Haben Delfine ein Zeitgefühl?
Oliver:
Im Delfinarium gibt es ja meist einen recht geregelten Tagesablauf mit festen Fütterungszeiten und Präsentationen. Hier würde mich interessieren, ob die Tümmler ein Zeitgefühl haben, d.h. ob sie beispielsweise pünktlich zur Stelle sind oder ungeduldig warten, weil sie „wissen“, dass es jetzt gleich Futter geben wird oder sie auf die Pfleger warten, damit sie mit ihnen spielen können.
Benjamin:
Die Delfine haben in Delfinarien sicher ein sehr exaktes Zeitgefühl und warten ungeduldig auf Fütterungen und Training. Sie wissen schon genau, was läuft.
Oliver:
Wenn die Delfine so ein gutes Zeitgefühl haben – stört sie dann nicht die Umstellung auf die Sommerzeit, wenn die Zeit auf der Uhr von der inneren Uhr abweicht? Wenn ja, wie geht man damit um? Findet die Vorstellung dann früher statt oder gewöhnt man die Tiere über einige Tage an die Sommerzeit?
Benjamin:
Einen großen Unterschied habe ich bei Sommer-/Winterzeit nie erkennen können. Ich denke eher, die Tiere merken morgens, wann die Arbeit losgeht, und von dem Punkt an kennen sie den Ablauf ganz genau. Ob das nun eine Stunde eher oder später anfängt, spielt da keine große Rolle.
Sex bei Delfinen
Oliver:
Let’s talk about sex… in einer Doku hab ich gehört, dass Delfine bis zu 50 Mal Sex pro Tag haben, also umgerechnet im Schnitt zweimal pro Stunde rund um die Uhr. Wenn man die Ruhephasen rausrechnet, dann wohl sogar alle 20 Minuten …
Ist das nur im Freiland so oder auch in Delfinarien? Ich könnte mir vorstellen, dass die Delfine im Delfinarium doch mehr Ablenkung und Abwechslung haben und dann auch „an was anderes denken“, oder?
Benjamin:
Das Thema Sex bei Delfinen liegt mir natürlich als Reproduktionsbiologe ;)
Rein zahlenmäßig stimmt die Aussage, dass Delfine bis zu 50 Mal am Tag Sex haben. Allerdings gibt diese reine Zahl nicht gut wieder, wie das sich tatsächlich im alltäglichen Leben der Delfine äußert.
Delfine haben nicht regelmäßig zweimal pro Stunde Sex und natürlich muss man sich das auch anders vorstellen als bei uns Menschen.
Wichtig dafür ist erst mal, dass man „Sex haben“ hier richtig definiert, nämlich als Kopulation, also der geschlechtlichen Vereinigung eines männlichen mit einem weiblichen Delfin.
Die Kopulation dauert bei Delfinen ja nur ein paar Sekunden, dafür wird sie sehr oft wiederholt. Das allerdings nicht regelmäßig über den Tag verteilt, sondern zu bestimmten Zeiten.
Kopulationen finden dann in sehr kurzer Zeit viele Male statt, also durchaus 20 bis 30 Mal hintereinander. Für die Weibchen auch durchaus noch öfter, wenn mehrere Männchen auf einmal mit ihnen beschäftigt sind.
Wenn eine Delfingruppe morgens früh für eine Stunde sexuell aktiv ist, und dann vielleicht noch einmal am späten Nachmittag, kommen so durchaus 50 Kopulationen zustande. Aber halt konzentriert zu bestimmten Zeiten, nicht regelmäßig über den Tag verteilt.
Dann haben Delfine – sowohl wilde als auch in menschlicher Obhut lebende – zwar oft, aber auch nicht jeden Tag Lust auf Sex. Bei beiden Gruppen wurde bei 30 bis 40 Prozent der Beobachtungstage sexuelles Verhalten registriert, an den anderen nicht.
Um übrigens Verwirrungen zu vermeiden, werden homosexuelle Kontakte von Wissenschaftlern meist als „socio-sexual behavior“ definiert und klar von „sexual behavior“ abgegrenzt. Das hat natürlich nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern dient der Klarstellung, welche Begriffe welche Verhaltensweisen bezeichnen. Wenn man die homosexuellen Kontakte von Delfinen als „Sex haben“ noch dazu zählt, kommt man wahrscheinlich auf weitaus mehr als 50 Mal am Tag!
Es schreiben ja immer sehr viele Medien, dass Delfine neben dem Menschen (und evtl. Menschenaffen) die einzigen wären, die Sex zum Spaß haben, also losgelöst von Zeiten der Fortpflanzung.
Das stimmt auch nicht immer. Viele Vögel die monogam leben, kopulieren häufig und regelmäßig, um ihre Bindung zueinander zu bestätigen.
Ich habe zu Hause ein Paar Ringeltauben und ein paar Türkentauben, die beide jedes Jahr bei uns nisten. Das Balz- und Paarungsverhalten (inklusive kompletter Kopulationen) kann ich das ganze Jahr über beobachten, auch wenn sie definitiv nicht brüten.
Die Motivation hierbei muss auch damit zusammenhängen, dass irgendeine Art von positiven Gefühlen dieses Verhalten fördert und belohnt. Ähnlich wie bei den Delfinen gibt es aber dann auch bei diesen Tieren Zeiten mit mehr oder weniger Aktivitäten.
Sind Delfine „dauerschwanger“?
Oliver:
In dem Zusammenhang gleich die nächste Frage: Wenn die Delfine in dieser Sache so aktiv sind, dann müssten die Delfinweibchen ja allesamt „dauerschwanger“ sein. Warum ist das nicht so?
Benjamin:
Delfinweibchen sind nicht „dauerschwanger“, weil es nur begrenzte Zeiten gibt, in denen sie auch befruchtungsbereit sind.
Nur wenn die Weibchen ihren Eisprung haben, können sie durch eine Kopulation auch schwanger werden.
Delfinweibchen kopulieren tatsächlich während des gesamten Jahres – egal ob sie befruchtungsbereit sind oder nicht. Sie kopulieren auch während der Schwangerschaft. Das zeigt, dass der Sex hier zusätzlich zur Fortpflanzung weitere Funktionen erfüllt – also Bindungsverhalten innerhalb der Gruppe, eventuell Beschwichtigung aggressiver Männchen, aber auch wahrscheinlich ganz einfach Spaß.
Oliver:
Gibt es jahreszeitliche Unterschiede im Paarungsverhalten?
Benjamin:
Die Empfängnisbereitschaft der weiblichen Delfine ist nicht strikt von Jahreszeiten abhängig, aber es gibt vor allem bei wilden Populationen je nach Breitengrad eine höhere Zahl befruchtungsfähiger Weibchen im Frühjahr bis Frühsommer.
Dann sind diese Weibchen natürlich noch interessanter für die Männchen und dementsprechend steigt auch hier die Zahl der Kopulationen.
Wenn Delfinweibchen ein Jungtier geboren haben und säugen, unterdrückt dieses den erneuten Eisprung. So wird sichergestellt, dass die Weibchen nicht gleich wieder schwanger werden, sondern genug Zeit haben, ihr aktuelles Jungtier großzuziehen.
Auf der nächsten Seite geht es um den Umzug von Delfinen, ihre Schwimmleistung und die positive Verstärkung eines Verhaltens.
Vielen Dank für deine Ergänzungen, Norbert!
Was die Augenstellung angeht: Delfine haben da einen recht guten Kompromiss gefunden: Sie haben sowohl einen recht großen Bereich, in dem sie Stereo-Sehen können und trotzdem einen fast 360° Beobachtungsbereich.
Darin gleichen sie den meisten Raubvögeln (und Raubfischen!). Bei den Vögeln haben lediglich Eulen eine Augenstellung, die mit Primaten und bodenlebenden Raubtieren vergleichbar ist.
Offensichtlich ist die seitliche Anordnung mit einem begrenzten 3D-Bereich optomal, wenn man sich frei im dreidimensionalen Raum bewegt.
Vielleicht noch zur Ergänzung: Die menschliche Sicht (ca. 160° nach vorne) ist unter Wasser ziemlich unpraktisch und sicher nicht gut für dauerhaftes Überleben.
Das merkt man spätestens beim Gerätetauchen: Ständig ist der Buddy weg, Irgendwas rumpelt gegen den Rücken, und beim Auftauchen hat man jede erdenkliche Chance mit dem Kopf gegen den Bootsrumpf (oder einen anderen Taucher) zu knallen.
Dafür erfährt man nachher, das einem die ganze Zeit eine Schildkröte/Delfin (oder sonstwas spektakuläres) gefolgt ist, und man hat absolut nix davon mitbekommen.
Nein, Menschen sind dafür gebaut, sich auf dem Boden oder in Bäumen zu bewegen :-)
Ja, manchmal wär’s schon praktisch, wenn man auch „hinten“ Augen hätte… ;-)
Naja, aber auch auf dem Boden, d.h. als Fußgänger im Straßenverkehr kriegt man da schon Probleme – und ich bin jeden Tag mindestens 4 Kilometer im Stadtverkehr zu Fuß unterwegs. Rundumsicht wäre da oft sehr hilfreich. So hab ich darauf umgestellt, mich midestens zu 50% auch mit dem Gehör zu orientieren.