Gastbeitrag von Oliver Schmid, 29. Mai 2017
Herzlichen Dank an Oliver für diesen sehr informativen Bericht aus Island!
Ich war vorige Woche im Urlaub in Island und habe dort u.a. eine Walbeobachtung mitgemacht. Ich möchte euch etwas daran teilhaben lassen und euch bei dieser Gelegenheit auch etwas über den aktuellen Stand des Walfangs in Island berichten.
Walbeobachter und Walfänger in unmittelbarer Nachbarschaft
Wenn man am Hafen von Reykjavik am Pier entlangläuft, zählt man gleich vier große Anbieter von Whale-Watching-Touren, die um die Gunst der Besucher buhlen.
Obwohl die Anbieter einerseits untereinander im Wettbewerb stehen, haben sie eines gemeinsam: sie haben erkannt, dass ein lebender Wal oder ein Delfin, den man immer wieder beobachten kann, viel mehr wert ist als ein totes Tier – und dass der gemeinsame „Gegner“ ganz am Ende der Beobachtungsschiffe im Hafen angelegt hat. Dort liegen zwei Walfangschiffe im Wasser.
Kontroverse Einstellung der Isländer
Was für ein Kontrast: die einen – die mittlerweile deutlich in der Überzahl sind – haben großes Interesse daran, dass es den Meeressäugern in der Bucht von Faxafloi gut geht, und die anderen töten nach wie vor diese Tiere.
Im Schnitt bucht jeder fünfte Island-Besucher eine Whale-Watching-Tour. Allein 2016 nahmen in Island 272.000 Menschen an einer Walbeobachtung teil. Rechnet man, dass eine Tour in etwa 100 Euro kostet, so sieht man, dass dies durchaus ein wirtschaftlicher Faktor ist.
Anbieter verpflichten sich dem „Code of Conduct“
Zum einen ist es ja erfreulich, wenn sich so viele Menschen für die Meeressäuger interessieren, zum anderen birgt das aber auch die Gefahr, dass die Tiere laufend von den Ausflugsschiffen belagert werden.
Die Anbieter haben sich in einem „Code of Conduct“ zur Einhaltung von Mindeststandards verpflichtet, um die Tiere trotz des wachsenden Touristenstroms nicht übermäßig zu stören. Darin ist geregelt, wann die Geschwindigkeit der Schiffe zu drosseln ist, wie viele Schiffe sich gleichzeitig in der Nähe der Wale aufhalten dürfen und wie lange diese bei den Tieren bleiben dürfen.
So sind die Kapitäne beispielsweise angehalten, sich den Walen nur seitlich langsam zu nähern und parallel zu diesen zu schwimmen. Sie stehen auch untereinander über Funk in Kontakt und sprechen sich ab, wer wo hin fährt.
Natürlich muss man immer einen Kompromiss finden: einerseits wollen die Touristen möglichst nahe heran, um die Tiere besser beobachten zu können, andererseits gilt es, die Bedürfnisse der Tiere zu achten und sie nicht übermäßigem Stress auszusetzen. Dies funktioniert jedoch ganz gut und stößt auf Verständnis bei den Touristen, wenn man dies gleich am Anfang erklärt.
Für jede Tour wird ein Baum gespendet
Manche Anbieter gehen noch weiter und versprechen beispielsweise eine CO2-neutrale Tour oder dass sie für jede Tour einen Baum für das Aufforstungsprogramm spenden.
Besonders stolz sind die Anbieter, die hierfür mit der „Blue Flag“ ausgezeichnet wurden. Dieses Gütezeichen erhalten die Organisationen, die sich durch ihren hohen Standard im nachhaltigen Tourismus hervortun, wobei auch Kriterien wie Umweltbildung und Umweltmanagement eine Rolle spielen.
Auch bei unserer Fahrt wurden uns auf Englisch und auf Deutsch biologische Sachverhalte zu den einzelnen Arten erklärt und auf die Zeichen hingewiesen, die auf die Anwesenheit von Walen und Delfinen hindeuten.
Touren dienen der Wissenschaft
Besonders spannend finde ich, dass die Walbeobachtungstouren nicht nur einen kommerziellen Aspekt haben, sondern auch der Wissenschaft dienen.
Erwähnenswert ist hier u.a. die Zusammenarbeit mit der Universität Reykjavik. Hier werden die Sichtungen während der Touren im Rahmen des Faxafloi-Cetacean-Research-Projekts erfasst und ausgewertet, um mehr über Häufigkeit, Aufenthaltsorte, Sozialstruktur, Gesundheitszustand und Verhalten der Wale und Delfine zu erfahren.
So wurden in den vergangenen Jahren durch Foto-Identifikation 400 Zwergwale, 300 Weißschnauzendelfine, 50 Buckelwale und 8 Orcas erfasst.
Sichtungen sind Glückssache
Doch was sieht der Laie auf solch einer Tour? Nun, das ist Glückssache. Man darf natürlich nicht erwarten, dass gleich ein mächtiger Blauwal seine riesige Fluke zeigt oder vor einem ein Orca aus dem Wasser springt, auch wenn das manche Prospekte suggerieren.
Wir haben hauptsächlich Weißschnauzendelfine gesehen, von denen einige sogar kurze Zeit in der Bugwelle mitgeritten sind.
Auch ein Zwergwal tauchte ganz in der Nähe auf. Leider hab ich den verpasst, denn als der Wal-Experte „Mink Whale – three o’clock!“ gerufen hat, war ich gerade auf der anderen Seite bei „9 o’clock“ und bis ich drüben war, war der Wal schon wieder untergetaucht.
Fotos sind eher Glückstreffer. Dennoch ist solch eine Tour ein tolles Erlebnis! Der Anbieter, mit dem ich unterwegs war, dokumentiert seine Sichtungen übrigens in einem Tagebuch-Blog.
Und wenn man dann doch noch nicht genug Wale & Delfine gesehen hat? Nun, für diesen Fall bieten einige Whale-Watching-Unternehmen inzwischen ein Kombiticket an, mit dem man anschließend noch das Walmuseum „Whales of Iceland“ besuchen kann.
Whales of Iceland
Dieses Museum ist ein absolutes Highlight. Es gibt lebensgroße (!) Modelle von 23 verschiedenen Wal- und Delfinarten, angefangen vom kleinen Schweinswal bis zum riesigen Blauwal – dazu einige Skelette und andere Objekte zum (Be-)Greifen der Meeressäuger.
Viele interaktive Multi-Media-Angebote mit Touchscreen laden zu Aktionen ein. Durch die Beleuchtung und die Geräusche fühlt man sich wirklich in den Ozean versetzt und ich wäre gerne noch länger drin geblieben. Leider wurde das Museum um 17 Uhr geschlossen.
Meet us, don’t eat us!
Ihr seht, das Interesse an den Tieren ist in Island sehr groß. Und doch werden diese fantastischen Tiere dort nach wie vor gejagt. Wie passt das zusammen und wie sehen die Isländer und die Touristen diese Problematik?
Bemerkenswert ist eine Kampagne, die das IFAW (International Fund for Animal Welfare) zusammen mit der Isländischen Vereinigung der Walbeobachter (IceWhale) ins Leben gerufen hat. Unter dem Motto „Meet us, don’t eat us!“ (Besucht uns, aber esst uns nicht!) sollen die Touristen dazu aufgerufen werden, bei einer Walbeobachtung teilzunehmen, aber auf den (zweifelhaften) Genuss von Walfleisch zu verzichten.
In Umfragen hat man nämlich festgestellt, dass es oft gar nicht die Isländer selbst sind, die Walfleisch essen, sondern Touristen, die die „exotische Delikatesse“ im Urlaub mal probieren wollen. Von den Isländern essen nämlich laut einer Umfrage mehr als 80% nie Walfleisch und lediglich 1,5% gaben an, regelmäßig (öfter als 6x im Jahr) Walfleisch zu essen.
Deshalb wurde direkt am Hafen ein Informationszentrum eröffnet und in jeder Saison helfen viele Freiwillige aus mehreren Ländern mit, die Touristen aufzuklären und sie darum zu bitten, kein Walfleisch zu essen.
„Walfreundliche“ Restaurants
Zugleich werden Restaurants als „walfreundlich“ eingestuft, wenn sie Walfleisch von der Speisekarte verbannen.
Die Zahlen sprechen für den Erfolg: Seit dem Start der Aufklärungsaktion ist der Konsum von Walfleisch durch Touristen um 50% zurückgegangen und mehr als 70 Restaurants haben sich der Aktion angeschlossen und weisen darauf hin, dass sie kein Walfleisch (mehr?) anbieten.
Jagd auf Zwerg- und Finnwale
In Island dürfen derzeit Zwergwale und Finnwale gejagt werden.
Dennoch wurde 2016 und 2017 auf die Jagd auf Finnwale verzichtet, da sich deren Fang nicht mehr lohnt.
Auch die zulässige Quote für die Zwergwale (Mink Whales) wurde aufgrund der gesunkenen Nachfrage nicht mehr voll ausgeschöpft. Und von den getöteten Zwergwalen landen 80% im Abfall, weil immer weniger Leute Walfleisch essen wollen.
Ein Beweis dafür, dass Touristen durch ihr Verhalten durchaus etwas bewirken können.
Wollen Walfänger „das Gesicht wahren“?
Ich hatte bei meinen Gesprächen teilweise den Eindruck, dass es den verbliebenen Walfängern teilweise mehr um das Prinzip geht: sie bestehen auf ihr Recht, Wale jagen zu dürfen, auch wenn sie im Grunde ebenfalls wissen, dass sich die Arbeit nicht mehr lohnt und sie für ihr Tun von vielen Leuten angefeindet werden. Ich denke, es geht dabei auch darum, das Gesicht zu wahren: „Wir entscheiden selbst, ob und wann wir mit dem Walfang aufhören!“
Deshalb ist trotz der Erfolge zum Schutz der Wale in Island noch viel Arbeit notwendig.
Das nächste Ziel der Walschützer und Whale-Watching-Anbieter ist es, den Walfang in der Faxafloi-Bucht bei Reykjavik ganz verbieten zu lassen. Denn jeder Wal, der dort getötet wird, kann nicht mehr beobachtet werden. Ein toter Wal ist schlecht fürs Geschäft der Walbeobachter und außerdem belastet der Walfang den ansonsten guten Ruf Islands als Reiseziel – darin sind sich alle Anbieter einig und auch der Stadtrat von Reykjavik steht inzwischen ebenfalls hinter diesem Vorhaben und hat eine entsprechende Resolution an das Fischereiministerium verfasst.
In einer Petition des IFAW wurden bereits mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt. Wer ebenfalls mitzeichnen möchte und zugleich verspricht, kein Walfleisch zu essen, kann dies hier tun.
Ich wünsche den Initiatoren jedenfalls viel Erfolg bei dem großen Ziel, den Walfang in Island ganz abzuschaffen, und bedanke mich bei Herrn Sigursteinn Másson für die Informationen über die Tätigkeit des IFAW und der anderen Organisationen.
Nachtrag vom 16. Juni 2021: Laut IFAW (International Fund for Animal Welfare) hatten 2020 die Zwergwalfänger eingesehen, dass sich Walfang nicht lohnt und ihr Geschäft aufgegeben.
Ein sehr interessanter Bericht, Oliver.
Zu der „Blue Flag“-Kennung möchte ich etwas anmerken: Ich hatte 2014 auch ein Boot mit der „Blue Flag“-Kennung gewählt, weil bekannt ist, dass solche Boote eben professionell mit dem Whalewatching umgehen. Das hinderte einen angeblichen Tierschützer aber nicht, auf seiner Homepage zu behaupten, ich sei mit einem Unternehmen unterwegs gewesen, das eindeutig gegen die Richtlinien von Whale-Watching-Touren zum Schutz der Wale verstoße. Manche sind so verbohrt, die wollen einfach nicht sehen. Das finde ich schade, sehr, sehr schade.
Hallo Rüdiger,
laut Wikipedia wird die „Blaue Flagge“ immer nur für eine Saison vergeben und muss dann erneuert werden. Zudem gibt es immer wieder Kontrollen. Ich denke, das spricht allein schon für die hohe Qualität; es ist nicht einfach ein „08/15-Siegel“ sondern eine Auszeichnung, die man sich verdienen muss. Zudem ist die Zertifizierung ja auch kostenpflichtig – ich habe was von einem 5-stelligen Eurobetrag gelesen.
Auch die Einhaltung des „Code of Conduct“ wird sehr ernst genommen. Die großen Anbieter in Reykjavik (neben „Special Tours“ u.a. „Elding“ und „Whale Safari“) weisen in ihren Flyern deutlich auf diese Verhaltensregeln hin. Einige Anbieter (z.B. „Gentle Giants“ oder „North Sailing“ in Husavik) schreiben sogar explizit in ihren Broschüren, man solle als Gast sofort die Crew darauf ansprechen, wenn man den Eindruck hätte, dass bei einer Walbeobachtung gegen diese Regeln verstoßen wurde und dies ggf. auch an die Zentrale melden.