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Tisch-Manieren der Großen Tümmler


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Gastbeitrag von Bettina Wurche/17. April 2016

Große Tümmler im Roten Meer (Foto: SimSim-Reisen)

Große Tümmler im Roten Meer (Foto: SimSim-Reisen)

Bettina Wurche ist Biologin und Journalistin. Ihre Artikel kann man u.a. in so renommierten Magazinen wie „Bild der Wissenschaft“ lesen (zum Beispiel in der Ausgabe 4/2016: Moby Klick). Aber auch auf ihren eigenen ScienceBlogs gibt es viele Beiträge über Meeressäuger.

Die MEERESAKROBATEN danken Bettina sehr für die Genehmigung, ihren aktuellen Bericht über die Delfinverhaltensforschung hier teilen zu dürfen.

Delfine haben großen Appetit

Delfine sind agile Meeressäuger mit großem Appetit. Um ihren hohen Energiebedarf zu decken, jagen sie vor allem proteinreiche Snacks wie Fische und Tintenfische. Die lassen sich allerdings nicht immer einfach einsammeln und schlucken, stattdessen müssen die Kleinwale für unterschiedliche Nahrungsarten die jeweils passende Strategie entwickeln.

Die Indopazifischen Großen Tümmler (Tursiops aduncus) und die Atlantischen Großen Tümmler (Tursiops truncatus) sind immer wieder mit besonders ausgeklügelten und regional unterschiedlichen Verhaltensweisen aufgefallen. H. C. Smith und K. R. Sprogis haben jetzt wieder eine neue Art von „Tisch-Manieren“ der Tümmler entdeckt, diesmal geht es um Sepien.

Sepien haben zehn Arme

Sepien sind zehnarmige Tintenfische und eng mit den Kalmaren verwandt. Am großen Kopf liegt inmitten des Tentakelkranzes mit zehn kurzen Armen der chitinige scharfe Schnabel.

Der länglich-ovale und abgeplattete Leib besteht aus dem Mantel und dem Eingeweidesack. Rund um den Mantel läuft ein Flossensaum, der an eine Rüsche erinnert.

An der oberen Seite des Leibs liegt ein gekammerter und poriger Kalkschulp – Auftriebshilfe und Schutz gleichermaßen. Der Kalkschulp ist oft am Strand der Nordsee und anderer Meere zu finden, im Binnenland findet man ihn eher in Vogelkäfigen.

Sepien sind exzellente Schwimmer – wenn auch nicht so schnell wie Kalmare. Zwischendurch pausieren sie auch gern, perfekt getarnt, auf dem Meeresboden.

Sepia (Foto: Wikipedia)

Sepia
(Foto: Wikipedia)

Gegen Tümmler, die nicht nur schneller sind, sondern auch noch ein hoch wirksames Sonar haben, hilft ihnen das nichts.

Toller Protein-Snack

Aus Sicht der Delfine ist so eine pummelige Sepia ein großartiger Protein-Snack. Nur der Schulp stört erheblich. Kein Delfin mag bei seinem Seafood-Genuss eine knirschende Kalkschale zwischen den Zähnen.

Das Entfernen der Kalkschale aus dem ganzen Weichtier ist ohne Hände oder andere dabei hilfreiche Vorderextremitäten nicht ganz einfach. Auch die Tinte behagt den Kleinwalen nicht.

Aber Delfine schaffen das. Gerade die Indopazifischen Tümmler in den flachen Küstengewässern vor Australien und die Großen Tümmler des Atlantiks sind bereits durch eine ganze Reihe raffinierter Fressmethoden aufgefallen (siehe Seite 2 des Beitrags).

Schnabel dient als Allround-Werkzeug

Mit ihrem Einfallsreichtum und dem Schnabel als Allround-Werkzeug mit Zangen-, Scheren-, Hammer- und Pinzetten-Funktion werden Delfine auch mit Sepien fertig.

Im australischen Spencer Gulf schnappen Tümmler sich eine Sepia und pinnen das wehrlose Weichtier auf den Meeresgrund. Dadurch töten sie es, anschließend quetschen sie mit dem Schnabel die Tinte aus.

Dann schleifen sie den Tintenfisch mit dem Rücken nach unten über den sandigen Meeresboden und reißen damit Haut und Weichgewebe über dem Schulp weg.

Schließlich fällt der freigelegte Schulp heraus, zurück bleibt eine große Portion Tintenfisch-Filet ohne Kalkbrösel und Tintenbeigeschmack.

Pottwale ernähren sich von Tintenfischen. (Foto: Susanne Gugeler)

Tintenfische
(Foto: Susanne Gugeler)

In diesem Fall ist es die bis zu 50 Zentimeter lange und bis zu 10,5 Kilogramm schwere Riesensepia S. apama; dafür lohnt sich der Aufwand sicherlich (Finn et al, 2009).

Stattliche Protein-Portion

In der Mündung des portugiesischen Sado-Flusses jagen Große Tümmler Sepien (Sepia officinalis) und setzen dabei die Wasseroberfläche als Werkbank ein.

Der Kleinwal schnappt sich die Sepia, bringt sie nach oben und schlägt das wehrlose Weichtier gegen die Wasseroberfläche, um es zu töten und den Tintenbeutel zu entleeren. Dann beißt der Wal einfach den Kopf ab.

Den Hinterleib der Sepia mit dem kalkigen Schulp verwirft der Wal als „discard“ (dos Santos und Lacerda, 1987). „Discard“ bezeichnet in der Fischerei die gefangenen Fische, die nicht verwertet werden können und fortgeworfen werden.

Kopf und Armkranz von Sepia officinalis sind immer noch eine stattliche Protein-Portion. Schließlich wird unsere in Atlantik und Nordsee heimische Sepia bis zu 49 Zentimeter lang und bis zu 4 Kilogramm schwer.

Ein gedeckter Tisch für viele Meeresjäger

Zwischen 2007 und 2013 haben die Australier Smith und Sprogis bei Indopazifischen Tümmlern in den Gewässern vor Bunbury noch eine neue, komplexe Fress-Strategie beobachtet: Die Riesensepien kommen zwischen Juli und September zur Paarung in den Spencer Gulf und bilden dann große Versammlungen. Ein gedeckter Tisch für viele Meeresjäger!

Der Delfin schnappt eine Sepia und bringt sie an die Meeresoberfläche. Dann beißt er den Kopf ab und quetscht die Tinte aus.

Delfinschule (Foto: SimSim-Reisen)

Delfinschule (Foto: SimSim-Reisen)

Als nächstes balanciert er den Sepia-Leib auf dem Schnabel und taucht. Mit mehrfachem Öffnen und Schließen der Kiefer entfernt der Wal den Sepialschulp aus dem Mantel, der dann zur Oberfläche auftreibt.

Zuletzt verspeist er den „entschulpten“ Tintenfisch-Leib.

Smith und Sprogis haben dieses Verhalten 17-mal von 15 verschiedenen Individuen gesehen.

Per Photo-ID konnten sie die meisten identifizieren: zwölf erwachsene Weibchen und zwei Männchen.

Das Geschlecht der Tiere war entweder durch genaue Beobachtung – die Genitalregion verrät dem Experten, ob ein Wal männlich oder weiblich ist – oder durch Biopsy-Sampling klar nachgewiesen worden. Nur ein Tier war in ihren Dateien nicht erfasst, sein Geschlecht blieb unbekannt.

Auf der nächsten Seite beschreibt Bettina Wurche weitere Jagdmethoden der Delfine.

4 Kommentare

  1. Eine weitere Jagdmetode fehlt in dem Bericht: Große Tümmler im Flachwasser der Karibik jagen Fische, indem sie auf dem Grund den Schwarm einkreisen und durch gezielte Flossenschläge so viel Schlamm aufwirbeln, dass den Fischen die Kiemen verstopfen. Die Fische springen dann in der Mitte der Brühe aus dem Wasser, wo schon hungrige Delfinschnäbel auf die Mahlzeit warten.

    Diese Jagdmethode hinterlässt am Meeresgrund gut sichtbare Spiralen von 20 – 30 m Durchmesser, deren Herkunft man sich lange nicht erklären konnte – bis eine Delfinschule direkt beobachtet wurde.

    geschrieben von Norbert
  2. Ich meine, mich an einen Bericht erinnern zu können, in dem gesagt wurde, dass es auch Delfine geben soll, welche die Sepias erst schlucken und dann die unverdaulichen Reste wieder hervorwürgen – aber ich hab da meine Zweifel, weil ich nicht sicher bin, ob sich Delfine auf diese Weise überhaupt erbrechen können

    geschrieben von Oliver
    1. Können sie. Orcas in einzelnen Delfinarien machen sogar Jagd auf Seemöven, indem sie den Futterfisch wieder auswürgen um Möven anzulocken, die sie dann fressen.
      Wird von den Tierpflegern aber nicht gerne gesehen …

      geschrieben von Norbert
  3. Toller und interessanter Bericht. Schon klasse, was sich da verschiedene Delfine an
    außergewöhnlichen Jagdstrategien haben einfallen lassen.

    geschrieben von Frank Blache

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