Serie von Benjamin Schulz, Teil 9 – Sommerspecial
13. Juli 2015
(8 Kommentare)
Hallo liebe MEERESAKROBATEN-Fans!
Im Sommerspecial meines Biologen-Blogs geht es heute um den Großen Tümmler und seine Bedrohung.
Die bekannteste Delfinart weltweit
Der Große Tümmler ist die bekannteste aller Delfinarten weltweit. Diesen Status hat er vor allem wegen seiner Haltung in zahlreichen Delfinarien und seines Auftritts als Fernsehcharakter „Flipper“ erreicht.
Diese Art ist zudem weltweit verbreitet in nahezu allen Klimazonen. Auf der Roten Liste der bedrohten Arten der IUCN (Erklärung siehe am Ende des Beitrags) ist diese Art als „Least Concern“ angegeben und mit grüner Farbe unterlegt. Das soll bedeuten, dass man diese Art in ihrer Gesamtheit nicht als bedroht einstuft.
Also, man macht sich nicht allzu große Sorgen um diese Tierart, da sollten wir doch beruhigt in die Sommerferien fahren können.
Auch der Bestand der Großen Tümmler ist gefährdet
Doch leider ist das Ganze dann doch nicht so einfach. Die Wahrheit ist nämlich, dass der Große Tümmler durch dieselben Gefahren bedroht wird wie alle anderen Delfinspezies auch.
Die Einstufung der IUCN beruht allein auf aktuellen Populationszahlen. Das Einzige was also bisher eine Einstufung in einen Alarmstatus verhinderte, ist die große Zahl von Großen Tümmlern, die es noch gibt. Oder krasser ausgedrückt: Es müssen halt noch viele sterben, bevor man diese Art auch offiziell für mehr schützenswert hält.
Das ist ein Drahtseilakt – ohne Sicherungen. Wenn einmal die jetzige Balance kippt, kann es den Großen Tümmlern in wenigen Jahren genauso ergehen wie anderen, stark gefährdeten Delfinarten. Und gute Gründe, weiter optimistisch zu sein, werden auch immer weniger.
Manche Populationen werden bereits in der zweithöchsten Bedrohungsstufe gelistet
Vom Großen Tümmler gibt es mehrere Unterarten, die sich sowohl physiologisch als auch genetisch voneinander unterscheiden. Darauf deutet ein Hinweis hinter dem Namen. Zum Beispiel: „Tursiops truncatus ssp. ponticus: EN“. EN steht für „endangered“ = gefährdet.
Zu diesen Unterarten gehört der Schwarzmeertümmler, der – wie der Name sagt – nur im Schwarzen Meer vorkommt. Er ist bedroht in der zweithöchsten Stufe (orange Farbe) und kann jederzeit in den roten Bereich abrutschen. Etwa 3.000 gibt es nur noch von ihm. Schätzungsweise hat die Population seit Mitte des letzten Jahrhunderts um 90 % abgenommen.
Schwarzmeertümmler wurden stark bejagt
Wie konnte das passieren? Die Jagd auf diese Tiere war extrem. Bulgarien, Rumänien, Ukraine, Russland und die Türkei haben exzessiv diese Tiere verfolgt und beinahe ausgerottet. In einigen Ländern gibt es immer noch Delfinjagd am Schwarzen Meer.
Als Konkurrenten der Fischer wurden sie brutal verfolgt. Doch im Gegensatz zu den Treibjagden in Japan fand diese Jagd meist auf hoher See statt.
Harpunen, Netze, Gewehre, Sprengstoff wurden dazu benutzt. Ein Massaker, das vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen blieb und so auch nie die Aufmerksamkeit von Tierschützern erlangte. An Land kam höchstens noch das Fleisch an, schon zerteilt für den Handel.
Hätte Russland nicht in den 70er-Jahren die Jagd gestoppt, gäbe es vielleicht schon gar keine Schwarzmeertümmler mehr. Bis zum Verbot der Jagd auf Kleinwale im Schwarzen Meer im Jahr 1983 gehen allein die Verluste bei den Großen Tümmlern in die Zehntausende. Und das nur schätzungsweise, da bis 1961 fast keine Daten mehr zugänglich sind. Die Fangraten innerhalb eines Jahres konnten bis zu 13.000 Tiere erreichen.
Heute gibt es zusätzliche mensch-gemachte Bedrohungen
Heutzutage machen den Überlebenden die steigende Verschmutzung und die Treibnetzfischerei zu schaffen.
Seit die Europäische Union eine Vereinbarung zum Schutz der Kleinwale in Mittelmeer und Schwarzem Meer geschlossen hat (ACCOBAMS – Erklärung siehe Schluss des Beitrags) hat sich zwar die Gesetzeslage schon deutlich verbessert. Einige Länder haben sich der EU angeschlossen und Delfine auch als Folge davon unter besseren Schutz gestellt.
In der Ukraine allerdings herrscht zurzeit ein politisches Chaos, Russland ignoriert die Vorschriften und die Türkei, die die gesamte Südküste des Schwarzen Meeres ausmacht, ist da sehr flexibel. Formell hat man dem Abkommen zwar zugestimmt. Aber da man ja kein EU-Mitglied ist, muss man sich ja nicht unbedingt an alles halten.
Es sieht also schlecht aus für den Schwarzmeertümmler. Es muss dringend einheitliche Schutzbestimmungen für ihn geben, an die sich dann auch alle halten. Das kann man nur über politische Verhandlungen erreichen, doch in der Politik ist nur wenig Platz für Tiere.
Chance durch gezielte Nachzucht
Selbst wenn es gelingen sollte, die Umwelt und vor allem das Habitat der Schwarzmeertümmler besser zu schützen, ist die Population bereits so geschwächt, dass sie ohne gezielte Nachzucht nicht zu erhalten ist.
Und die ist ohne Delfinarien nicht zu leisten. Selbige müssen meiner Ansicht nach ihre Priorität auf die Zucht setzen sowie auf eine artgerechte Haltung in Meeresbuchten.
Außerdem müssen Wiederansiedlungsprogramme entwickelt werden, um die Nachzuchten wieder auswildern zu können.
Reine Show-Delfinarien können dabei nicht helfen. In ihnen funktioniert die Zucht nicht gut genug, weil man auch einfach keinen besonderen Wert darauf legt, wenn der Profit an erster Stelle steht.
Über manche Delfinarten gibt es zu wenig Daten
Der Schwarzmeertümmler ist leider nicht das einzige Beispiel für Große Tümmler in Gefahr. Der Indopazifische Große Tümmler ist sogar eine eigene Art und wird separat gelistet durch die IUCN. Eingestuft in grauer Farbe als „Data Deficient“. Oder auf Deutsch: Es tut uns leid, aber wir wissen nichts Genaues.
Sollte man also in Zukunft Daten bekommen, könnte diese Art auch direkt im roten Bereich enden. Denn die Bedrohungen in ihren Verbreitungsgebieten, vor allem in Südostasien, sind gewaltig und nehmen durch die Bevölkerungsexplosion der dort lebenden Menschen stetig zu.
Diese Tiere werden ebenfalls in vielen Delfinarien gehalten, und leider werden sie in einigen Ländern immer noch wild gefangen und verkauft. Auch hier muss endlich ein kontrolliertes Zuchtprogramm entstehen. Wiederansiedlungen sind hier durchaus möglich. Ideale Orte dafür gibt es im Indischen Ozean fast überall. Die Salomonen-Inseln wären hier ein Prioritätsziel, aber die dortige Praxis der Jagd auf Delfine macht dies bis jetzt unmöglich.
Dramatische Lage im Golf von Mexiko
Im Golf von Mexiko hat sich die Lage aller Meeressäuger durch die Deepwater-Horizon-Katastrophe dramatisch verschlechtert. Hunderttausende Tiere sind dieser Ölpest zum Opfer gefallen, die Überlebenden kämpfen mit den Spätfolgen: geschwächtes Immunsystem, verseuchtes Futter und Toxine, die sich im Körper anhäufen.
Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis diese Folgen abklingen. Bis dahin sind auch die Großen Tümmler dort äußerst verwundbar. Strandungen häufen sich, Viruserkrankungen breiten sich einfacher aus.
Erst kürzlich haben Wissenschaftler nach dem Ausbruch einer Morbilli-Virusinfektion sehr pessimistisch prognostiziert, dass die gesamte Population Westfloridas daran sterben könnte. Und die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Ölpest oder einer anderen Katastrophe ist hoch. Dann könnte es schnell vorbei sein.
Die besten Zuchtprogramme gibt es in nordamerikanischen und europäischen Delfinarien
Das alles zeigt, wie wichtig die Nachzucht in Delfinarien geworden ist: Genau aus dieser Gegend stammen nämlich die Delfine in den nordamerikanischen und europäischen Delfinarien.
Und genau hier gibt es auch die besten und effizientesten Zuchtprogramme. Jedes Leben, das dort neu entsteht, ist eine Chance für die wilden Artgenossen.
Der Schein trügt
Große Tümmler brauchen unseren Schutz. Auch wenn es rein zahlenmäßig noch gut aussieht: Dieser Schein trügt.
Als Botschafter ist der Große Tümmler ebenso enorm wichtig. Wenn man versteht, wie eng es bereits für ihn steht, versteht man auch, wie schlimm es um andere Delfinarten beschaffen ist, die bereits als bedroht eingestuft werden.
Der Maui-Delfin steht kurz vor dem Aussterben
Der Maui-Delfin ist leider das nächste Opfer des Artensterbens durch die Menschheit. Von ihm gibt es nur noch so wenige, dass jede Rettungsaktion scheitern wird. Es ist einfach zu spät für ihn und leider auch für viele andere.
Der Große Tümmler kann noch gerettet werden. Wer allerdings behauptet, der Große Tümmler sei nicht bedroht, zeigt, dass er von Tierschutz wenig Ahnung hat. Und solche Behauptungen aufzustellen, nur um das Zuchtprogramm in Delfinarien in Frage zu stellen, ist ignorant, böswillig und brandgefährlich für die Zukunft dieser Art.
Urlaub
Nun geht der Biologe in seinen wohlverdienten Urlaub. Den nächsten Beitrag werdet ihr im September hier finden. Ich wünsche euch allen einen angenehmen Urlaub.
Für euch einige Hinweise:
* Am Strand keinen Müll liegen lassen! Der ist tödlich für Meerestiere.
* Jetskis und Motorboote? Der Spaß ist für Meeressäuger äußerst gefährlich.
* Whale-Watching: Informiert euch vorher gut über den Anbieter. Die Tiere dürfen nicht gestört werden.
* Schwimmen mit wilden Delfinen: Keine gute Idee, das ist noch viel zu unerforscht.
Genießt die Sonne!
Euer Benjamin
Zu den Teilen 1 bis 8 meines BIOLOGEN-BLOGS geht es hier.
Worterklärungen
* ACCOBAMS (Agreement on the Conservation of Cetaceans in the Black Sea, Mediterranean Sea and Contiguous Atlantic Sea):
Internationales Übereinkommen zur Erhaltung von Walen und Delfinen im Mittelmeer, im Schwarzen Meer und dem angrenzenden Atlantischen Meer, das am 1. Juni 2001 offiziell in Kraft trat. Wesentliche Punkte dieses Abkommens, dessen Text 1996 einheitlich beschlossen wurde, betreffen das Verbot der Jagd auf Cetaceen sowie Programme zur Reduktion ihres Beifangs bei Fischereiaktivitäten und zur Einrichtung spezifischer Schutzgebiete.
(Quellen: accobams.org und cetacea.de)
* IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources):
Die Weltnaturschutzunion ist eine internationale Organisation, deren Aufgabe es ist, die Gesellschaften für den Natur- und Artenschutz zu sensibilisieren und so zu beeinflussen, dass eine nachhaltige und schonende Nutzung der Ressourcen sichergestellt ist. Bekannt ist sie durch die Herausgabe der Roten Liste gefährdeter Arten und die Kategorisierung von Schutzgebieten.
(Quelle: wikipedia.de)
Na endlich wirds mal wieder spannend hier! Ehrlich gesagt freue ich mich auch, dass Herr Ortmüller mal kommentiert hat. Es gibt schließlich Schnittpunkte beim Thema Auswilderung. Zuerst einmal zum Schwarzmeertümmler: Wie ich in meinem Bericht ja hoffentlich auch schon verständlich ausgedrückt habe, bin ich nicht immer wirklich glücklich über die Bedrohungsstufen der IUCN und deren Empfehlungen für Wiederansiedlungen/Nachzuchtprogramme. Bei der derzeitigen Lage der Umweltverschlechterungen (das gilt auch global) sind die Einstufungen viel zu reaktionsträge. Eine Art kann schneller aussterben als die IUCN sie auf der Liste höher einstufen kann. Es wird gewartet bis es meistens zu spät ist, siehe Maui-Delfin aber auch dutzende andere Säugetierarten. Man muss viel früher mit Nachzucht und Wiederansiedlung anfangen. Man muss ja auch noch bedenken, dass solche Programme eine enorme Vorlaufzeit benötigen und dann auch noch eine Wirkzeit, bis die Zucht funktioniert. Wenn man erst bei 100 Tieren anfängt zu züchten und zu schützen, ist es zu spät. Beim Schwarzmeertümmler befinden wir uns jetzt gerade in der kritischen Phase, aber es gibt noch genügend Tiere in der Wildbahn, um ein Überleben zu gewährleisten plus den großen Bestand von diesen Tieren in Delfinarien. Genau das muss man jetzt nutzen.
Man sollte sich aber genausowenig den Illusionen hingeben, dass unsere atlantischen Großen Tümmler eine sichere Zukunft haben.
Je früher man hier mit Wiederansiedlungen beginnt, desto besser. Auch betreute Meeresbuchten halte ich für eine tolle Idee. Allerdings – und damit konträr zu Herrn Ortmüller – nicht als Ablösung für die Delfinarien. Zumindest noch nicht jetzt denn die rechtlichen Bedingungen durch IUCN & Co sind eben nicht erfüllt für diese Art. Und das hat auch Herr Winkler gemeint. Das ist ein sehr komplexes Thema und wird meist von Journalisten gar nicht korrekt wiedergegeben, falls sie überhaupt dem Interviewten die Gelegenheit geben wollten das korrekt zu erklären. Warum? Weil es für die Zeitungen uninteressantes Bla-Bla ist.
Sicherlich bezog sich meine Bemerkung die Herr Ortmüller auch zitiert auf das WDSF, ProWal, PeTA, etc.
Diese Stiche wollte ich ganz gezielt setzen um zum Nachdenken anzuregen. Wenn Delfinarien und Tierschutz nicht zusammenarbeiten gibt es keine Zukunft für Delfine. Delfinarien müssen weg vom Showgeschäft und ihr Hauptaugenmerk auf die Zucht legen, eine Aufgabe die sie immer besser machen in den letzten Jahren, aber es gibt noch viel zu tun. Tierschützer müssen begreifen, dass die Zoos schon lange nicht mehr das sind als sie angefangen haben. Und ihren romantisch verklärten Blick auf die Wildbahn müssen sie unbedingt mal abstreifen. Am besten führt man solche Veränderungen durch, wenn man sich auf Augenhöhe begegnet und miteinander spricht. Ohne persönliche Attacken und absoluter Transparenz auf beiden Seiten.
Vor allem muss endlich das Vorurteil verschwinden, dass „kommerziell“ bzw. „Show“ und „Tierschutz“ in einem Widerspruch stehen müssen.
Am Beispiel SeaWorld kann man sehen, dass gerade auch eine kommerzielle Organisation enorm erfolgreiche Nachzucht, Forschung und Tierrettung bertreiben kann.
Und solange die Shows gewissen Regeln folgen, haben sowohl die Delfine (körperliche und geistige Fitness), als auch die zahlenden Besucher („great Show“) den maximalen Nutzen davon. Letzten Endes sind es auch die zahlenden Besucher, die den Delfinen die Beckenanlagen, Wasseraufbereitung, Futter, Veterinäre, Medikamente, und andere Betriebskosten bezahlen.
Umgekehrt bleiben Vorhaben ohne tragfähiges Finanzierungskonzept (d.h. „kommerzielle Komponente“) auch auf Dauer nur ein Wunschtraum – Beispiel „betreute Meeresbuchten“.
Auch bin ich der Meinung, dass es ohne Vorbehalte und Tabus möglich sein muss, bei akut bedrohten Arten Wildfänge zwecks Aufbau einer Erhaltungszucht zuzulassen – im schlimmsten Falle selbst dann, wenn dies unmittelbar zum Status „Extinct in the Wild“ führen würde.
Zu warten, bis das letzte Tier in einem Fischernetz ersoffen ist, kann nicht die Lösung sein.
Auch halte ich eine kontrollierte und wissenschaftlich betreute Erhaltungszucht in manchen Fällen (Maui-Delfin), für die einzige, noch verbleibende Chance, ein endgültiges Aussterben zu verhindern.
Allerdings ist mir auch klar, dass dies nur bei Arten möglich ist, die grundsätzlich für eine Haltung in geschlossenen Anlagen geeignet sind – was beim Maui-Delfin (ortstreu, kleine Reviere, geringe Tauchtiefe) gegeben sein dürfte. Bei maximaler veterinärmedizinischer Betreuung (einschließlich künstlicher Besamung) bestünde vielleicht noch eine Chance aus den verbleibenden Individuen wieder einen überlebensfähigen Bestand heran zu züchten.
In freier Wildbahn ist ein Überleben der Maui-Delfine dagegen praktisch ausgeschlossen, selbst wenn die neuseeländische Regierung endlich einmal geeignete Schutzgebiete durchsetzen würde (was sie mit Rücksicht auf die Fischer bis heute nicht getan hat). Der Bestand ist inzwischen so klein, dass jeder weitere Verlust an Individuen (sei es durch menschlichen oder natürlichen Einfluss) das endgültige Ende besiegeln kann.
Ich bezweifele jedoch, dass gerade die „Tierschutzorganisationen“ bereit sind, einen solchen Schritt zu unterstützen (oder wenigstens zu dulden).
„Auch bin ich der Meinung, dass es ohne Vorbehalte und Tabus möglich sein muss, bei akut bedrohten Arten Wildfänge zwecks Aufbau einer Erhaltungszucht zuzulassen – im schlimmsten Falle selbst dann, wenn dies unmittelbar zum Status „Extinct in the Wild“ führen würde.“
Bei manchen Arten wird das ja tatsächlich gemacht. Nur handelt es sich dabei meist um nahezu unbekannte Vögel, Amphibien oder Reptilien, die, gelinge gesagt, keine Socke interessieren.
Nur sollte das nur unter der Bedingung geschehen, dass es ausreichende Haltungserfahrungen mit ähnlichen Arten gibt. Eine Restpopulation einzufangen und dann, wie in den grauen Anfängen der Wildtierhaltung, ersteinmal auszutesten, wie man sie erfolgreich hält, gibt der Art bei allem guten Willen genauso den Rest.
Eine Auswilderung zur Bestands-Wiederherstellung ist bekanntlich nur angezeigt (und zulässig), wenn Lebensräume verwaist *und* für eine Wiederansiedlung geeignet sind. Dies ist derzeit (noch) nirgends der Fall.
Zudem sind in den EEP-Delfinarien nur Große Tümmler der Unterart „karibische Küstenform“ im Erhaltungszuchtprogramm vorhanden. Speziell bei diesen sieht es mit den wild lebenden Beständen derzeit noch recht gut aus.
Ob diese Bestände mittelfristig als „gefährdet“ einzustufen sind, steht auf einem anderen Blatt. Fakt ist jedoch, dass eine Auswilderung in der momentanen Situatuion weder zulässig, noch zielführend ist.
Speziell bei Großen Tümmlern gibt es bekannter Maßen massive Probleme mit Xenophobem Verhalten; d.h. die Wiedereingliederung von Zuchttieren in wild lebende Bestände funktioniert so gut wie gar nicht. Schon von daher kann allenfalls eine Wiederbesiedlung von verwaisten Lebensräumen infrage kommen. Diese verwaisten Lebensräume existieren glücklicherweise derzeit für Große Tümmler nicht.
Daher sollte man sich also besser auf den Schutz der bestehenden wild lebenden Bestände und deren Lebensräume konzentrieren, anstatt über die (derzeit) definitiv kontraproduktive Auswilderungen von Nachzuchten zu fabulieren.
Man muss auch unterscheiden: Die Forderungen nach Auswilderung durch Tierrechtsgruppen hat ja nicht vorrangig den Artenschutz zum Ziel. Ziel der Forderungen nach Auswilderung ist es, keine Delphine mehr in Gefangenschaft zu haben.
„Ziel der Forderungen nach Auswilderung ist es, keine Delphine mehr in Gefangenschaft zu haben.“
Damit gibt man aber nicht nur einen Großteil der Forschungsmöglichkeiten (und damit der Tierrettung) auf, sondern beraubt sich auch der Möglichkeit einer Erhaltungszucht …
„Wer allerdings behauptet, der Große Tümmler sei nicht bedroht, zeigt, dass er von Tierschutz wenig Ahnung hat“, heißt es in dem Beitrag von B. Schulz. Der Duisburger Zoo-Direktor Achim Winkler meint zum Großen Tümmler in einem Interview vom 01.07.2015: „Es gibt überhaupt keine Veranlassung und keine rechtliche Grundlage, die Delfine auszuwildern. Grundsätzlich werden nur Tiere ausgewildert, die in der Natur bedroht sind. Das ist bei den Großen Tümmlern nicht der Fall.“ Also hat der auch keine Ahnung?
„Es wird keine sachliche Debatte geführt“ | WAZ.de – Lesen Sie mehr auf:
http://www.derwesten.de/region/westfalen/es-wird-keine-sachliche-debatte-gefuehrt-aimp-id10837107.html#plx425515928
Vielleicht hilft es auch, die genauen Begrifflichkeiten auseinander zu halten:
„Bedroht“ im Sinne der ICUN-Liste bedeutet nicht dasselbe, wie im täglichen Sprachgebrauch. Man kann Herrn Winkler vielleicht vorwerfen, dass er sich nicht hinreichend exakt ausgedrückt hat – oder dem Journalisten, dass er das Interview nicht hinreichend exakt wiedergegeben hat.
Eine Wiederauswilderung ist zumeist erst dann angezeigt wenn eine Tierart als „Critically Endangered“ oder gar als „Extinct in the Wild“ eingestuft wird – und auch dann nur unter der Voraussetzung, dass die Lebensräume (wieder) so weit intakt sind, dass eine Auswilderung auch Erfolg verspricht.
Von „Bedroht“ („Vulnerable“) spricht ICUN bereits dann, wenn die weitere Entwicklung eine Verschlechterung der Situation erwarten lässt.
Auch bezieht sich Herr Winkler (zwangsläufig) nur auf karibische Große Tümmler (Küstenform) – andere gibt es im EEP nunmal nicht.
Große Tümmler der Schwarzmeer-Unterart z.B. sind nicht mit diesesn Delfinen „kompatibel“. Eine Auswilderung von EEP-Delfinen in diesem Habitat würde die Situation für die endemische Unterart deutlisch verschlimmern, anstatt sie zu verbessern.
Herr Winkler weiß also ganz offensichtlich sehr gut, wovon er spricht.