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Zoos und Tierpersönlichkeiten


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Biologen-Blog von Dr. rer. nat. Benjamin Schulz, Diplom-Biologe, Volontär, Zoo Dortmund, Teil 34
7. August 2022

Giraffe aus ungewöhnlicher Perspektive
(Foto: Marcel Stawinoga)

Über Namen entwickelt sich Mitgefühl

Mit Namen wird der Artenschutz erst richtig lebendig, denn Menschen brauchen Namen unbedingt, um eine emotionale Bindung und Mitgefühl entwickeln zu können.

Das kühl registrierte, nebenbei an uns abperlende Aussterben ganzer Tierarten in den letzten Jahrzehnten und Jahren wird schlagartig relevant, wenn Namen und persönliche Schicksale ins Spiel kommen. Deshalb braucht der Artenschutz solche Erzählungen aus den Zoos und Tierparks.

Erzählungen statt Tabellen

Und auch die Forschung in den Zoos oder der Wildbahn profitiert von Namen und Interesse weckender Erzählweise. Denn die im Peer-Review (Bewertung einer wissenschaftlichen Arbeit durch unabhängige Gutachter, Wissenschaftler desselben Fachgebiets) veröffentlichten wissenschaftlichen Ergebnisse sind eben nur etwas für die engsten Wissenschaftskreise.

Die meisten Zoobesucher und Tierinteressierten dagegen wollen sich nicht durch Statistiktabellen oder wissenschaftliche Fremdwörter durcharbeiten.

Auch wenn Beißkraftmessungen, Kotabsatz, postnatales Skelettwachstum und kognitive Tests für die Forschung wichtig sind, zum allgemeinen Verständnis müssen sie ganz anders dargeboten werden.

Besuch im Zoo von Thomas Sbampato
(Foto: Susanne Gugeler)

Persönliche Beziehung durch Namen und Geschichten

Namen und Geschichten erzeugen auch in diesem Fall eine persönliche Beziehung und vermitteln trockene Fakten als unterhaltsames Wissen.

Deshalb sollten Zoos und Tierparks die für sie relevante Forschung nicht nur publizieren, sondern auch in aufbereiteter Form an das interessierte Zoopublikum weitergeben.

Das Ziel der Zoos, auf dem Fundament der vier Säulen der Zooarbeit Tiere zu präsentieren, hat sich seit der ersten Gründung eines zoologischen Gartens nicht geändert. Die Art und Weise, wie die Tiere präsentiert werden, jedoch schon.

Vom Käfig zum Landschaftspark

Aus einer Ausstellung von Kuriositäten aus fernen Ländern in nur einrahmenden Konstruktionen sind die modernen Zoos entstanden, die mehr weitläufigen Landschaftsparks ähneln, in denen Tiere in möglichst naturnahen Gehegen und in natürlichen Verhaltensmustern gezeigt werden sollen.

Mittlerweile ist es auch ein Qualitätsmerkmal von Zoos geworden, wenn manche Tiere in ihren Gehegen nur schwer entdeckt werden können.

Regen im Manati-Haus des Nürnberger Tiergartens
(Foto: Rüdiger Hengl)

Das Leben der Tiere in sozialen Medien vorstellen

Gerade in diesem Fall ist es für die Zoos wichtig, unterstützend in den sozialen Medien aufzutreten und dort die Tierpersönlichkeiten und ihr Leben fortwährend zu präsentieren.

So können die Zoo-Interessierten auch nach dem Zoobesuch weiter teilhaben am Leben ihrer Lieblinge und zusätzliche Informationen finden.

In einigen Fällen geht diese Arbeit noch weit über einzelne Zoos hinaus und zeigt sich in transparenten, öffentlichen Zuchtbüchern von EEP-Tierarten.

Davon gibt es zurzeit leider noch wenige, aber diese Beispiele geben die Marschrichtung für die Zukunft der Öffentlichkeitsarbeit von Zoos und Zooverbänden vor.

Nicht in Vermenschlichung abrutschen

Die Vorstellung von Tierarten und das Ansprechen von Bedrohungen und Schutzmaßnahmen durch die fokussierte Nutzung von Tierpersönlichkeiten schafft eine emotionale Bindung der breiten Bevölkerung bei gleichzeitiger Präsentation tierischer Bedürfnisse, tierischen Befindens und der Natur der Tiere, ohne dabei in den kritischen Bereich der Vermenschlichung abzurutschen.

Amazonas-Flussdelfin „Baby“ (†) aus dem Duisburger Zoo
(Foto: Rüdiger Hengl)

Dieses Stilmittel der Tierpräsentation bestimmt die Gegenwart und die Zukunft der zoologischen Arbeit und schickt sich an, ein starkes Fundament für die vier Säulen zu werden um die wichtigen Themen des Artenschutzes zukunftssicher und weiterhin effektiv an die breite Öffentlichkeit zu tragen.

Botschafter für Mission der Zoos

Ich kann deshalb allen Zoos nur ans Herz legen, die Beliebtheit von Tieren nicht zu scheuen, sondern Tierpersönlichkeiten zu nutzen und sie als Botschafter für die Mission der Zoos zu nutzen.

Alle die dies schon tun, danke ich an dieser Stelle, dass sie diese wunderbare Entwicklung schon so früh mitgegangen sind und nun einen großen Beitrag dazu leisten, tagtäglich Tausende tierische Geschichten mit wichtigen Botschaften unter das menschliche Publikum zu bringen.

In diesem Sinne danke ich auch mal wieder den interessierten Fans der Meeresakrobaten.

In der Rubrik Biologen-Blog könnt ihr noch viele weitere Beiträge von Benjamin finden.

3 Kommentare

  1. Ich muss zugeben, dass ich nicht mehr so oft hier vorbei schaue wie früher, verfolge die Beiträge aber nach wie vor interessiert mit

    geschrieben von Oliver
  2. Ich denke auch, dass individuelle Namen für Tiere dazu beitragen können, dass eine „emotionale Bindung“ der Besucher zu den Tieren aufbauen können. Dies klappt umso besser, je leichter auch der Laie die einzelnen Individuen unterscheiden kann, was in der Regel um so besser funktioniert, je kleiner der Betand an Individuen einer Spezies ist. So finde ich es sinnvoll, einer Gruppe von einem halben Dutzend Delfinen oder Schimpansen Namen zu geben, die sich durch optische Merkmale gut unterscheiden lassen. Wenn ein Zoo aber 30 Pinguine hat, dann bringt es nicht viel, individuelle Namen zu geben, weil Besucher nicht in der Lage sind, Pinguin „Paul“ in der Gruppe zu erkennen.
    Es sei denn, „Paul“ hat ein so charakteristisches Merkmal, dass man ihn auf den ersten Blick erkennen kann.
    Die hier beschriebene Praxis, Namen von Tieren bei deren Tod anderen Tieren zu vererben, halte ich für falsch, denn der Tod gehört nun mal auch zum Leben dazu – und Trauer ist ebenfalls eine Emotion, die man ja auch seinen Haustieren zukommen lässt und die eine starke Verbindung schafft. Warum sollte es bei Zootieren anders sein.

    geschrieben von Oliver
    1. Vielen Dank für deinen Kommentar, Oliver. :o)

      geschrieben von Susanne

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