Berichte

Belugas und Orcas in Russland


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Meeresakrobaten, 26. Januar 2019

Gefangene Orcas
(Foto: Free Russian Whales)

Wie ich bereits Ende letzten Jahres berichtet hatte, werden in einer Bucht im Osten Russlands etwa 100 Belugas und Orcas in relativ kleinen Gehegen festgehalten.

Ein Mitarbeiter von Greenpeace vermutete vor ein paar Wochen, dass drei jüngere Tiere verendet sind. Bei einer Inspektion im Dezember 2018 wurde bestätigt, dass die Gruppe der Belugas drei Tiere weniger zählte.

Die Wal-Becken, die in der Nähe der Hafenstadt Wladiwostok liegen, wurden offenbar von vier Firmen angemietet, die zwischen 2013 und 2016 15 Schwertwale (Orcas) nach China exportiert hatten.

Zunächst ging man davon aus, dass auch die aktuell gefangenen Tiere nach China verkauft werden sollen. Doch ein Gericht in der Region Primorje hat dies untersagt.

Ein Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin teilte mit, dass man sich um die Angelegenheit kümmern werde. Laut Pressemitteilungen hat die russische Marine offenbar angeboten, mitzuhelfen, die Tiere freizulassen.

Russische Organisation setzt sich für Wale ein

Der russischen Organisation Free Russian Whales liegen aktuelle Informationen über den Zustand der Tiere vor. Ein Team aus Biologen, Tierärzten und anderen Experten bekam Zugang zu den Gehegen.

Es wurden umfangreiche Daten gesammelt. Dazu gehörten Hautproben von allen elf Orcas (um genetische Untersuchungen durchzuführen), Atemproben sowie Hautabstriche von Tieren, deren Körper Veränderungen aufwiesen.

Innenbereich mit Orcas
(Foto: Free Russian Whales)

Auch Wasserproben wurden entnommen. Zusätzlich wurden die Laute der Tiere aufgenommen und Fotos gemacht.

Eis auf dem Wasser

Auf dem Wasser der Gehege schwamm zentimeterdickes Eis, sogar im Innenbereich, in dem die Orcas untergebracht sind. Die „Center“-Mitarbeiter waren – laut „Free Russian Whales“ (im Weiteren mit FRW abgekürzt) – sehr bemüht, das Eis zu entfernen.

Belugas sind zwar an ein Leben im Eis angepasst, sie sind es aber nicht gewöhnt, dass Menschen in direkter Nähe arbeiten, um das Eis zu entfernen.

Bis zu zwölf Arbeiter befanden sich gleichzeitig in einem Gehege, um das Eis aufzuhacken. Dies löste augenscheinlich großen Stress bei den Belugas aus. Sie verbrachten eine lange Zeit unter Wasser und bewegten sich merklich weniger als die Tiere in den anderen Gehegen.

Orcas sind nicht so kältebeständig

Orcas sind nicht so kältebeständig wie Belugas. Unter natürlichen Bedingungen werden die Schwertwale des nordwestlichen Pazifiks nicht in der Nähe von Eis beobachtet.

Doch in den Freiluftkäfigen werden sie gezwungen, in direkten Kontakt mit Eis zu kommen – eine Tatsache, die sich wahrscheinlich auf ihre Gesundheit auswirkt.

Erfrierungen?

Einige der Orcas wiesen eine ungewöhnliche Fleckenbildung und andere Hautveränderungen an der Rückenflosse und an der Wirbelsäule auf. Bei manchen Tieren schälte sich die Haut.

Vermutlich rührten diese Veränderungen von Erfrierungen her. Rundliche Hautläsionen wiesen auf Pilzerkrankungen hin. Genommene Abstriche sollen die klären.

Des Weiteren wurden Risse und Kratzer zwischen den Brustflossen und an anderen Teilen der Körperunterseite festgestellt. Diese könnten beim Be- und Entladen der Tiere entstanden sein.

Von zufriedenstellend bis besorgniserregend

Die körperliche Verfassung der meisten Orcas bezeichneten Mitarbeiter der Organisation allgemein als zufriedenstellend.

Doch der Zustand eines männlichen Tieres sei besorgniserregend. Der Orca bewegt sich so gut wie nicht. Er atmet sehr langsam, was ein Anzeichen für eine Lungenentzündung oder andere Erkrankungen der inneren Organe sein kann.

Da man in der Nähe der Rückenflosse Markierungen entdeckte, die Injektionspunkten ähnelten, geht FRW davon aus, dass diesem Meeressäuger Spritzen verabreicht wurden.

Drei Gruppen

Die Orcas werden in drei Gruppen mit einmal drei und zweimal vier Tieren gehalten. Sie kommunizieren miteinander und möglicherweise mit Tieren aus benachbarten Gehegen.

Alle Tiere werden mit Hering und Lachs gefüttert. Die Fische gehören allerdings nicht zum Beuteschema dieser Orca-Population. Denn diese ernährt sich unter natürlichen Bedingungen von anderen Meeressäugern (wie Robben, Seelöwen und sogar Walen).

Beluga im Gehege
(Foto: Free Russian Whales)

87 Belugas

Die Anamolien der Haut bei den 87 Belugas sind nicht so extrem wie bei den Orcas.

Doch viele von ihnen hatten im Bereich des Hinterkopfes, des Halses und des Atemlochs seltsame dunkle Flecken. Ein Weißwal machte einen abgemagerten Eindruck. Seine Fettschicht um den Hals war deutlich reduziert.

Im Vergleich zu den Orcas bezeichnete das Team von FRW den Zustand der Belugas als besser.

Unter den Belugas gibt es Jungtiere zwischen einem und vier Jahren.

Keine sanitären Einrichtungen

Die Experten stellten fest, dass es in der Bucht keine sanitären Anlagen gibt. An keinem der Zugänge zu den Gehegen wurden Desinfektionsmittel installiert.

Jeden Tag passieren viele „Center“-Mitarbeiter die Gehege mit schwerer Ausrüstung, Enteisungsgeräten und Schubkarren mit Fischen.

Nun sollen die gewonnenen Daten und die genommenen Proben untersucht und ausgewertet werden, was wahrscheinlich eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird.
(Quellen: Free Russian Whales, t-onlie und Schorndorfer Nachrichten)

Nachtrag vom 27. August 2019: Offenbar sind inzwischen sämtliche Orcas und sechs Belugas aus den Gehegen abtransportiert und ins offene Meer gebracht worden. (Quelle SOS Dolfijn)

Nachtrag vom 28. Januar 2019: Rüdiger hat in einem Facebook-Kommentar eine interessante These zu Erfrierungen bei Meerestieren aufgestellt, die ich hier gerne übernehmen möchte.

„Angeblich haben manche Orcas Hautveränderungen. Daraus aber einen kausalen Zusammenhang abzuleiten und zu sagen, „wahrscheinlich von Erfrierungen herrühren“ halte ich für sehr gewagt.

Ich traue mir nicht zu, diese Aussage als richtig oder falsch einzustufen, allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass es sich bei den Hautveränderungen um Erfrierungen handeln soll. Eiswasser ist niemals kälter als 0 °C. Nach meinem Kenntnisstand bekommen Menschen – okay, Orcas sind keine Menschen – in der Gegend um 0 °C aber erst dann Erfrierungen, wenn entweder die unterkühlte Fleischmasse sehr klein ist (wenige Gramm bringen beispielsweise die Ohren oder der kleine Zeh auf die Waage), oder aber ein heftiger Wind weht oder aber die Temperatur deutlich unter 0 °C ist.

Alles trifft bei Orcas nicht zu. Sie sind im Wasser, also 0°C oder mehr. Wind schließe ich aus. Die erfrierbaren Massen sind deutlich größer als ein menschliches Ohrläppchen. Sollte ein Körperteil aber wirklich mal etwas kühler werden, kann es der Orca im Wasser (wie gesagt, Wasser wird nie kälter als 0 °C!!!) wieder aufwärmen.

Wenn tatsächlich „Erfrierungen“ auftreten sollten, dann müssten Sie an den Kanten von Fluke, Finne und Flippern sein. Alles andere – z.B. Hautveränderungen am Körper – können nach meinem Dafürhalten niemals Erfrierungen sein. Dazu fehlt einfach eine Erfrierungen verursachende Temperatur.“

4 Kommentare

  1. Norbert hat Recht.

    Die von Norbert angesprochene Gefrierpunktserniedrigung wird schließlich auch genutzt, wenn im Winter Tausalz auf die Straßen gestreut wird und dadurch Eis auch bei Temperaturen unter 0 Grad tauen kann.

    Da die Temperaturpunkterniedrigung aber – wie gesagt – im Meerwasser nur 1,9°C ausmacht, habe ich sie in meiner Betrachtung betreffs Erfrierungen außen vor gelassen genauso wie das mit 4°C fast schon badewannenwarmes Wasser der tieferen Regionen.

    Was bleibt: Es ist einfach sehr, sehr unwahrscheinlich, dass Orcas – so wie von der im Bericht genannten NGO vermutet – bei diesen Rahmenbedingungen Erfrierungen haben können.

    Fazit: Derartige „Vermutungen“ von NGOs sollte man immer sehr, sehr kritisch hinterfragen. Dazu bieten die Meeresakrobaten ihren Beitrag, während viele andere – so sehe ich es – derartige „Vermutungen“ einfach nur übernehmen und später sogar als Wahrheit verkaufen. Als Beispiel nenne ich nur: „schwarzverbrannte Delfine“.

    geschrieben von Rüdiger Hengl
    1. Hallo Herr Hengl.
      Gerade wenn man „Erkenntnisse“ von „Tierschutz“-Aktivisten in Frage stellt, sollte man sich keine Blöße geben. Es ist deren Spezialität mit Fakten hart an der Grenze zur Wahrheit zu operieren; insofern spielt es schon eine erhebliche Rolle, welche Temperaturen wo genau herrschen.

      Ich glaube auch nicht, dass Orcas in -1,9 °C kaltem Wasser Erfrierungen davon tragen (sonst würde man die Tiere weder in arktischen, noch in antarktischen Gewässern antreffen).

      Allerdings kann ich mir sehr gut vorstellen, dass sie sich an der Luft tatsächlich Erfrierungen der Rückenflosse zuziehen: Wenn die Gehege nicht tief genug sind (bei Orcas mind. 10 – 15 m) werden sie zwangsläufig sehr oft und lange an der Oberfläche schwimmen, so dass die Rückenflosse aus dem Wasser ragt. Bei entsprechenden Lufttemperaturen und leichtem Wind kühlt dann die Finne an der Oberfläche in Sekundenschnelle auf unter -20°C ab, was wohl auch die Haut von Orcas nicht mehr ohne Schädigung wegsteckt.

      Weißwale sind da übrigens nochmal ein ganz anderes Kaliber: Es ist bekannt, dass die Tiere nicht nur dauerhaft sowohl in Süß- wie in Salzwasser leben können, sondern auch bis zu 12 Stunden auf dem Trockenen liegen können (die Haut trocknet dabei völlig ab), ohne Schaden zu nehmen.

      geschrieben von Norbert
  2. Meerwasser (mit 3% Salzgehalt) kühlt im flüssigen Zustand bis auf -1,9 °C ab.

    Da die meisten Lebewesen in ihrem Körper einen Salzgehalt von ca. 0,9% aufweisen (vgl. isotonische Kochsalzlösung), gefriert z.B. menschliches Körpergewebe schon deutlich früher, als Meerwasser. Es kommt zu Eiskristallbildung und Gewebezerstörungen.

    Inwieweit dies bei Orcas der Fall ist bzw. inwieweit die sich durch ihre Blubber-Schicht schützen können, weiß ich nicht im Dteail. Es ist aber bekannt, dass Orcas auch in der Antarktis zwischen Eisschollen auf die Jagd gehen, was ihnen offenbar nicht allzu viel auszumachen scheint. Allerdings können sie sich dort (genug Wassertiefe vorausgesetzt) in +4°C „warmem“ Tiefenwasser aufwärmen.

    geschrieben von Norbert
    1. Vielen Dank für deine Ergänzung, Norbert!

      geschrieben von Susanne

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