Heute möchte ich euch auf ein Forschungsverfahren aufmerksam machen, das in Zukunft bestimmt öfter bei Freiland-Delfinen eingesetzt wird.
Es handelt sich um Kameras (sogenannte Biologger), die speziell für kleinere Zahnwale entwickelt wurden. Mit Saugnäpfen werden sie am Rücken der Delfine befestigt und gehen dann mit den Meeressäugern auf eine Unterwasserreise.
Acht mit Kameras ausgestattete Schwarzdelfine, die vor der Küste Neuseelands leben, wurden mit einen Monat lang (Dezember 2015 bis Januar 2016) von Forschern begleitet.
Kameras für größere Wale sind schon länger im Einsatz
Kameras für größere Wale (sogenannte Crittercams, siehe Foto unten) werden bereits seit längerer Zeit erfolgreich eingesetzt. Meeresbiologen gehen davon aus, dass diese Kameras das Leben der Wale in ihrer ursprünglicheren Form wiedergeben als filmende Taucher, die das Verhalten der Tiere möglicherweise beeinflussen.
In Tests (ich gehe davon aus, dass diese in Delfinarien durchgeführt wurden) hat man zuvor herausgefunden, dass sich Delfine von den Kameras auf ihrem Rücken nur wenig beeinflussen lassen.
Aus der Perspektive eines Delfins
Aus dem erhaltenen Videomaterial können soziale und ökologische Parameter abgeleitet werden. Sie beinhalten den Körperzustand, die räumliche Position von Mutter und Kalb, das Kontaktaufnahme- sowie das sexuelle Verhalten, die Geselligkeit, die Beute und den Lebensraumtyp.
Wissenschaftler können auf diese Weise die Welt aus der Perspektive der Delfine sehen. Die Meeressäuger sind zwar gut erforscht, doch ihr Hauptlebensraum – die Unterwasserwelt – bleibt dem menschlichen Auge verborgen. Die Zeit, in der wir Delfine zu Gesicht bekommen, nimmt gerade einmal 10 Prozent ihres Alltags ein.
(Quellen: Marine Biology und scinexx.de)
Delfine werden gelegentlich auch von Schiffshalter-Fischen „befallen“, so dass sich die Tiere wohl kaum von so etwas aus der Ruhe bringen lassen.
Allerdings haben die Schiffshalter (die auch nur auf abfallende Futterbrocken aus sind und ansonsten schlimmstenfalls nerven) kaum einen spürbaren Strömungswiderstand – ganz im Gegensatz zu den annähernd ebenso großen Kameras.
Was mich etwas ratlos zurücklässt: Ein strömungsgünstiges Kameragehäuse wäre nun wirklich keine Aktion gewesen – und hätte die Forschungsergbenisse noch aussagekräftiger gemacht und die Beeinträchtigung der Tiere erheblich verringert.
Nachgerechnet (mit Tabellen der Uni Magdeburg):
Die verwendete Kamera dürfte bei Cw 0,8 – 0,9 liegen, ein vernünftig konstruiertes Gehäuse („Tropfenform“) hätte man leicht auf unter 0,1 bringen können; d.h. die verwendete Kamera hat gut 8 mal so viel Bremswirkung auf den Delfin wie nötig – nämlich rund 10 – 15% seines natürlichen Wasserwiderstandes. Dies hätte man auf knapp 2 – 3% reduzieren können.
Zur Veranschaulichung:
10% mehr oder weniger Kraft ist in etwa der Unterschied, wenn man beim Fahrrad mit oder ohne Dynamo (die alten Dinger, die am Reifen laufen) fährt. Kurzzeitig und allein kein Problem, aber wenn alle anderen mit Batterieleuchte (also ohne die zusätzlichen 10% Kraftaufwand) fahren, fällt man ziemlich bald zurück.
Hallo,
ich hab mal einen Bericht gesehen, in dem es u.a. um Delfine ging, die von Schiffshalter-Fischen befallen waren. Ich denke, das stört schwimmtechnisch mindestens ebenso sehr. Jedenfalls versuchen Delfine, diese schnell wieder los zu werden:
https://www.youtube.com/watch?v=bEd7EUuKkQY
Aber eine andere Frage ist mir gekommen:
Wie macht man es, dass die Saugnäpfe halten? Bei mir zu Hause fallen die meist recht leicht ab. Ich könnte mir auch vorstellen, dass das auch der empfindlichen Delfinhaut auf Dauer nicht allzu gut tut. WIe lange bleiben die Kameras denn an den Delfinen?
Die Delfinhaut ist relativ fest (wie dickes Leder), ganz glatt und von einer dünnen Schleimschicht bedeckt – also perfekte Bedingungen für Saugnäpfe, da die Schleimschicht den Saugnapf zusätzlich abdichtet.
Soweit ich weiß, kann so ein Saugnapf mehrer Tage an einem Delfin haften bleiben – falls er ihn nicht abscheuert, oder sich von einem Artgenossen abpflücken lässt.
Hallo Norbert,
ich vermute eher, dass die Kameras deutlich kürzer haften bleiben, weil sich die Haut von Delfinen ja alle 2 bs 3 Stunden „erneuert“. Ich könnte mir vorstellen, dass mit dem Ablösen der Hautzellen beim „peeling“ auch die Kamera nach einigen Stunden von selbst abfällt.
Bin Anfang März auf dem diesjährigen EAAM-Symposium – da kann ich ja mal jemanden fragen, der sich mit sowas auskennt ;-)
Schiffshalter stören zwar wohl weniger beim Schwimmen, aber ihre Saugplatte ist nach meiner Info ziemlich heftig. Als Taucher bekommt man jedenfalls einen ordentlichen Knutschfleck als Andenken mit nach hause, wenn sich so ein Viech auf den nackten Rücken setzt (und nicht auf die Flasche) – ein Grund mehr, auch bei 30°C Wassertemperatur wenigstens einen Nesselschutzanzug zu tragen.
Das Problem dürfte sein, dass die Kameras nicht unerheblich den Wasserwiderstand und damit den Energieverbrauch der Tiere beeinflussen – bei einem Cw-Wert von unter 0,03 (was so ein normaler Delfin hat) ist schon eine kaum mehr als Lippenstift-große Kamera sehr deutlich zu spüren.
Eine entsprechende Forschungspanne wurde erst vor wenigen Jahren bei der Erforschung von Pinguinen aufgedeckt: Die gerade mal Kabelbinder-großen Ringe um die Vorderflossen (Ringe um die Beine geht bei Pinguinen nicht) haben die Tiere im Wasser so stark eingebremst, dass die Ergebnisse von einem bedrohlich schnell und stark sinkenden Bestand ausgingen – was allerdings Zählungen der Kolonien aus der Luft widersprach.
Beim Vergleich mit RFID-Chip-markierten Tieren stellte sich dann heraus, dass genau die beringten Tiere einen Populationsrückgang erlitten, da sie bis zu 30% weniger Jagderfolg (und fast 40% schlechteren Aufzuchterfolg) hatten, als jene Tiere, die nur den Reiskorn-großen Chip unter der Haut tragen.
Von daher sind die Erkenntnisse der Kamera-tragenden Tiere mit sehr viel Vorsicht zu genießen – zumal die Kamera-Delfine u.U. die ganze Schule einbremsen oder gar ihre Artgenossen beeinflussen („Ist der krank, oder warum ist der so langsam?“).
Zudem frage ich mich, warum man die Kameras nicht deutlich strömungsgünstiger gebaut hat. Luftfahrt-Ingenieure (bei denen Strömungsberechnung und -simulation zum täglichen Brot gehört) hätten da sicher gerne weitergeholfen.
Die gezeigten Kameras sind jedenfalls echt heftige Delfin-Bremsen (ganz grob geschätzt: 10 – 25% erhöhter Kraftaufwand beim Schwimmen). :-(
Vielen Dank für deinen Beitrag, Norbert!
Da die Kameras zuerst einmal an Delfinen getestet wurden, sind die Forscher wahrscheinlich davon ausgegangen, dass sie das Leben der Artgenossen wenig beeinträchtigen. Aber du hast schon recht, jeder Eingriff in das Leben eines Tieres ist nun mal ein Eingriff, der wahrscheinlich nicht 1:1 das natürliche Verhalten zeigt.
Das, was du über die Pinguine geschrieben hast, ist schon heftig!