Gastbeitrag von Philipp J. Kroiß/The Huffington Post, 18. Dezember 2016
Das Problem Lipsi
Delfinariengegner planen also nun ihr eigenes Delfinarium auf Lipsi, was sie „dolphin sanctuary“ oder „Refugium“ nennen. Darin wird geplant, einfach nur eine Bucht mit einem Netz abzusperren.
Man will offenbar Tiere aus den europäischen Haltungen dort aufnehmen.
Diese sind genetisch bekanntlich nicht Teil des Habitats, in dem ihr Gehege entstehen soll. Da die übliche Bauweise solcher „bay pens“ aber einen Ausbruch nicht 100%ig verhindern kann, trifft dies nicht wirklich mit den Vorgaben der IUCN überein und die Anlage wäre als naturschutzwidrig abzulehnen. (Eine Genehmigung für eine Auswilderung der Tiere ist aufgrund der genetischen Herkunft dieser ohnehin von vornherein ausgeschlossen.)
Natürlich wäre ein Projekt in Griechenland der EU-Zoorichtlinie unterworfen, was bedeutet, dass die Betreiber gewisse Aufgaben und Pflichten haben.
So wäre es nicht verhaltensgerecht, diese Tiere dauerhaft an der Fortpflanzung zu hindern, weil dies gegen die Natur der Tiere wäre. Und wenn deswegen doch gezüchtet würde, wohin mit dem Nachwuchs?
Auch dieses „Problem“ löst sich nur in einer Kooperation mit anderen Delfinarien – genauso wie die Vermeidung von Inzucht. Delfine haben nämlich – in der Wildbahn – kein Problem damit, Inzest zu begehen. Ohne ein gutes Zuchtmanagement kommt man also nicht zurecht.
Ohne Training können Delfine nicht gesund erhalten werden
Um eine Betriebserlaubnis zu haben und zu erhalten, aber natürlich auch den Tieren zuliebe, sind gewisse medizinische Checks von Nöten. Wenn man die Tiere nicht unnötig stressen will, indem man sie fängt und fixiert, muss man sie trainieren: sogenanntes „medical training“.
Albtraum Tiertransport
Lipsi ist eine Insel mit einer Grundfläche von 17,350 km², auf denen rund 800 Einwohner leben. Es gibt in den Sommermonaten einen nahezu täglichen Fährverkehr und kommerziellen Wasserverkehr. Straßenverkehr gestaltet sich auf der Insel mit Gefährten mit maximal 15 Sitzplätzen. Anbindung an den nationalen Flugverkehr erfolgt über die Flughäfen Kos und Samos, die mit der Fähre zu erreichen sind.
Von Kos aus braucht man dafür knapp zwei Stunden, von Pythagorion (Samos) aus knapp 90 Minuten. Die Anbindung ist also nicht mehr als suboptimal, weil in den Fahrzeiten ja nur die reine Zeit auf der Fähre enthalten ist – freilich ohne Aus- und Beladen, und die Zeit am Flughafen ist auch nicht eingerechnet, genauso wenig wie die Zeit vom Flughafen zur Fähre. Infrastrukturell ist das ein Albtraum für einen Tiertransporter.
Es gibt Probleme mit der Wasserversorgung, Kapazitätsprobleme bei der Abwasserbeseitigung (Preisfrage: Wohin wird das Abwasser auf einer Insel ausgeleitet?) und Probleme bei der teils wilden Abfallentsorgung.
Überfischung durch Schleppnetze
Zudem ist das marine Ökosystem stark belastet: Schleppnetze überfischen die dortigen Bestände, weil wohl oftmals der Mindestabstand zur Küste nicht eingehalten wird. Dadurch sterben viele Jungfische, und die Schwärme werden so ausgedünnt.
Seegraswiesen wurden zerstört und eine Fischfarm hat ihren Betrieb eingestellt.
Woher sollen also die Futterfische kommen? Das ausgebeutete Ökosystem wird sie nicht liefern können – zumindest nicht die für ein solches Projekt erforderlichen Mengen – und das Ankarren wird Unsummen an Geld verschlingen, wenn man ordentliche Ware kaufen möchte.
Unter Natur- und Artenschutzaspekten muss unbedingt auch berücksichtigt werden, dass eine mögliche Eintragung von Krankheitserregern durch Cetaceen aus Delfinarien besonders für die seltene Mittelmeer-Mönchsrobbe, die in der östlichen Ägäis noch einen Verbreitungsschwerpunkt hat, verheerende Folgen haben könnte.
Ein Aspekt mehr, der die Genehmigung einer solchen Anlage an dieser Stelle bei sorgfältiger Prüfung unmöglich machen sollte.
Man hätte es kaum präziser und treffender ausformulieren können, mit welch falschen (bzw. inkompetenten) und teilweise auch verlogenen Argumenten die sogenannten „Tierschutz-Organisationen“ auf Spendenfang gehen.
Auch kann ich mir kaum vorstellen, dass ein solches Projekt finanziell überlebensfähig wäre. Die immer wieder beschworenen „Millionen-Umsätze“ eines ordentlich geführten Delfinariums landen nämlich zu mindestens 95% im Unterhalt der Anlagen und den Gehältern des Personals.Und das setzt bereits eine optimale Vermarktung voraus!
Wer ordentlich Kohle machen will, darf sich sowas nicht ans Bein binden und sollte besser beim Spendensammeln für „Zukunftsprojekte“ bleiben, die nie verwirklicht werden. – Aber das haben diese Organisationen ja offensichtlich bereits bestens verstanden.
Ein herausragender Bericht von Philipp Kroiß, der aufzeigt, dass diejenigen, die solche „Sanctuaries“ vorhaben zu bauen, ahnungslos sind und Tierschutz-Gesetze wohl nie gelesen haben.Sie leben in einem realitätsfernen Esotherik-Raum. Wie Sie dorthin gelangten mag ich hier nicht weiter ausführen.