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Zoos und Tierpersönlichkeiten


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Biologen-Blog von Dr. rer. nat. Benjamin Schulz, Diplom-Biologe, Volontär, Zoo Dortmund, Teil 34
7. August 2022

Artikel über mein Unterrichtsmaterial „Im Zoo“ im Regionalteil der Augsburger Allgemeinen
(Screenshot: Susanne Gugeler)

Zoos müssen Geschichten erzählen

Gerade in den Zeiten, in denen ganze Haltungsformen wie z.B. Delfinarien im Speziellen, aber auch regelmäßig die Haltungen von Menschenaffen, Elefanten oder Eisbären, gezielt diskreditiert werden und wichtige Artenschutzkampagnen in ihrer Existenz bedroht werden, müssen die Zoos sich positionieren und müssen ihre Ziele klar kommunizieren.

Am besten geschieht dies mit positiven Geschichten, in denen das Leben der Tierpersönlichkeiten eine Rolle spielt und die Aspekte der Zooarbeit thematisiert werden.

Im Grunde genommen ist dies alles sowieso nur ein essentieller Bestandteil des Aspekts Bildungsarbeit im Zoo, und den Zoogästen das Leben der Tiere in Geschichten nahezubringen ist auch nichts weiter als Bildung verpackt in einem Paket, welches auch Erholung garantiert, in dem es das Herz der Menschen anspricht und erfreut.

Sollen Zootiere Namen bekommen?

Doch manche Zoos tun sich schwerer mit dieser Aufgabe als andere. Es beginnt oft schon mit der Auseinandersetzung teils verhärteter Lager über den Sinn und Nutzen darin, Zootieren Namen zu geben.

FINN begegnet einem Wolf im Zoo Mulhouse/Elsass.
(Foto: Rüdiger Hengl)

So behandelt fast jeder Zoo dieses Thema etwas anders. Manche geben den Tieren Namen, die allerdings nur für die Besucher gelten. In den eigenen Tierbestandslisten oder Zuchtbüchern tauchen diese Namen nicht auf. Manchmal auch mit dem Hintergrund, dass bestimmte Tiernamen immer wieder recycelt werden können und Besucher so „hinters Licht“ geführt werden.

Diese Vorgehensweise halte ich persönlich für verwerflich, da sie die Menschen täuscht, von deren Unterstützung die Zoos hauptsächlich leben.

Tierpersönlichkeiten

Die Zoos, die solche Namen sowohl für die Präsentation als auch ganz offiziell nutzen, sehen sich im Nachteil wiederum oft Angriffen der Tierrechtsindustrie ausgesetzt, wenn beliebte Tierpersönlichkeiten sterben oder ihre Transfers in andere Haltungen nachverfolgt werden.

Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass das dann plötzliche Auftreten ganzer Horden von angeblichen Experten immer genau dann auftritt, wenn eine beliebte und somit medial gut verwertbare Tierpersönlichkeit in einen streitbaren, aber notwendigen Tiermanagement-Prozess eintritt, z.B. einen Transfer in einen anderen Zoo, wobei sowohl die Größe des neuen Geheges, die Distanz des Transportweges, die geografische Lage des Ziellandes oder eben auch die Trennung des Tieres aus der aktuellen sozialen Gruppe eine große Rolle spielen.

Der kleine Ben (†) im Leipziger Zoo
(Foto: Rüdiger Hengl)

Sterbefälle sind emotionaler Zündstoff

Sterbefälle, ob nun auf natürlichem Wege oder durch eine tierärztlich verordnete Euthanasie, sind sowieso immer emotionaler Zündstoff, wenn nicht bereits die in der Wildbahn übliche Lebenserwartung deutlich übertroffen wurde.

Dennoch dürfen diese Beispiele nicht darüber hinwegtäuschen, dass die positiven Effekte für die Zoos deutlich überwiegen, wenn die persönliche Nähe der Zoobesucher sowie der weiteren Öffentlichkeit zu den Tierpersönlichkeiten durch eine nachhaltige und konsistente Erzählstruktur in sinnvolle Bahnen gelenkt wird.

Sollen Tiere 0,1 oder Paula heißen?

Denn auf diese Weise lassen sich in allen Bereichen der Zooarbeit inspirierende Geschichten erzählen. Und dort macht es einen Riesenunterschied, wenn man nur eine kühl statistische Meldung über die Geburt von 0,1 Giraffe (0,1 bedeutet ein weibliches Tier in der zoologischen Fachsprachenabkürzung) registriert, oder man darüber liest, dass Breitmaulnashorn „Paula“ * bereits zum zweiten Mal Oma geworden ist, ihre Tochter „Biggi“ * und der kleine „Maximilian“ * nun Hoffnung auf das Überleben der ganzen Art wecken können.

*(Name von der Redaktion geändert :D )

Auf der nächsten Seite macht sich Benjamin Gedanken darüber, warum Erzählungen die Besucher eher erreichen als Tabellen.

3 Kommentare

  1. Ich muss zugeben, dass ich nicht mehr so oft hier vorbei schaue wie früher, verfolge die Beiträge aber nach wie vor interessiert mit

    geschrieben von Oliver
  2. Ich denke auch, dass individuelle Namen für Tiere dazu beitragen können, dass eine „emotionale Bindung“ der Besucher zu den Tieren aufbauen können. Dies klappt umso besser, je leichter auch der Laie die einzelnen Individuen unterscheiden kann, was in der Regel um so besser funktioniert, je kleiner der Betand an Individuen einer Spezies ist. So finde ich es sinnvoll, einer Gruppe von einem halben Dutzend Delfinen oder Schimpansen Namen zu geben, die sich durch optische Merkmale gut unterscheiden lassen. Wenn ein Zoo aber 30 Pinguine hat, dann bringt es nicht viel, individuelle Namen zu geben, weil Besucher nicht in der Lage sind, Pinguin „Paul“ in der Gruppe zu erkennen.
    Es sei denn, „Paul“ hat ein so charakteristisches Merkmal, dass man ihn auf den ersten Blick erkennen kann.
    Die hier beschriebene Praxis, Namen von Tieren bei deren Tod anderen Tieren zu vererben, halte ich für falsch, denn der Tod gehört nun mal auch zum Leben dazu – und Trauer ist ebenfalls eine Emotion, die man ja auch seinen Haustieren zukommen lässt und die eine starke Verbindung schafft. Warum sollte es bei Zootieren anders sein.

    geschrieben von Oliver
    1. Vielen Dank für deinen Kommentar, Oliver. :o)

      geschrieben von Susanne

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