Meeresakrobaten, 29. Januar 2018
Der Biologe und MEERESAKROBATEN-Autor Benjamin Schulz beschreibt in der aktuellen Ausgabe des TAUCHEN-Magazins, wie er sich das Delfinarium der Zukunft vorstellt.
Im Folgenden möchte ich hier eine kurze Zusammenfassung von Benjamins Beitrag geben, welche selbstverständlich nicht alle Aspekte des Artikels wiedergeben kann.
Fortpflanzungsstopp wäre Tierquälerei
In seinem Artikel macht Benjamin deutlich, dass die Forderungen von Delfinariengegnern den in menschlicher Obhut gehaltenen Tieren in keinster Weise gerecht werden.
Der Biologe erklärt, dass zum Beispiel ein Fortpflanzungsstopp, für den die Aktivisten ja schon lange plädieren, den Tieren großes Leid zufügen würde. Denn Fortpflanzung gehört nun mal zu den elementarsten Bedürfnissen in der Tierwelt.
Andererseits gibt Benjamin klar zu verstehen, dass er Delfinarien nur verteidige, wenn die Vorwürfe gegen sie unhaltbar sind und Kampagnen auf persönlicher Demütigung beruhen.
Seiner Meinung nach gilt die Auseinandersetzung von einigen Organisationen mit zoologischen Anlagen ausschließlich dazu, gegen diese zu gewinnen. Um das Tierwohl geht es den extremen Aktivisten dabei weniger.
Sowohl Befürworter als auch Gegner der Delfinhaltung reden – nach Benjamins Beobachtung – ständig aneinander vorbei. Es sind zwar beide Gruppen für bessere Lebensbedingungen, doch ihre Wunschvorstellungen sind oft nicht realisierbar.
Mehr Aufklärung tut not
Benjamin wünscht sich von den Delfinarienbetreibern, dass in deren Einrichtungen mehr über Delfinarien in fremden Ländern aufgeklärt wird, in denen der Tierschutzgedanke einen viel geringeren Stellenwert einnimmt als in Deutschland.
Es könne nicht nur um das Tierwohl der eigenen Haltungen gehen, sondern das Publikum müsse über Verfehlungen im Umgang mit Delfinen weltweit informiert werden. Sonst ist nicht auszuschließen, dass sich Besucher eines deutschen Zoos in einem asiatischen Urlaubsland womöglich darauf einlassen, in ein fragwürdiges Delfinarium zu gehen oder an einem Schwimmen-mit-Delfinen-Programm teilzunehmen.
Und in solch einem Fall könne man nicht sicher sein, ob die Tiere dort nicht aus der äußerst brutalen Delfin-Treibjagd in Taiji stammen – die bestimmt kein Tierfreund unterstützen will.
Nicht überall auf der Welt hat man das Glück – wie zum Beispiel in Europa oder den USA – einen großen Nachzuchterfolg zu haben, sodass auf Wildfänge gänzlich verzichtet werden kann. In China, Japan und anderen asiatischen Ländern greift man immer noch auf aktuell gefangene Tiere zurück, weil die Nachzucht nicht klappt oder weil immer mehr Einrichtungen entstehen.
Meeresgehege müssen viele Bedingungen erfüllen
Die Delfinhaltung von morgen sieht der Biologe in Meeresgehegen. Im Gegensatz zu Organisationen, die für betreute Meeresgehege an nicht genehmigten Orten Werbung machen und Spendengelder einziehen, haben – laut Benjamin – zoologische Einrichtungen schon viele Meeresgehege für Delfine geschaffen, die zum einen legal sind und zum anderen gut funktionieren.
Doch ein optimal geplantes Meeresgehege muss viele Bedingungen erfüllen.
- Das Meeresgebiet darf nicht artfremd sein. Einen Delfin, dessen Eltern aus kubanischen Gewässern stammen, beispielsweise im Roten Meer anzusiedeln, ist aus Artenschutzgründen nicht zu vertreten und außerdem illegal.
- Tierschützer tun sich selbst keinen Gefallen, wenn sie sich für ihre Auswilderungspläne ferne Länder aussuchen, in denen es nur eine unzureichende Gesetzgebung in Sachen Tierschutz gibt.
- Das Projekt muss finanzierbar werden durch die Nutzung der Tiere für die Öffentlichkeit. Sonst ist es zum Scheitern verurteilt, denn die Haltung von Delfinen ist sehr kostenintensiv. Die Spendengelder von Organisationen mögen noch für den Bau eines Geheges ausreichen, aber nicht für den Betrieb über Jahrzehnte, wenn kein Geld durch interessierte Besucher einfließt.
- Das infrage kommende Areal muss sowohl flache als auch tiefe Stellen bieten und gegen Stürme geschützt sein.
- Das Wasser darf nicht durch Umweltgifte verschmutzt sein.
- Es muss einen nicht zu weit entfernten Anschluss an einen Flughafen geben, damit die Delfine nicht durch einen lange dauernden Transport unnötig strapaziert werden.
- Es müssen Tierärzte, Biologen, Trainer, Ökologen und Techniker vor Ort sein, damit die Tiere bestens versorgt werden können.
- Es muss gewährleistet sein, dass die Delfine tiefgekühlten Fisch bekommen, der auf kürzestem Weg an ihr Refugium gebracht werden kann und, und, und …
Dass derartig umfangreiche und spezielle Anforderungen sehr viel Geld kosten und logistisches Know-how benötigen, ist selbstverständlich.
Nicht haltbare Behauptungen von Delfinariengegnern
Dass Delfine in menschlicher Obhut leiden, wie das Delfinariengegner immer und immer wieder behaupten, konnte Benjamin noch nie feststellen. Immerhin steht er seit vielen Jahren in unmittelbarem Kontakt zu Delfinen und konnte dabei viele Erfahrungen sammeln.
Den Delfinarien wird von Aktivisten außerdem angekreidet, dass die Tiere dort mit Antibiotika und Antimykortika (Mittel gegen Pilzbefall) behandelt würden. Das ist – laut Benjamin – auch wahr.
Doch die Kampagnen der Delfinariengegner wertet er als unfair. Es gibt nur ganz wenige medizinische Befunde von wild lebenden Delfinen, die zum Vergleich herangezogen werden müssten, um sagen zu können, ob die Befunde in Delfinarien ähnlich sind wie im Meer.
Außerdem deuten die Daten, die von im Meer lebenden Delfinen gewonnen wurden, darauf hin, dass es den Artgenossen im Ozean wegen steigender Umweltverschmutzung und Überfischung schlechter geht als den Delfinen in zoologischen Anlagen.
Solange vergleichbare Daten fehlen, kann man weder vereinzelte Erkrankungen von Tieren noch deren dann folgende medizinische Behandlung kritisieren. Einem kranken Tier muss nun mal geholfen werden. Das müssten eigentlich auch Delfinariengegner akzeptieren.
Harderwijk setzt auf Meerwasser
Als gut funktionierende Einrichtung – an der sich andere Delfinarien orientieren könnten – hat Benjamin die Anlage in Harderwijk/Niederlande kennengelernt. Dort werden zahlreiche Große Tümmler unter freiem Himmel und in Meerwasser gehalten. Die Aufzuchtquote ist sehr gut, lässt uns Benjamin wissen.
Fazit
Benjamin Schulz: „Betreute Meeresbuchten mit verantwortungsvollem Zuchtmanagement und auf Bildung und Forschung fokussierte öffentliche Präsentationen der Tiere, das wäre genau der Ansatz, den die Delfine wirklich brauchen.“ (Zitat aus TAUCHEN, 2/2018, Seite 85)
Mehr zu Benjamins Überlegungen zum Thema „Delfinarien der Zukunft“ erfahrt ihr in TAUCHEN/Februar 2018.
Nachdem in Frankreich endlich das unsägliche Nachzuchtverbot aufgehoben wurde (bzw. als ungültig erklärt wurde), hat das Projekt mit den Meeresbuchten ja auch wieder Aussicht auf Erfolg. Tatsache ist eben auch, dass die Delfinzucht in Europa inzwischen so erfolgreich ist, dass dringend zusätzlicher Platz gebraucht wird.
Und nachdem Frankreich nun wieder „im Rennen“ ist, wünsche ich Benjamin mit seinen Projekten viel Erfolg.
Auch wenn man am Ende wahrscheinlich nicht umhin kommen wird, die Fortpflanzung ein wenig einzubremsen. Aber da vertraue ich voll auf die EAZA und die EAAM, die dieses Thema schon seit Jahren sehr verantwortungsvoll diskutieren und handhaben.
Die Zucht ist ja schon zurückgefahren, in Realtion zu den letzten zehn Jahren. (Hab in den letzten Tagen die Daten für den Jahresüberblick 2017 zusammengestellt. Wenn mir nichts dazwischen kommt, mach ich den über Karneval fertig.)
Wenn man die Alterstruktur im Bestand betrachtet, macht eine Zuchtbegrebzung jetzt überhaupt nichts aus, weil der größte Teil der Tiere so jung ist, dass noch auf Jahre hin eine breite Basis vorhanden ist. Das EEP macht einen sehr guten Job, denke ich.
Hallo zusammen,
ich habe mir das Heft auch zugelegt und den Artikel gelesen. Gerade den Aspekt der Aufklärung über andere Delfinarien finde ich besonders spannend. Denn oft werden – gerade von Gegnern der Delfinhaltung – alle Delfinarien in einen Topf geworfen und es wird nicht differenziert. Mir ist die Trennung zwischen „Delfinarienbefürwortern“ und „Delfinariengegnern“ viel zu plakativ. Ich selbst kann mich keiner der beiden Gruppen zuordnen, für mich gilt eher: „Zeige mir, wie Du Deine Delfine (oder andere Tiere) hältst und ich sage Dir, ob ich diese Art der Haltung befürworte“
Ich gebe Benjamin vollkommen recht, wenn er im Artikel schreibt, dass hier auch unsere Zoos und Tiergärten mehr aufklären müssten. Den Besuchern muss ein einfaches Merkmal an die Hand gegeben werden, anhand dessen sie erkennen können, ob der Zoo, dem sie potentiell einen Besuch abstatten wollen, gewisse Mindeststandards der Tierhaltung einhält. Glücklicherweise gibt es solche Kennzeichen. Als ich in Singapur das dortige Aquarium besuchen wollte, hat mir die Info, dass diese Einrichtung Mitglied im EAAM ist, die Einordnung der Anlage bezüglich der Tierhaltung sehr erleichtert, da ich weiß, dass die EAAM nur Mitglieder aufnimmt, die bestimmte Standards einhält. So, wie die Besucher z.B. in Nürnberg beispielsweise auf das MSC-Siegel hingewiesen werden, sollte man auch auf solche Logos hinweisen, anhand derer die Besucher einen Zoo auf den ersten Blick zumindest grob einschätzen können, was die Haltungsbedingungen seiner Bewohner angeht.
Das mit dem Hinweis auf die EAAM ist ein gute Tipp, Oliver!
Meine Einschätzung, zumindest aus der hiesigen lokalen Perspektive ist, dass die Zoos sich selbst viel zu wenige verkaufen, nicht nur in diesem Aspekt. Hier scheint jahrzehntelang die Haltung vorgeherrscht zu haben „Die Leute kennen uns doch, die wissen doch, was ein Zoo ist und was wir bieten.“ Wie falsch man damit liegt, zeigt sich nicht nur in den Besucherzahlenl, sondern auch an z.T. total realitätsfernen Vorstellungen, die beim breiten Publikum über so ziemlich jeden Aspekt zur Zootierhaltung vorliegen. Von der Unterscheiden zwischen guter und und schlechter Tierhaltung reden wir da noch garnicht. Aber so langsam beginnt man hier aufzuwachen.
Nun ist Harderwijk ja genau das nicht: Ein Meeresgehege, sondern ein künstlich angelegter See, der mit echtem Meerwasser befüllt ist, weil die Zuidezee praktischerweise direkt nebenan ist.
Aber soweit die Erkenntnisse bisher liegen, steht künstlich hergestelltes, bilogisch aufbereitetes Meerwasser dem in nichts nach. Was mich dann zu der Folgerung führt, dass eine Anlage wie in Harderwijk auch im Binnenland möglich sein kann.