Meeresakrobaten, 25. Juni 2018
Seit 2014 lädt der Nürnberger Tiergarten zusammen mit der Artenschutzorganisation YAQU PACHA alle zwei Jahre zum „Internationalen Symposium Forschung und Artenschutz in Südamerika (ISFAS)“ ein. Dieses Mal fand die Tagung am 16. und 17. Juni statt.
Acht Wissenschaftler gaben ca. 80 Studenten und anderen Teilnehmern Einblicke in ihre Arbeit – die sie vorrangig in Latein- und Südamerika ausüben.
Da ich zwei Delfin-Websites betreibe (außer den MEERESAKROBATEN noch www.derkleinedelfin.de), interessierte ich mich vor allem für die Vorträge über Meeressäuger.
Im Folgenden eine kurze Zusammenfassung der von mir besuchten Veranstaltungen, die unter der Leitung von Dr. Mats Amundin, Ph.D. Cand. Tim Hüttner, Dr. Lorenzo von Fersen und Dr. Eduardo Secchi standen.
Forschung mit Delfinen in Schweden
Dr. Mats Amundin ist Senior Advisor im Zoo Kolmarden/Schweden. Er berichtete am 16. Juni über Studien mit Delfinen, die sowohl den in menschlicher Obhut gehaltenen Tieren als auch ihren Artgenossen im Meer zugute kommen.
Dabei geht es vor allen Dingen um Forschungsprojekte zur akustischen Orientierung der Tiere, die für ein Überleben in teilweise sehr trüben Gewässern von großer Bedeutung ist.
Amundin beschrieb Versuche zum Gebrauch des Sonarsinns. Aus den gewonnenen Erkenntnissen werden beispielsweise Vergrämer entwickelt, welche Schweinswale von Fischernetzen fernhalten sollen, oder es werden Hydrophone (Unterwassermikrofone) getestet, mit deren Hilfe eine Bestandsaufnahme von Meeressäugern vorgenommen werden kann.
Wie bereits erwähnt, profitiert auch die Delfinhaltung von den Studien. So denkt man sich in Kolmarden neue Beschäftigungsmöglichkeiten aus, bei denen Große Tümmler ihren Sonarsinn benutzen können. Besonders geeignet sind Bälle und Feuerwehrschläuche, die ständig in Bewegung sind und somit ein sogenanntes „prey behavior“ simulieren.
Akustische Panels, die durch Echo-Klicks in Aktion gesetzt werden, stellen ebenfalls eine gute Beschäftigungsmöglichkeit dar. Je nachdem, welchen Bereich der Delfin anklickt, erhält er einen Hering, eine Makrele oder einen Tintenfisch als Belohnung. Das Beutetier wählt der Delfin selbst.
Live-Präsentation 1
Dass Große Tümmler neben dem akustischen, dem visuellen und dem haptischen Sinn auch über einen Sinn für elektrische Reize verfügen, erforscht seit mehreren Jahren Tim Hüttner (Promovend an der Universität Rostock).
Er präsentierte im alten Delfinarium des Nürnberger Tiergartens eine Vorrichtung, mit deren Hilfe herausgefunden werden kann, ob und wie Delfine auf verschiedene Reize reagieren. Siehe dazu auch meinen Beitrag Forschung im Nürnberger Tiergarten.
Live-Präsentation 2
Bei einer zweiten Live-Präsentation kam eine „Fischfalle“ zum Einsatz. Das ist ein mit Fischen gefüllter Kanister, der mehrere Öffnungen aufweist.
Die beiden Großen Tümmler Anke (35 Jahre alt) und Moby (58 Jahre alt) demonstrierten eindrucksvoll, wie sie ihr Sonar gebrauchen. Sie entschieden sich für das akustische Abscannen der Fischfalle, obwohl sie im klaren Wasser auch ihren visuellen Sinn einsetzen könnten.
Sogar Senior-Delfin Moby verwendete Echo-Klicks zur Orientierung und stellte damit die Behauptung vieler Tierrechtler ad absurdum, der Sonarsinn der Delfine würde in Zoos verkümmern.
Auch die Sorge mancher Tierfreunde, Delfine würden durch die Echos, die von den Beckenwänden zurückgesendet würden, irritiert, konnte Amundin entkräften. Seiner Beobachtung nach stellen die Echos, die zwischen Felsformationen im Meer hin und her prallen, ein wesentlich größeres Geräuschwirrrwarr dar als die Wände in Delfinarien.
Gestik und Akustik versus Stimme
Weil Delfine sich vorrangig über den akustischen Sinn orientieren, der unter Wasser jedoch anders funktioniert als in der Luft, verwenden Trainer eher Handzeichen als ihre Stimme, wenn sie die Tiere zu Aktionen auffordern. Gerne wird auch an den Beckenrand geklopft oder mit der Handfläche aufs Wasser geklatscht, um die Aufmerksamkeit der Delfine zu erreichen. Mit einem sogenannten Whistle Caller können Delfine sogar individuell aufgerufen werden.
Mikrofone, die in Kolmarden an der Brustflosse der Delfine befestigt wurden, nahmen präzise auf, welcher Delfin gerade mit welchem Artgenossen kommunizierte. Die aufgenommenen „Gespräche“ sollen später mit der Kommunikation freilebender Delfine verglichen werden.
Kommuniziert wird in der Nacht
In Kolmarden konnte auch festgestellt werden, dass die Delfine die meisten Lautaktivitäten zwischen 24 und 6 Uhr hatten.
Amundin informierte über einen interessanten Unterschied bei Delfinen und Schweinswalen. So benützen Schweinswal-Babys ihren Sonarsinn bereits mit vier Tagen, Delfine hingegen erst mit 14 Tagen.
Großer Erfolg für jahrelange Forschung
Als ganz großen Erfolg können Amundin und seine Forscherkollegen die Einrichtung eines 1.000.000 Hektar großen Schutzgebiets im schwedischen Teil der Ostsee verzeichnen, nachdem diese Region im Rahmen eines Studienprojekts als Kinderstube der Schweinswale ausgemacht worden war.
Auf der nächsten Seite geht es weiter mit dem Vortrag von Dr. Lorenzo von Fersen.