicht, 30 Minuten lang mit depressiven Hiobsbotschaften zugetextet zu werden – Was die tatsächliche Situation der Meeresbewohner leider durchaus hergeben würde.
Auch streng wissenschaftliche Vorträge (wie man sie sich auf dem jährlichen EAAM-Symposium 3 Tage lang im 20-Minuten-Takt reinziehen kann) sind nicht unbedingt jedermanns Sache. Die wenigsten Zoobesucher dürfte es interessieren, an welchem Morbilivirus-Subtypus die Delfine in irgendeinem atlantischen Seegebiet erkrankt waren, und wie die Krankheit letzlich verlaufen ist. Oder welche Beziehungen und Migrationsbewegungen zwischen den verschiedenen bekanten Delfinschulen rund um Teneriffa festgestellt wurden. Zugegeben, ich werde das diesjährige Symposium vermissen, aber ich glaube nicht, dass ich da von mir auf (allzu viele) andere schließen kann.
Zuletzt haben die wenigsten Zoos auch das Geld und die Zeit, die Präsentationen von PR-Profis texten und choreografieren zu lassen – zumal die Präsentationen oder von mir aus auch „Shows“ in erster Linie dem Wohl der Tiere dienen (Sportstunde!) und jeweils an die Tagesform der Tiere angepasst werden müssen.
Letzlich ist aber schon viel gewonnen, wenn man in der Präsentation wenigstens ein wenig von der Faszination rüberbringen kann, welche so gut wie jeder Delfinexperte beim Anblick der grauen Tiere empfindet.
Die Faszination hab ich beim I-Dözchen-Tag gesehen. Das Delphinarium war voll mit kleinen Kinder, und in der halben Stunde vor der Vorführung haben die bei jedem kleinen Platscher, den die Tiere bei ihren normalen Interaktionen an der Wasseroberfläche gemacht haben, sofort geklatscht. Ehrlich, das hat mich richtig erschreckt. Bei den Kleinen steckt schon im Kopf „Alles was Delphine machen, sind Kunststücke, da muss man Klatschen“.
Es muss kein wissenschaftlicher Vortrag sein, bei weitem nicht. Aber muss man DIESEN Eindruck bei den Besucher denn noch fördern mit Sachen wie dem Delphin den Flipper geben, um sich für die Bootsfahrt zu bedanken, die Tiere winken lassen („Wie bedanken wir uns für Applaus“ – wenn ich das richtig mitbekommen habe, können den die Tiere nicht mal höhren).
Ist ja nicht so, dass ich mir da nicht selbst schon Gedanken drüber gemacht und dabei gemerkt habe, dass das alles andere als einfach ist, und dabei hab ich ja sogar nur die Außensicht. Was dabei bisher herausgekommen ist, können interessierte sich gerne über diesen Link hier in meiner Dropbox anschauen, wenn die Administration es erlaubt:
https://www.dropbox.com/s/xg5eg9obpgj58ng/Programm%20B%20Haltungspraxis.docx?dl=0
Keine Ahnung, ob sowas in der Praxis realisierbar wäre. Aber vielleicht macht es ja deutlich, was ich meine. Ich denke, für sowas braucht man keinen PR-Profi, sondern einen Didaktiker. Sich damit zufrieden zu geben, dass die Besucher Delphine hinterher toll finden (was sie vorher höchstwahrscheinlich auch schon getan haben) wird in meinen Augen dem Bildungsauftrag eines Zoos nicht gerecht Das gilt aber nicht nur bei Delphinen, sondern allgemein.
Insgesamt fand ich die Vorstellung im Walarium immer besser als im Delphinarium, was beweist, dass es da irgendjemanden geben oder gegeben haben muss, der sowas vernünftig konzipieren kann. Die war nicht langweilig, aber die war nie Show und auch nie anthropomorphisierend. Im Gegenteil, wenn der Trainer mit Ferdinand geredet hat und der mit Kopfnicken und Kopfschütteln „geantwortet“ hat, hat der Trainer den Besuchern sofort den Zahn gezogen, dass der Wal ihn verstanden hätte, so wie Flipper das auf wunderbare weise immer kann. Das Echolot wurde vorgeführt und das Wasserspritzen beim Gründeln. Und da wurde den Bewegungsübungen auch keine Notdidaktisierung á la „Wir möchten ihnen die Geschicklichkeit und gute Körperbeherrschung zeigen“ übergstülp. Dass Delphine toll springen können muss man den Besuchern nicht vermitteln, das wissen die schon. Da wurde im Walarium gesagt „Nach all dem Wissen wollen wir uns einfach mal wieder ein bisschen bewegen“, ganz ehrlich gesagt um was es geht: Bewegung für die Tiere.
Jetzt ist das ganze doch etwas ausschweifender geworden, als ich es wollte. Aber gehe mitlerweile schon nichtmehr in die Vorführung, oder wenn, wenn ich gesehen habe, wer mit macht und wie die Tiere heute drauf sind, dann gehe mittendrin wieder. Denn ehrlich, ich kann mir dieses seit 30 Jahren gleiche – mir fällt kein passendes Wort dafür ein – nicht mehr angucken.
@Dani:
Applaus und helle Schreie können Delfine wohl ganz gut hören – eine Reaktion der Tiere darauf ist aber im Rahmen der Präsentationen kaum feststellbar. Allerdings sind durch den Atemregler quiekende Taucherinnen in Ägypten ein probates Mittel, um in der Nähe schwimmende Delfine anzulocken :-)
Leider muss ich Dir Recht geben, dass manche Präsentationen auch heute noch bestens geeignet sind, bei den Besuchern falsche und vermenschlichende Meinungen und Ansichten über die Tiere zu förden und zu verstärken.
Insbesondere bei Seelöwen scheint es eine internationale Übereinkunft zu geben, dass diese grundsätzlich vor Publikum zu versäckeln sind – die einzige halbwegs ernsthafte Seelöwenpräsentation habe ich bislang in Nürnberg gesehen.
Allerdings scheint es auch ziemlich einach (und dementsprechend verlockend) zu sein, Delfine und Seelöwen zum „Flosse geben“, „Küsschen“ und anderen Kunststücken zu animieren. Auch das gegenseitige Nassspritzen an der Wasseroberfläche scheint Delfinen ähnlichen Spaß zu machen, wie das Apportieren oder Balancieren von Gegenständen. Auch das Verschießen von Bällen mittels der Schwanzflosse scheint sich bei Delfinen großer Beliebtheit zu erfreuen. Das Kalb Secret schoss in Connyland 100 cm-Sitzbälle locker 50 m weit und über die überdachte Tribüne.
Das heißt aber nicht, dass man diese „Übungen“ nicht ensprechend launig aber dennoch korrekt kommentieren kann – Selbst Connyland hat das zuletzt ganz gut hingekriegt (Gruß an Benny – wurde das unsägliche Tonband eigentlich gebührend entsorgt?).
Die letzten Präsentationen die ich in Nürnberg gesehen habe, waren durchaus lehrreich und haben Vermenschlichungen konsequent vermieden. Auch die Delfin-Präsentation in LoroPark auf Teneriffa (März 2014) waren durchweg als gut gemachtes „Infotainment“ zu bezeichnen – dafür war die dortige Seelöwennummer eine reine Slapstick-Komödie.
Nicht zuletzt ist es natürlich immer auch „Geschmackssache“, wie man eine Präsentation aufbaut. Und leider haben nicht immer diejenigen das Sagen, die auch eine Ahnung von gut gemachtem Infotainment haben.
Ich gebe Dir absolut Recht, dass unnötige Vermenschlichungen und unterschwellige Fehlinformation („Die Delfine bedanken sich“) in den Präsentationen gerade in wissenschaftlichen Einrichtungen unbedingt vermieden werden sollten.