Meeresakrobaten, 3. April 2017
Der Geschäftsführer des Calgary Zoos (West-Kanada) Dr. Clement Lanthier hat sich Gedanken gemacht über unsere Beziehung zur Wildnis, in der immer weniger Tiere anzutreffen sind, und zu Zoos, die immer mehr zum Refugium für seltene Arten werden.
Ich habe Teile seines Artikels, der im Calgary Herald erschienen ist, übersetzt und mit eigenen Gedanken ergänzt.
Kanada wird 150
Lanthier stellt sich die Frage, was in 150 Jahren mit den Tieren Kanadas sein wird. Anlass für seine Überlegung ist der 150. Jahrestag von Kanadas Staatsgründung.
Die Kanadier seien stolz auf Kanadas Wildnis, sagt Lanthier. Aber sie wären wahrscheinlich nicht mehr so stolz, wenn sie wüssten, dass 248 Arten auf der Roten Liste stehen. Diese sind vom Aussterben bedroht wie viele andere Tier- und Pflanzenarten auf der ganzen Welt.
Allein in den letzten 40 Jahren seien 60 Prozent der Wirbeltiere verschwunden, mahnt Lanthier. Im gleichen Zeitraum wurden 80 Prozent der Biomasse im Meer durch Überfischung vernichtet.
Laute und leise Stimmen für die Tiere
Wenn ein Delfin in einem Delfinarium stirbt, ist das Entsetzen groß und man vernimmt lauten Protest. Wenn eine ganze Tierart verschwindet, bleibt es ganz still …
Dieses Phänomen lässt sich auf beliebige Tiere übertragen. Denken wir nur mal an den bekannten Löwen Cecil aus Simbabwe, der vor ein paar Jahren erschossen wurde. Nachdem die Schlagzeilen verblasst sind, verblasste auch das Interesse an Löwen in Afrika. Dabei war Cecil nur ein Löwe von 15.000 Raubkatzen, die in den vergangenen 20 Jahren getötet wurden.
Zoos betreiben Artenschutz
Und wie sieht es mit dem Vancouver Aquarium aus? Im Beitrag Aus für Vancouver Aquarium? hat sich ja bereits Philipp J. Kroiß Gedanken darüber gemacht, was ein Verbot der Delfinhaltung für die wilden Artgenossen im Meer bedeuten würde.
Werden diejenigen, die ihre Plakate gegen die Delfinhaltung schwenken, ein ähnlich großes Engagement für den Schutz von Walen und Delfinen in den Ozeanen aufbringen?
Wahrscheinlich nicht. Es sind nämlich die Zoos und Aquarien, die sich vorrangig um Artenschutzprojekte kümmern und diese mit ihrem Know-how unterstützen.
Zoologische Einrichtungen ergreifen echte Maßnahmen, um Arten durch Feldstudien, Zucht- und Freisetzungsinitiativen, Rettungsprogramme und öffentliche Engagement-Kampagnen zu retten.
Der Calgary Zoo hat zum Beispiel sieben Großprojekte, die gefährdete Arten wieder in ihre Lebensräume in Westkanada zurückführen.
Es gibt eine wachsende Liste von Arten, die in der Wildnis heute wegen der großen Anstrengungen und Beiträge von Zoos und Aquarien überleben.
Immer mehr Tierarten verschwinden
In einer perfekten Welt würden wir keine Zoos benötigen, meint Lanthier. Da aber immer mehr Tierarten verschwinden und die Lebensräume der Tiere von Jahr zu Jahr weiter schrumpfen, dienen die Zoos als eine Art Zufluchtstätte für viele Tiere. Das ist natürlich nur möglich, wenn die Zoos die höchsten Standards erfüllen.
Die Zoos sind nicht nur dazu da, Menschen in ihrer Freizeit zu erfreuen und sie über verschiedene Tierarten zu unterrichten, sondern sie beziehen ihre Besucher auch in wichtige Schutzmaßnahmen für die Umwelt mit ein. Man denke da nur an die Müll-Aufräum-Veranstaltungen, die von den Zoos initiiert werden.
Belugas müssen geschützt werden, bevor es zu spät ist
Nun die Zahnwalhaltung in Kanada zu verbieten, nützt der Natur nichts, appelliert Lanthier an die Gegner von Delfinarien. Mit der Beendigung würden nämlich auch Wissenschaft und Bildung eingestellt.
Das Vancouver Aquarium ist Ende 2016 in die Schlagzeilen geraten, als die beiden letzten dort gehaltenen Belugas auf mysteriöse Weise gestoben sind.
Das 30-jährige Beluga-Weibchen Aurora lebte seit 1990 im Vancouver Aquarium. Ihre Tochter Qila wurde 1995 im Aquarium geboren.
Doch laut Lanthier ist es wichtig, Belugas in menschlicher Obhut zu halten. Denn auch diese Walart kämpft in der kanadischen Arktis ums Überleben. Die globale Erwärmung macht den Tieren sehr zu schaffen. Außerdem ist der erwartete erhöhte Schiffsverkehr in diesem Gebiet nicht zum Vorteil für die weißen „Kanarienvögel der Meere“(wie die Belugas auch genannt werden).
„Wir brauchen die Belugas in Einrichtungen wie dem Vancouver Aquarium, um ihre Geschichten zu erzählen und sicherzustellen, dass sie nicht wie so viele andere Arten vergessen werden, bevor es zu spät ist“, gibt Lanthier zu bedenken.
„Wenn Kanada sein 200-jähriges Jubiläum feiern wird“, so Lanthier weiter, „lässt uns das hoffen, dass es immer noch die erstaunliche Vielfalt an wild lebenden Tieren geben wird, die uns in den ersten 150 Jahren Kanadas so stolz gemacht haben.“
(Quelle: Lanthier: Sadly, zoos and aquariums are becoming some animals‘ last refuge)
Übrigens: Seit 21 Jahren verzichtet das Vancouver Aquarium auf Wildfänge. Es werden hier ausschließlich Tiere gehalten, die aus anderen Delfinarien stammen oder gestrandet sind und nicht wieder ausgewildert werden konnten.
Ob ein gerettetes und medizinisch versorgtes Tier in der Lage ist, sich wieder alleine im Meer zurechtzufinden oder weiter im Aquarium versorgt wird, entscheidet stets eine staatliche Behörde.
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