Meeresakrobaten, 23. Februar 2016
Sie sorgen zurzeit für manche Schlagzeile: die beiden Delfine, die sich seit ungefähr drei Wochen in der Ostsee in der Flensburger Förde tummeln. Siehe dazu auch den MEERESAKROBATEN-Beitrag Zwei Delfine in der Ostsee.
Jeder kann zu den Delfinen ins Wasser
Von Land aus, mit dem eigenen Boot, mit einem Auflugsschiff, mit dem Kajak, mit dem Surfbrett oder als Taucher unter Wasser – es gibt jede Menge Begegnungsmöglichkeiten mit den zwei Großen Tümmlern. Theoretisch kann jeder zu ihnen ins Wasser.
Die Tiere machen es einem aber auch sehr leicht. Sie zeigen sich recht zutraulich und nähern sich aus eigenen Stücken den Menschen bzw. deren fahrbaren Untersätzen.
„Anfass-Versuche“ und „Jagd“
Doch so idyllisch das jetzt klingt, die Annäherung läuft offenbar nicht immer harmonisch ab. So kann man auf der eigens für „Selfie“ und „Delfie“ (so werden die Delfine genannt) eingerichteten Facebook-Seite Delphine in Flensburg auch von den Sorgen mancher Beobachter lesen. Heike B. schreibt zum Beispiel am 22. Februar 2016: „Es gab letzte Woche bereits Fotos von ‚Anfass-Versuchen‘, gab Hinweise auf Leute, die die Delphine mit Schlauchbooten ‚jagen‘ …“
Das Zusammentreffen von Mensch und Delfinen scheint unkontrolliert abzulaufen. Deshalb habe ich mich einmal bei den vier in Deutschland ansässigen Wal- und Delfinschutz-Organisationen umgesehen und deren Websites in Bezug auf „Selfie“ und „Delfie“ unter die Lupe genommen.
Keine Informationen und kein Handlungsbedarf
Auf den Websites von WDC/München, ProWal/Radolfzell und WDSF/Hagen habe ich unter „aktuelle Aktionen“ oder „News“ keine Informationen über Maßnahmen gefunden, die zum Schutz der beiden Delfine ergriffen worden sind (Stand 23. Februar 2016).
Lediglich die GRD/München (Gesellschaft zur Rettung der Delphine) widmete schließlich am 22. Februar 2016 erstmalig den beiden Gästen in der Ostsee einen eigenen Beitrag. Sie sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. „Eine Störung oder Belästigung der Tiere ist derzeit nicht erkennbar“, erklärt der GRD-Biologe Ulrich Karlowski.
WDSF stellt „Ferndiagnose“
Das WDSF (Wal- und Delfinschutz-Forum) aus Hagen stellt auf seiner Facebook-Seite am 18. Februar 2016 eine „Ferndiagnose“. Man kann dort lesen, dass es für die beiden Delfine in der Flensburger Förde nicht ganz ungefährlich sei, „wenn Schiffe (wie auf dem Foto) mit hoher Geschwindigkeit durch die Wellen pflügen, obwohl die Delfine in unmittelbarer Nähe gesichtet wurden“. Zu sehen ist auf dem erwähnten Foto das Schiff „Möwe“, das Ausflüge zu den Delfinen anbietet.
Ohne selbst an Ort und Stelle zu sein, spricht das WDSF davon, dass Schiffe (wie auf dem Foto) – gemeint ist die „Möwe“ – mit hoher Geschwindigkeit durch die Wellen pflügen würden. Wie hoch war die Geschwindigkeit des Schiffes wirklich, wie hoch waren die Wellen? War das WDSF dort? Ich kann nichts erkennen, nur das geteilte Foto vom NDR.
Ein Beobachter vor Ort – Joern C. – attestiert am 21. Februar 2016 dagegen dem Kapitän der „Möwe“ auf der „Delphine in Flensburg“-Facebook-Seite, dass dieser sein Schiff mit viel Bedacht durch die Förde steuern würde.
Wem kann da mehr Glauben geschenkt werden, einem Beobachter vor Ort oder einem „Facebook-Aktivisten“, der ein Foto interpretiert?
Mangelhafte Aktivität
Ich werfe den Delfin- und Walschutz-Organisationen in dieser Angelegenheit vor, zu wenig bzw. keine Aktivität zu zeigen.
Nun haben wir schon mal die äußerst ungewöhnliche Situation, dass sich zwei Große Tümmler fernab ihres eigentlichen Lebensraums (Atlantik und Nordsee) in deutschen Gewässern aufhalten und keine Organisation sieht es für notwendig an, sich selbst von der Lage vor Ort ein Bild zu machen.
Dafür werden lieber Fotos angeschaut, die man vom Computer aus dann bequem interpretieren kann.
Sinnvoller und nachvollziehbarer Einsatz von Spendengeldern
Delfinschutz-Organisationen, deren Spendengelder-Verwendung oft nebulös ist, könnten das von Tierfreunden gegebene Geld hier sinnvoll einsetzen. Denn es handelt sich um eine brenzlige oder zumindest unklare Situation.
Meine Vorschläge für Vor-Ort-Aktionen sind:
* Sie müssten zum Beispiel an der Flensburger Förde Flyer verteilen, auf denen die Besucher über den richtigen Umgang mit freilebenden Delfinen unterrichtet werden.
* Sie müssten mit den Anwohnern, Surfern und Kajakfahrern ins Gespräch kommen und diese über potenzielle Gefahren im Umgang mit wilden Delfinen in Kenntnis setzen; sie müssten die delfin-begeisterten Menschen zum Beispiel darauf hinweisen, dass das Anfassen der Tiere sowohl für diese (Krankheitsübertragung), aber auch für die Menschen (es kommt immer wieder vor, dass Delfine Schwimmer beißen oder mit der Fluke verletzen) gefährlich sein kann.
* Sie müssten auf Ausflugsschiffen mitfahren und die Gäste über Delfine und deren Bedürfnisse aufklären.
* Sie müssten im eigenen Schlauchboot die Lage erkunden.
* Sie müssten Informationsveranstaltungen anbieten und, und, und …
Stattdessen sieht man zum Beispiel auf der WDSF-Website einen ernst in seinen (mit einem WDSF-Aufkleber verzierten) Computer blickenden Jürgen Ortmüller (Geschäftsführer der Ein-Mann-Organisation). Das mag medienwirksam sein, mehr aber nicht.
Wahre Delfinschützer
Unter Delfinschutz stelle ich mir jedenfalls etwas anderes vor. Den betreiben Menschen, die nicht wild darauf sind, in die Medien zu gelangen, sondern die – bei jedem Wetter – vor Ort (ich gebrauche absichtlich das Wort erneut) zur Stelle sind – sei es, um nach dem Rechten zu sehen, zu informieren oder sogar um einem Delfin das Leben zu retten.
Der NDR berichtet darüber, dass ein paar schnelle Boote zur Verfolgungsjagd auf die beiden Delfine angesetzt hätten.
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_1800/Schleswig-Holstein-1800,sendung481372.html
Hallo liebe Meeresakrobaten,
hab gesehen, dass die GRD zum Beitrag auch Verhaltensregeln zum Umgang mit wild lebenden Delfinen ins Internet eingestellt hat – und ich finde, es kann ja nicht schaden, wenn sie auch hier abrufbar sind:
http://www.delphinschutz.org/informationsmaterial/Verhaltensregeln_Begegnungen_mit_Walen_und_Delfinen.pdf
Vielen Dank für deinen Kommentar, Oliver. Zu den Verhaltensregeln gibt es bei den MEERESAKRBOATEN auch einen tollen Gast-Beitrag von Susanne Braack/OCEANO: „Whale Watching – eine ethische Frage?“
http://www.meeresakrobaten.de/2015/08/whale-watching-eine-ethische-frage/
Sind wohl allesamt nur „Am-Computer-sitz-und-klick“ oder „Vor-Zoos-Leute-Belästigungs-Aktivisten“.
Geht’s wirklich um Delfinschutz, sieht man von den „unsren Bekannten“ keinen.