Berichte

Fragen an einen Delfin-Experten


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Delfine und Publikum

Auch der Tiergarten in Nürnberg ist Mitglied der WAZA (Foto: Susanne Gugeler)

Publikum in der Delfin-Lagune
(Foto: Susanne Gugeler)

Oliver:
Inwieweit reagieren die Delfine während einer Vorführung auf das Publikum? Überträgt sich die Stimmung der Zuschauer auf die Tiere und sind sie motivierter, wenn sie Applaus bekommen bzw. merken sie, wenn das Publikum begeistert ist? Oder ist ihnen das völlig gleichgültig und sie beachten die Leute gar nicht?

Benjamin:
Mit dem Publikum ist das so eine Sache. Ich glaube nicht, dass Delfine während einer Vorführung viel davon mitbekommen. Sie konzentrieren sich ganz auf den Trainer. Wenn die Trainer besonders motiviert sind, hat das auch Einfluss auf die Tiere. Das Publikum beachten die Delfine eher außerhalb der Shows an den Fenstern oder wenn sie an den Becken entlanglaufen. Dann sind sie sehr neugierig.

Können Große Tümmler auch im Süßwasser leben?

Oliver:
Die meisten Delfinarten leben im Meer. Doch könnte ein Großer Tümmler auch im Süßwasser überleben? Schließlich sind sie Säugetiere und keine Fische, dürften also nicht diese Probleme mit der Osmose bekommen. Wir Menschen können schließlich auch im Süß- wie im Salzwasser schwimmen. Delfine sind außen ja von einer Fettschicht geschützt und trinken auch kein Meerwasser, das osmotisch problematisch werden könnte.

Benjamin:
Delfine können nicht im Süsswasser überleben (außer natürlich die in Flüssen lebenden Süsswasserarten). Das liegt aber nicht an der Osmose, sondern an der Zusammensetzung der Bakterien im Wasser. Auch Pilze sind gefährlich. Das Immunsystem der Delfine hat sich auf Salzwasser spezialisiert. Wenn man die Haut kontinuierlich Süsswasser aussetzt, verbreiten sich sehr schnell Infektionen, die bei einem Verbleib im Süsswasser die gesamte Haut befallen, von dort ins Blut gelangen und eine tödliche Sepsis verursachen würden.

Aber nur den Fisch essen ... (Foto: Rüdiger Hengl)

Aber nur den Fisch essen …
(Foto: Rüdiger Hengl)

Leckermäulchen

Oliver:
In diesem Fall dürfte man den Delfinen aber dann auch nur Meeresfische zum Fressen geben, oder?

Benjamin:
Delfine fressen nur Meeresfische und bekommen nur diese, weil es natürlich für sie ist. Süßwasserfische überhaupt zu probieren, käme gar nicht in Frage in einem Delfinarium. Ich denke aber nicht, dass Süßwasserfische generell unverträglich sind für Delfine.

Oliver:
Sind die Delfine Leckermäulchen und gibt es Fische, die sie besonders mögen? Oder gibt es da individuelle Unterschiede und nicht jeder mag jeden Fisch?

Die Delfine schlucken die Fische ja am Stück runter, die werden also nicht viel vom Fisch schmecken, wie wir das tun, oder?

Benjamin:
Delfine bevorzugen sehr oft bestimmte Fische. Das sind persönliche Vorlieben und die können auch mit der Jahreszeit wechseln. Das liegt vor allem am Fett-/Wassergehalt der Fischsorten. Da wissen die Tiere natürlich am besten, was ihr Körper dringend braucht.

Delfine schmecken alles. Obwohl sie den Fisch schnell schlucken, gibt es dort eine deutliche Auswahl über den Geschmackssinn. Da werden dann auch schon mal ungewollte Fische wieder ausgespuckt. Man wundert sich schon manchmal, wie sensibel und vor allem schnell Delfine auf Sinneseindrücke reagieren können.

Delfine atmen „bewusst“

Oliver:
Ich hab gelesen, dass man Delfine nicht in Narkose versetzen kann, da sie ja „bewusst“ atmen und sie dann ersticken würden. Was macht ein Tierarzt, wenn tatsächlich mal eine größere Operation ansteht und eine örtliche Betäubung nicht ausreicht?

Benjamin:
Delfine kann man nicht in Narkose legen, das ist richtig. Die bewusste Atmung verhindert das. Deshalb sind größere chirurgische Eingriffe einfach nicht möglich bei ihnen.

Neugierige Delfine (Foto: Oliver Schmid)

Neugierige Delfine
(Foto: Oliver Schmid)

Gruppendynamik

Oliver:
In der Natur bilden sich bei Delfinen ja Gruppen und lösen sich wieder auf, während es in einem Delfinarium eben eine feste Gruppe gibt. Was macht man, wenn ein neuer Delfin ins Delfinarium kommt, damit der von den anderen akzeptiert und in die Gruppe aufgenommen wird? Was macht man, wenn sich herausstellt, dass die anderen den neuen nicht „riechen“ können?

Benjamin:
Die Gruppendynamik ist bestimmt das Schwierigste an der Haltung. Austausch gibt es aber doch relativ häufig in den Delfinarien, um das Ganze noch natürlicher zu machen. Das ist nicht immer ganz einfach, denn manchmal verstehen sich einige Tiere halt nicht.

Wichtig sind dabei immer die Anführer in der Gruppe, die einen Neuen als Erstes akzeptieren müssen. Die Einführung in eine neue Gruppe findet also Schritt für Schritt statt.

Auf der nächsten Seite erfahrt ihr, warum Delfine ihre Pfleger manchmal nass spritzen, ob ihnen die Zähne geputzt werden müssen und was es mit dem schwachen Immunsystem von Delfin-Babys auf sich hat.

6 Kommentare

  1. Die Fortsetzung von Olivers Interview mit Benjamin findet ihr hier:
    https://www.meeresakrobaten.de/2017/08/fragen-an-einen-delfin-experten-2/

    geschrieben von Susanne
  2. Super interessant!

    geschrieben von Maya
  3. Eine intelligente Fragerunde, die man gerne liest.
    Sind weitere Folgen geplant?

    geschrieben von Rüdiger
    1. Schön, dass dir die Fragerunde gefällt, Rüdiger. Evtl. gibt es eine Fortsetzung.

      geschrieben von Susanne
  4. „Benjamin:
    Delfine kann man nicht in Narkose legen, das ist richtig. Die bewusste Atmung verhindert das. Deshalb sind größere chirurgische Eingriffe einfach nicht möglich bei ihnen.“

    Nach Aussage von Dr. von Fersen gibt es inzwischen durchaus erprobte Verfahren zur Intubierung (und künstlichen Beatmung) von narkotisierten Delfinen, die auch größere Eingriffe erlauben. Da dies aber nach wie vor schwierig (mehrfacher Atemwegsverschluss, abgewinkelte Atemwege vor dem Kehlkopf) und verletzungsträchtig ist, versucht man Eingriffe unter Narkose so weit irgend möglich zu vermeiden.

    Das ist zumindest mein Kenntnistand.

    geschrieben von Norbert
    1. Da wäre ein konkretes Beispiel ganz hilfreich, Norbert. Diagnose und Eingriff würden mich da sehr interessieren.

      geschrieben von Susanne

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