Berichte, Biologen-Blog

Der böse Wolf und die heilige Kuh


Themen:

Biologen-Blog von Benjamin Schulz, Teil 22
8. Januar 2018

Wohin führt der Weg?
(Foto: Rüdiger Hengl)

Die Protestkarawane zieht weiter

Das entspricht in vielem der Situation der heiligen Kühe: ungewollt, kein natürliches Leben, aber hey: Sie sind doch frei! Das Ergebnis von Tierrechtskampagnen ist grundsätzlich immer, dass die Tiere am Ende vergessen werden.

Die Protestkarawane zieht weiter zum nächsten Bereich, der den Kampagnenführern gute Profite verspricht, und die Tiere, um die es ging, sind entweder schon tot oder sehen dem gewollten Aussterben entgegen.

Um die Zukunft und das Wohl sowohl einzelner Tiere als auch ganzer Populationen kümmern sich Tierrechtler nicht. Wenn überhaupt gibt es vereinzelte „Sanctuaries“, die als Alibi dienen. Damit gaukeln Tierrechtsführer ihren Unterstützern und den Medien vor, sich um das Schicksal der Tiere kümmern zu wollen, zumindest so lange, wie die Aufmerksamkeitsspanne der Bevölkerung hält.

Denn solche Sanctuaries werden weder ordentlich finanziert, noch wollen die Tierrechtsgruppen hier überhaupt viel Geld reinstecken. Immer wieder kann man es beobachten, dass nach intensiven Kampagnen von Tierrechtlern die Tiere sofort aus dem Blickfeld verschwinden, weil das Medieninteresse wie vom Erdboden verschluckt wird.

Medien ziehen profitgetrieben zum nächsten Weidegrund weiter

Und das will ich hier noch nicht einmal den Tierrechtlern ankreiden, denn dafür sind die Medien selbst verantwortlich, weil auch sie einzig profitgetrieben zum nächsten Weidegrund weiterziehen.

Weidende Schafe
(Foto: Rüdiger Hengl)

Für Tiere in Sanctuaries von Tierrechtlern bedeutet das dann, dass sie spätestens nach wenigen Monaten nicht mehr wichtig sind und der Betrieb auf Sparflamme weitergeführt wird, falls überhaupt noch Geld übrig ist.

Bei Delfinen ist es dann immer ganz praktisch, dass man die Tiere in diesem Fall einfach freilassen kann. Im Meer kann das Schicksal der Tiere nicht mehr weiterverfolgt werden. Und im Zweifel kann man immer noch der Öffentlichkeit Fotos von irgendwelchen Delfinen zeigen und eine erfolgreiche Auswilderung erschwindeln.

Natur muss als Argument herhalten

Ironischerweise nutzen beide Seiten, Tierhalter und Tierrechtler, oft auch noch dieselben Argumente, um ihre Vorgehensweise zu rechtfertigen.

Immer wird die Natur dazu herangezogen. Wenn man eine Giraffe im Zoo schlachtet und zerlegt: Das passiert in der Natur auch so! Wenn ein einsamer Killerwal von Tierrechtlern in den eiskalten Gewässern Islands seinem Tod überlassen wird: Passiert in der Natur auch so! Wenn Tierzüchter selektieren oder Tierrechtler Zuchtstopps fordern: Alles nicht so schlimm, in der Natur darf sich auch nicht jedes Tier fortpflanzen.

Gemeine Delfine (Gibraltar/Spanien)
(Foto: Rüdiger Hengl)

Falsch!

In der Natur ist die Ausgangschance für jedes Tier gegeben. Aber nicht alle schaffen es. Doch das ist im Gegensatz zu allen menschlichen Einflüssen eben die natürliche Selektion.

Wenn man all diese menschlichen Fehleinschätzungen und Unzulänglichkeiten mit Bezug auf die natürliche Selektion begründen will, kann man auch gleich sagen: Plastik in den Meeren? Nicht unsere Schuld, wer sich nicht anpasst in der Natur, geht halt zugrunde.

Tiere brauchen eine faire Chance

Wir brauchen Tieren kein Recht auf Leben geben, doch wir müssen jedem Tier eine faire Chance geben, Teil ihrer Gesellschaft zu werden und den Weiterbestand der Art und ihrer eigenen Gene zu sichern, denn genau darum dreht sich alles in der Natur.

Massentierhaltung, Trophäenjagd, Wilderei, Lebensraumzerstörung, aber auf der anderen Seite auch planlose Auswilderungen, Zuchtverbote und kommerzielle Ausbeutung durch Tierrechtler sind Ausdruck davon, dass wir Tieren keine Chance mehr geben wollen.

Wir müssen unser Handeln überdenken und uns endlich den Tieren selbst zuwenden, anstatt einen Krieg gegen Andersgläubige führen zu wollen.

Denn egal ob auf der einen Seite überzeichnete Verehrung oder auf der anderen Abneigung, Gleichgültigkeit und Vorurteile: Diese Gefühle gegenüber Tieren stammen alle aus der Vermenschlichung.

Katzen in Skiathos
(Foto: Rüdiger Hengl)

Vermenschlichung dient nicht den Bedürfnissen der Tiere

Was uns in der Steinzeit noch gut gedient hat, wird heute zur schrecklichen Gefahr für das Überleben vieler Tierarten. Wir müssen uns alle endlich von diesem Verhalten lösen und uns darauf konzentrieren, was Tiere wirklich brauchen. Und dann müssen wir dementsprechend handeln!

Vermenschlichung dient nicht den Bedürfnissen der Tiere, sondern nur den menschlichen Erwartungen, nach denen Tiere sich zu verhalten haben.

Wenn wir das nicht endlich begreifen, sind irgendwann der böse Wolf und die heilige Kuh die letzten Erinnerungen, die wir noch an unsere einstigen Mitbewohner auf diesem Planeten haben.

Die wissenschaftliche objektive Herangehensweise, gepaart mit Mitgefühl und in dem Bewusstsein, dass wir alle auf diesem Planeten Nachbarn sind, ist die einzig erfolgversprechende, um die Umwelt zu bewahren und das große Artensterben, das unserer Erde bevorsteht, zu verhindern.

Wenn wir Menschen alle verstehen würden, was Tiere wirklich brauchen und fühlen, und begreifen, dass wir selbst doch nicht so unähnlich sind, dann würde es schon bald keine Tierquälerei und Umweltprobleme mehr geben.

In diesem Sinne hoffe ich, dass das neue Jahr 2018 der Beginn der Zeitepoche ist, in der Menschen Tiere endlich richtig zu verstehen beginnen. Vom Verstehen bis zur gerechten Behandlung ist es dann hoffentlich auch nicht mehr allzu weit.

Bis zum nächsten Biologen-Blog!
Euer Benjamin
Weitere Beiträge von mir findet ihr hier.

2 Kommentare

  1. Ich möchte noch einen anderen Aspekt ergänzen, der genau das Gegenteil von „Vermenschlichung“ ist, meiner Meinung nach aber genau so falsch: die Auffassung, die von einigen religiösen Gruppen, aber in früheren Zeiten auch von vielen Wissenschaftlern vertreten wurde: die strikte Abgrenzung zwischen Menschen und Tieren, die teilweise so weit geht, dass man meinen könnte, der Mensch würde außerhalb des Stammbaum des Lebens und der Evolution stehen. In alten Biologiebüchern findet man oft die Ansicht, Tiere seien rein instinktgesteuert, während der Mensch das einzige Wesen ist, das vernunftbegabt ist und planvoll handeln kann. Tiere wurden da fast wie „Roboter“ dargestellt, die gar nicht anders können als entsprechend ihrer „Programmierung“ zu agieren. Bei manchen Zeitgenossen hält sich diese Auffassung bis heute, obwohl dies spätestens mit der Entdeckung des planvollen Werkzeuggebrauchs bei vielen Säugetieren und Vögeln, aber auch bei einigen angeblich „niederen Tieren“ wie Tintenfischen nachgewiesen wurde und auch langfristiges planvolles Verhalten nachgewiesen wurde. SO haben viele Primaten einen feinen Sinn für fairness und Gerechtigkeit.
    Ich denke, dsss die grundlegenden Bedürfnisse höherer Säugetiere durchaus vergleichbar sind. Wohl jedes Lebewesen hat bestimmte Bedürfnisse. Ein Hund möchte will genau so gerne Nahrung wie wir und liebt es, gestreichelt zu werden – andererseits schnuppern Hunde gerne am Hinterteil von anderen Hunden – ein Verhalten, das man unter Menschen eher seltener findet.
    AM meisten ärgern mich aber diejenigen Leute, die – auf das menschengemachte Artensterben angesprochen – schulterzuckend sagen: „Na und? Im Lauf der Erdgeschichte sind unzählige Arten ausgestorben, die sollen sich halt anpassen, ansonsten verdienen sie es gar nicht zu überleben“. Das sind diejenigen, die auch beim Thema Klimawandel das Thema mit dem Satz „Das Klima hat sich schon immer verändert, das ist ganz normal“ abtun…

    geschrieben von Oliver
    1. Danke für deine Ergänzungen, Oliver! Du hast Recht, es gibt natürlich auch das entgegengesetzte Extrem. Wie immer typisch eigentlich für menschliche Sichtweisen, sich größtenteils mit den Extremen zu beschäftigen während nur sehr wenige die Wahrheit in der ausgeglichenen Mitte finden. Ich denke, dass der Mensch sich gerne überschätzt und von anderen abgrenzt. Ich halte mich gerne aus dieser Diskussion heraus, weil es meist zu nichts führt. Ich konzentriere mich deshalb auf die Beobachtung der Natur, weil man nur dort sicher erkennen kann, was Tiere wirklich brauchen. Für mich spielt es auch keine Rolle, ob Tiere nur instinktgesteuert sind oder planvoll handeln, sie verdienen trotzdem alle eine respektvolle Behandlung. Ganz klar, bei der Arbeit mit Delfinen habe ich so manche beeindruckende Handlungen erlebt die ganz eindeutig von großer Intelligenz und Kreativität zeugen. Das Problem des Menschen bei der Beobachtung und Beurteilung von Tieren ist halt, dass er oft viele verschiedene Themenbereiche unpassend miteinander vermischt, also Intelligenz, Empathie, Gefühlsleben, Ethisches Verhalten (oder was wir als solches ansehen). Tiere können extrem intelligent sein, sich gleichzeitig aber nach menschlichen Maßstäben unmoralisch verhalten. Das fließt dann oft ungewollt in die Beurteilung mit ein. Oder man beobachtet immer gleichbleibende Verhaltensweisen, die rein instinktiv gesteuert sind, schließt aber gleichzeitig falsch darauf, dass dabei keine Gefühle involviert sind etc. Die menschliche Intelligenz ist in meinen Augen häufig stark begrenzt wenn es darum geht, zusammenhanglos Einzelbereiche zu analysieren und diese hinterher im Puzzle richtig zusammenzusetzen. Weil immer wieder eingearbeitete Vorurteile oder Denkschemata, die durch Tradition und nicht durch eigenständige Analyse erworben wurden, diese Bemühungen zunichte machen.

      geschrieben von Benjamin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert