Meeresakrobaten, 31. Januar 2022, in Anlehnung an eine Pressemitteilung des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung
Der Schweinswal ist zum Wildtier des Jahres 2022 gewählt worden.
Doch was nutzt ihm diese Auszeichnung? In Ost- und Nordsee gibt es immer mehr menschengemachte Störungen, die dem kleinen Wal das Überleben erschweren.
Zu den gefährlichen Eingriffen gehören u.a. Sprengungen.
Spezialuntersuchungen, die durch das Bundesamt für Naturschutz gefördert wurden, haben nun (endlich) bewiesen, dass Explosionen Wale töten können.
Tote Schweinswale nach Sprengung
Einige Wochen nach einer Sprengung von 42 britischen Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Ostsee viele tote Schweinswale entdeckt.
Die Sprengung wurde ohne weitere Schallschutzmaßnahmen nahe dem Schutzgebiet Fehmarn durchgeführt.
Ein Forschungsteam aus dem Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover untersuchte 24 tote Schweinswale auf Hörschäden.
Explosionsverletzungen
Die Tiere wurden zwischen September und November 2019 an verschiedenen Orten der Ostseeküste Schleswig-Holsteins tot aufgefunden.
Die Todesursache von zehn Schweinswalen bringen die Forschenden mit Explosionsverletzungen in Verbindung.
Neugeborene und erwachsene Tiere
Bei den entlang der Eckernförder, Kieler und Lübecker Bucht gestrandeten Schweinswalen handelte es sich um drei Neugeborene, 15 Jungtiere und sechs ausgewachsene Tiere (14 Weibchen und 10 Männchen).
Gebrochene Knochen und Blutungen im Ohr
Bei zehn Schweinswalen fanden die Forschenden krankhafte Auskugelungen und Frakturen der Mittelohrknochen, Blutungen im akustischen Fett des Unterkiefers und des Gehörapparates sowie der Melone.
Derartige Verletzungen können nur durch starke Druckwellen, wie sie bei Explosionen entstehen, hervorgerufen werden.
Schweinswale orientieren sich mithilfe ihres Gehörs. Vom Wal ausgestoßene Schallwellen werden von Fischen zurückgeworfen und machen einen erfolgreichen Beutefang möglich. Ist das Gehör geschädigt, ist auch die Orientierung beeinträchtigt.
Verletzte Muskel- und Fettschicht
Einer der Schweinswale zeigte zusätzlich schwere Blutungen und Hämatome in der Muskel- und Fettschicht, was auf ein stumpfes Explosionstrauma hindeutet.
Ein weiterer junger Schweinswal mit Explosionsverletzungen wurde beigefangen. Bei beiden Tieren gehen die Forschenden davon aus, dass Sprengungsverletzungen die Orientierungsfähigkeit der Tiere erheblich herabgesetzt hatten.
Hohes Schadenspotenzial durch Sprengungen
ITAW-Leiterin Professorin Dr. Ursula Siebert sagt: „Dank der Finanzierung unserer Spezialuntersuchungen durch das Bundesamt für Naturschutz konnten wir erstmals zeigen, dass die Unterwassersprengungen schwere Auswirkungen auf Schweinswale haben können. Dies unterstreicht das hohe direkte und indirekte Schadenspotenzial der Sprengungen.“
Da die Menge der Munitionsaltlasten in der deutschen Nord- und Ostsee riesig sei, so Siebert weiter, und mit zunehmenden Aktivitäten, wie etwa dem Bau von Offshore-Windkraftanlagen, regelmäßig kurzfristig Sprengungen vorgenommen würden, müssen Schweinswale und andere Meerestiere besser geschützt werden.
Tiere verändern ihr Verhalten
Um die Auswirkungen von Explosionen auf Populationsebene beurteilen zu können, sollten umfangreiche gesundheitliche Bewertungen des Gesundheitszustandes gestrandeter Wale inklusive Gehöruntersuchungen vorgenommen werden.
„Die Sprengungen sorgen außerdem dafür, dass die Tiere ihr Verhalten deutlich ändern und unter Stress stehen, sodass dies auch in die Bewertung der Gesamtbelastung der Schweinswalpopulationen in deutschen Gewässern einbezogen werden muss“, so Siebert.
Anthropogene Einflüsse gefährden Schweinswale
Der Schweinswal ist Deutschlands einzige Walart. Doch die empfindsamen Meeresbewohner sind stark gefährdet und in der zentralen Ostsee vom Aussterben bedroht. Ihr Lebensraum ist einer Vielzahl anthropogener Einflüsse ausgesetzt.
Gefährdungen für den Bestand der Schweinswale sind neben Erkrankungen und klimatischen Veränderungen vor allem menschliche Tätigkeiten wie Fischerei, Tourismus, Schifffahrt und zunehmender Lärmeintrag durch Bau und Betrieb von Offshore-Windanlagen, seismische Erkundungen, U-Boote und Unterwassersprengung von Militärmunition.
Große Munitionsvorkommen
In der Ost- und Nordsee befinden sich noch immer große Munitionsvorkommen, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg in großen Mengen ins Meer geworfen wurden und nun bei neuen Aktivitäten, wie dem Bau von Offshore-Windkraftanlagen, Pipelines oder der Verlegung von Schiffsrouten, häufig schnell gezündet werden müssen.
Die Detonationen führen zu extremen Schallbelastungen, die für die meisten Tiere im Nahbereich tödlich sind und auch in weiten Entfernungen noch erhebliche Schäden verursachen können.
(Quellen: Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung, NDR und Blast injury on harbour porpoises (Phocoena phocoena) from the Baltic Sea after explosions of deposits of World War II ammunition)
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