Berichte, Biologen-Blog

Der böse Wolf und die heilige Kuh


Themen:

Biologen-Blog von Benjamin Schulz, Teil 22
8. Januar 2018

Rind
(Foto; Susanne Gugeler)

Die Natur zeigt uns, was Tiere wirklich brauchen

Es ist eigentlich eine Schande, dass es die Menschheit in ihrer Gesamtheit und trotz ihrer anderweitig so technologisch und ethischen Fortentwicklung immer noch nicht geschafft hat, Tiere wirklich objektiv zu betrachten, ihre Lebensräume zu schützen und ihre Bedürfnisse zu respektieren.

Dabei ist es doch so einfach: die Natur zeigt uns dank empirischer Daten und anhand wissenschaftlicher Untersuchungen, was Tiere wirklich wollen und brauchen: die Existenz an sich und der Fortbestand der Art sowie der eigenen Gene sind der Antrieb jedes Lebewesens.

Einzig der Mensch hat sich von diesem Muster mehr oder weniger losgelöst, und genau hier liegt das Problem: Wir leben nicht mehr im Einklang mit der Natur und diese Einstellung wollen wir auch den Tieren noch aufzwingen.

Früher hat es mal gereicht, ein Mammut zu erlegen, damit ein ganzer Stamm über den Winter kam. Heute werden Elefanten von Leuten erschossen, die zwar gerne behaupten, sie würden nur die Natur verehren, aber in Wahrheit sind es Abkömmlinge von Urzeitformen, denen die Jagd zu sehr in den Kopf gestiegen ist und dort zum Sinn des Lebens selbst geworden ist. Der Nervenkitzel hat hier die eigentliche Notwendigkeit klar verdrängt. Man tötet zum Vergnügen, nicht mehr zum Selbsterhalt.

Elefanten in der Serengeti
(Foto: Rüdiger Hengl)

Die elementarsten Bedürfnisse werden missachtet

Aus den ersten bäuerlichen Anfängen wurde die Massenproduktion von Tieren, die dem einzelnen Individuum jegliches Recht auf Leben und Fortbestand verweigert. Der Mensch steuert nun alles und missachtet die elementarsten Bedürfnisse der Tiere.

Nicht weniger schlimm ergeht es den Haustieren. Sie werden zwar verhätschelt und verwöhnt, aber eine faire Chance auf sozialen Umgang mit ihresgleichen bekommen auch sie nur noch in den seltensten Fällen. Fortpflanzen darf sich da auch nur noch eine Minderheit, der Rest wird kastriert oder sterilisiert, weil die Menschen entweder für die Tiere beschließen, dass sie keinen Nachwuchs haben dürfen oder weil sie im anderen Extrem schlichtweg damit überfordert sind, Populationen verantwortungsvoll zu kontrollieren.

Jedes Eingreifen des Menschen führt unweigerlich zu einem weiteren Eingreifen und wieder zu einem weiteren. Besser wird es dadurch eher nicht. Für den Menschen scheint das Ganze gar nicht schlimm zu sein: er selbst regelt seine eigene Fortpflanzung ja auch, ob durch Geburtenplanung oder Verhütung. Was für ihn in Ordnung ist, kann für die Tiere nicht schlecht sein. Wieder so ein Fall von Vermenschlichung, der total daneben ist.

Katzen in Griechenland
(Foto: Rüdiger Hengl)

Doch im Gegensatz zu uns können Tiere nicht frei entscheiden, ob sie sich fortpflanzen wollen oder nicht: Es ist ihr elementares Bedürfnis.

Symptombekämpfung statt Lösung von grundlegenden Problemen

Nun kommen Tierrechtler von der entgegengesetzten Seite der Gesellschaft mit dem ehrenvollen Ziel, Tieren ihre Freiheit zu erstreiten, und versagen doch auch wieder vollends. Warum? Weil sie als Lösungsweg nicht die zugrunde liegenden Probleme bearbeiten, sondern quasi nur die Symptome einer Erkrankung.

Massenproduktion von Tieren: einfach vegan leben! Toll, nur die Tiere werden dann gar nicht mehr gebraucht und haben für die Menschen keinen Nutzen mehr. Also ein Recht auf Leben für Tiere, die es nicht mehr geben wird? Das macht keinen Sinn.

Haltung von Haustieren, Zoo- und Zirkustieren: einfach die Zucht verbieten! Schlimmer kann es für die verbleibenden Tiere kaum werden. Und das Ziel ist immer gleich: die Existenz von Tieren komplett zu beenden.

Auf der nächsten Seite: Die Protestkarawane zieht weiter.

2 Kommentare

  1. Ich möchte noch einen anderen Aspekt ergänzen, der genau das Gegenteil von „Vermenschlichung“ ist, meiner Meinung nach aber genau so falsch: die Auffassung, die von einigen religiösen Gruppen, aber in früheren Zeiten auch von vielen Wissenschaftlern vertreten wurde: die strikte Abgrenzung zwischen Menschen und Tieren, die teilweise so weit geht, dass man meinen könnte, der Mensch würde außerhalb des Stammbaum des Lebens und der Evolution stehen. In alten Biologiebüchern findet man oft die Ansicht, Tiere seien rein instinktgesteuert, während der Mensch das einzige Wesen ist, das vernunftbegabt ist und planvoll handeln kann. Tiere wurden da fast wie „Roboter“ dargestellt, die gar nicht anders können als entsprechend ihrer „Programmierung“ zu agieren. Bei manchen Zeitgenossen hält sich diese Auffassung bis heute, obwohl dies spätestens mit der Entdeckung des planvollen Werkzeuggebrauchs bei vielen Säugetieren und Vögeln, aber auch bei einigen angeblich „niederen Tieren“ wie Tintenfischen nachgewiesen wurde und auch langfristiges planvolles Verhalten nachgewiesen wurde. SO haben viele Primaten einen feinen Sinn für fairness und Gerechtigkeit.
    Ich denke, dsss die grundlegenden Bedürfnisse höherer Säugetiere durchaus vergleichbar sind. Wohl jedes Lebewesen hat bestimmte Bedürfnisse. Ein Hund möchte will genau so gerne Nahrung wie wir und liebt es, gestreichelt zu werden – andererseits schnuppern Hunde gerne am Hinterteil von anderen Hunden – ein Verhalten, das man unter Menschen eher seltener findet.
    AM meisten ärgern mich aber diejenigen Leute, die – auf das menschengemachte Artensterben angesprochen – schulterzuckend sagen: „Na und? Im Lauf der Erdgeschichte sind unzählige Arten ausgestorben, die sollen sich halt anpassen, ansonsten verdienen sie es gar nicht zu überleben“. Das sind diejenigen, die auch beim Thema Klimawandel das Thema mit dem Satz „Das Klima hat sich schon immer verändert, das ist ganz normal“ abtun…

    geschrieben von Oliver
    1. Danke für deine Ergänzungen, Oliver! Du hast Recht, es gibt natürlich auch das entgegengesetzte Extrem. Wie immer typisch eigentlich für menschliche Sichtweisen, sich größtenteils mit den Extremen zu beschäftigen während nur sehr wenige die Wahrheit in der ausgeglichenen Mitte finden. Ich denke, dass der Mensch sich gerne überschätzt und von anderen abgrenzt. Ich halte mich gerne aus dieser Diskussion heraus, weil es meist zu nichts führt. Ich konzentriere mich deshalb auf die Beobachtung der Natur, weil man nur dort sicher erkennen kann, was Tiere wirklich brauchen. Für mich spielt es auch keine Rolle, ob Tiere nur instinktgesteuert sind oder planvoll handeln, sie verdienen trotzdem alle eine respektvolle Behandlung. Ganz klar, bei der Arbeit mit Delfinen habe ich so manche beeindruckende Handlungen erlebt die ganz eindeutig von großer Intelligenz und Kreativität zeugen. Das Problem des Menschen bei der Beobachtung und Beurteilung von Tieren ist halt, dass er oft viele verschiedene Themenbereiche unpassend miteinander vermischt, also Intelligenz, Empathie, Gefühlsleben, Ethisches Verhalten (oder was wir als solches ansehen). Tiere können extrem intelligent sein, sich gleichzeitig aber nach menschlichen Maßstäben unmoralisch verhalten. Das fließt dann oft ungewollt in die Beurteilung mit ein. Oder man beobachtet immer gleichbleibende Verhaltensweisen, die rein instinktiv gesteuert sind, schließt aber gleichzeitig falsch darauf, dass dabei keine Gefühle involviert sind etc. Die menschliche Intelligenz ist in meinen Augen häufig stark begrenzt wenn es darum geht, zusammenhanglos Einzelbereiche zu analysieren und diese hinterher im Puzzle richtig zusammenzusetzen. Weil immer wieder eingearbeitete Vorurteile oder Denkschemata, die durch Tradition und nicht durch eigenständige Analyse erworben wurden, diese Bemühungen zunichte machen.

      geschrieben von Benjamin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert