Serie von Benjamin Schulz, Teil 10
14. September 2015
Spendengelder landen im Nichts
Doch Delfinfreunde müssen sich keine Sorgen machen: Internationale Gesetzgebungen und wissenschaftliche Aufklärungskampagnen werden diese Sanctuaries verhindern.
Sorgen machen um ihr Geld müssen sich die Unterstützer solcher Projekte aber dennoch weiter: Die Spendengelder wird es wohl kaum zurückgeben. Und damit lassen sich ja auch noch durchaus Millionenbeträge machen.
Auch die versprochenen Auswilderungen werden so nie stattfinden können. Dazu muss man ganz anders vorgehen. Die Reintroduction Guidelines der IUCN werden nämlich sowohl von dem „Cetacean Sanctuary“ als auch „Dolphin Care“ ignoriert. Dass man sich an diese Gesetze weltweit halten muss, werden die Verantwortlichen noch zu spüren bekommen.
Die Auswilderungen sind ganz eindeutig nur ein vorgeschobener Grund, um ein eigenes Delfinarium zu bauen. Alleine mit dieser Täuschung machen sich die Projektleiter strafbar.
Eine seriöse Nutzung von Sanctuaries sieht anders aus
Tragisch ist, dass die Idee der Sanctuaries durch den Missbrauch einiger Tierrechtsgruppen einen starken Imageschaden erleiden wird. Es wird Jahrzehnte dauern und Hunderte ernsthafte wissenschaftliche Studien, um das wieder rückgängig zu machen.
Denn Sanctuaries werden dringend benötigt. Durch den Einsatz von Experten und Behörden können sie nämlich den seriösen Tierschützern dabei helfen, bedrohte Arten zu erhalten und wiederanzusiedeln. Allerdings nur in Zusammenarbeit mit Nachzucht in den Delfinarien und Umweltschutz vor Ort. Genau das, was die Delfinarien jetzt ja auch schon machen.
Nur wenn man sich bewusst ist, was Sanctuaries leisten können und was nicht, kann ein Nutzen für die Tiere daraus entstehen. Man sollte sie deshalb nicht anhand der Frage beurteilen, ob sie Delfinarien ersetzen können oder nicht, sondern ob sie zum Artenschutz beitragen können.
Sanctuaries werden kommen. Davon bin ich überzeugt. Aber sie werden Delfinarien als wichtiges Werkzeug zur Arterhaltung nur ergänzen, nicht ersetzen. Und sie gehören in die Hände von Wissenschaftlern und nicht von Träumern.
In diesem Sinne!
Euer Benjamin
Zu den Teilen 1 bis 9 meines BIOLOGEN-BLOGS geht es hier.
Meine Meinung zu den angesprochenen „Sea-Pen-Sanctuaries“ ist sehr durchwachsen, um nicht zu sagen „eher ablehnend“. Klar, ist das die „natürlichste“ Umgebung, die man domestizierten Delfinen bieten kann. Andererseits kann man solche Gehege nur an recht wenigen Orten einrichten (Wasser- und Lufttemperaturen im Winter) – im Wesentlichen nämlich in der Karibik und in Teilen des Mittelmeeres – wobei Letzteres schon wieder das Problem mit der „falschen“ Delfin-Unterart hat. Zudem bin ich mir alles andere als sicher, ob ein Delfinarien-gewöhnter Delfin wirklich so wild auf mehr oder weniger dreckiges Wasser, Parasiten, nervige Möven und ungefiltertes Wetter ist.
In der Realität kämpfen praktisch alle bestehenden „Sea-Pen-Sanctuaries“ regelmäßig mit Stürmen, die an Meeresküsten bekanntlich eine immense Wucht entwickeln können und nicht selten dazu führen, dass die Delfine in ihren Gehegen jämmerlich ertrinken oder von einlaufenden Brechern auf Land oder gegen Mauern gespült und verletzt werden.
Einzelne Meeresgehege in der Karibik sind sogar dazu übergegangen, bei heraufziehenden Stürmen ihre Delfine mit Sendern auszustatten und auf das offene Meer hinaus zu treiben (nein, das tun die ganz und gar nicht freiwillig!), in der Hoffnung, dass sie dort eine bessere Überlebenschance haben (was offenbar der Fall ist). Dennoch bedeutet ein Orkan in solchen Gehegen fast jedes mal auch tote, vermisste (ein Sender, der zusammen mit dem toten Tier tief genug absinkt, kann nicht mehr mit vertretbarem Aufwand geortet werden), und verletzte Delfine.
Natürlich kann man die „Sea-Pen-Sanctuaries“ zumindest theoretisch in geschützen Buchten und Lagunen anlegen (was bei einem ausgewachsenen Hurrican auch nicht viel bringt), aber da liegen die noch verfügbaren Grundstücke bereits jetzt praktisch bei Null – oder sie liegen in unmittelbarer Nähe großer Hafen- und Industrieanlagen.
Ich befürchte, dass ordentlich gebaute und geführte Inlands-Delfinarien am Ende doch die beste Lösung sind. Denn offenbar haben die Großen Tümmler die merkwürdige Eigenheit, dass eine Domestizierung zwar recht schnell und einfach vonstatten geht, aber letztlich nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Und ich wüsste am Ende auch keinen Grund, der gegen weitere Delfinarien spricht, wenn diese im Großen und Ganzen der jeweiligen „Best practice“ genügen und durchweg mit Nachzuchten ausgestattet werden können. Vermutlich wird man aber auf Dauer auch nicht um eine Begrenzung der Nachkommenszahlen durch Medikamente („Pille“) herumkommen.
Ich sehe da aber vorher noch die durchaus attraktive Möglichkeit, die Zahl der Wildfänge dadurch gegen Null zu reduzieren, dass man den Markt für Delfine mit einer hohen Zahl von legalen Nachzuchten für andere „Anbieter“ (Taiji, Salomonen) unattraktiv macht und damit zumindest eine wichtige Einnahmequelle solcher Jagden abgräbt.
Bei weniger im öffentluchen Fokus stehenden Tierarten (z.B. Papageien) hat man diese Möglichkeit bereits wiederholt und letztlich sehr erfolgreich durchexerziert – ob das auch bei Delfinen funktionieren kann, ist schwer zu sagen – auf jeden Fall verlieren solche Unternehmungen ihre wichtigsten Unterstützer, wenn niemand mehr an deren Lebenfängen interessiert ist.
Die Färöer-Inseln sind da leider nochmal ein ganz anderer Fall. Die werden vermutlich erst dann mit ihren sinnlosen Abschlachtorgien aufhören, wenn die Grindwale rund um die Inseln ausgerottet sind. Tradition eben …
Das „Dolphin Care“-Projekt am Roten Meer ist allein schon deshalb ein gefährlicher Unsinn, weil im Roten Meer eine andere Unterart des Großen Tümmlers (der kleinere indopazifische Große Tümmler ca. 120 kg) lebt, als in den Delfinarien (Karibischer Großer Tümmler, ca. 250 – 300 kg).
Die Tiere aus den Delfinarien haben im Roten Meer schlicht nichts zu suchen. Würde das Gehege aus irgendeinem Grund zerstört (und die Delfine tatsächlich auswildern), könnten sie bei der endemischen Population immensen Schaden anrichten, da sie den dort lebenden Tümmlern körperlich weit überlegen sind. Umgekehrt sind die Delfine aus den Delfinarien nicht mit den dort lebenden Gifttieren vertraut (Rotfeuerfisch, Stechrochen u.A.) und würden – so sie nicht mangels Jagderfahrung verhungern – höchstwahrscheinlich an Vergiftungen und Stichen sterben.
An eine Auswilderung in diesem Gebiet braucht man erst gar nicht zu denken.
Aber solche Details scheinen die selbsternannten „Experten“ ja nicht weiter zu stören.