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Delfine und „die fünfte Freiheit“


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Biologen-Blog von Dr. rer. nat. Benjamin Schulz, Diplom-Biologe, Volontär, Zoo Dortmund, Teil 35
25. Oktober 2022

Großer Tümmler (Foto: Susanne Gugeler)

Szenario 2:

In den zwei Jahren seit der Geburt unseres Protagonisten hat sich Wichtiges getan: Eine sichere Empfängnisverhütung für männliche Delfine ist endlich verfügbar. In der Tiermedizin war diese schon seit Längerem bekannt, doch bislang fehlten für Delfine immer noch die nötigen Studien, um diese richtig einzusetzen.

Dank der Kooperation mehrerer Delfinarien mit Universitäten und finanzieller Unterstützung durch die Zoogemeinschaft sowie die Delfinarienbetreiber und nach jahrelanger Forschung steht diese wichtige Option nun zur Verfügung.

Dank des Einsatzes des neuen Mittels sowie der regelmäßigen Zykluskontrolle auch der jüngsten Weibchen ist es seitdem zu keiner weiteren Schwangerschaft mehr gekommen.

Nach fünf bzw. sechs Jahren Umzug

Drei weitere Jahre später findet sich durch die vorbildliche Kooperation der Delfinarien eine neue Heimat für die zwei jungen Schwestern und ein Jahr später transferiert auch unser Protagonist in ein anderes Delfinarium.

Seine Mutter ist erneut schwanger geworden, gezielt auch durch das zweite erwachsene Zuchtmännchen, das sich bisher noch nicht fortpflanzen konnte.

Gute Stimmung in der Gruppe
(Foto: Oliver Schmid)

Der Vater unseres abgewanderten Junggesellen lebt mit der Verhütung gut und kann weiterhin seine Bedürfnisse bei den Weibchen ausleben, doch der bereits mit Nachwuchs gesegnete Bulle muss zuchttechnisch nun verzichten, was ihm aber keine Lebensqualität nimmt.

Gute Stimmung in der Delfingruppe

Die Stimmung in der Gruppe ist weiterhin gut und die Tiere erfreuen sich anhaltender Gesundheit. Genauso wie unsere transferierten Jungtiere, die nun selbst in einer artgerechten Gruppe erwachsen werden können und dann auch die Aussicht haben, irgendwann selbst den wichtigen Zuchttrieb auszuleben und sich mit passenden genetisch gesunden Partnern fortzupflanzen.

Situationen lenken, bevor Probleme entstehen

Die gute Situation ist dem weltweit geführten Zuchtbuch zu verdanken und dessen professionellem Populationsmanagement, mit dessen Hilfe die Delfinarien es immer schaffen, Situationen zu lenken, bevor Probleme entstehen.

Aufgebaut auf diesem Ex-Situ-Management ist es in den folgenden Jahrzehnten sogar möglich, wilde bedrohte Populationen zu unterstützen, sowohl mit gezielten Wiederansiedlungen als auch mit genetischem Material in Form von Samenspenden unserer gut trainierten Delfinmännchen.

Tierwohl und Arterhaltung finden so eine gute Balance in der Delfinhaltung und genau so geht die Erfolgsstory auch in den kommenden Jahrzehnten weiter …

Auf der letzten Seite seines Beitrags erklärt Benjamin, warum das Schaffen von Tierwohl im Alleingang nicht möglich ist.

2 Kommentare

  1. Ich möchte zu meinem Blogbeitrag noch anmerken, dass ich die Szenarien schon vor längerer Zeit als Konzept aufgeschrieben habe, lange bevor der kürzlich öffentlich gewordene Inzuchtfall im Zoo Duisburg bekannt geworden ist.
    Ich habe zunächst überlegt, ob ich diesen Beitrag noch veröffentlichen soll, mich aber letzten Endes dafür entschieden, da nun tatsächlich alle in meinem Szenario 1 beschriebenen Dinge irgendwo tatsächlich passiert sind und deutlich machen, wie wichtig eine funktionierende Kooperation für die Haltung von Delfinen ist. Im aktuellen Fall würde ich dem Zoo Duisburg nie einen Vorwurf machen, weil ich auch die Hintergründe der Zuchtbuchsituation in Europa kenne und die Folgen des einseitigen politischen Drucks in mehreren Ländern, wo Delfinarien aus ideologisch verklärten Gründen geschlossen worden sind, ohne einen Plan zu haben, was mit diesen Tieren geschieht und auch welche Konsequenzen es für die verbleibenden Zoos hat. Wie ich schon in einer niederländischen Zeitung geschrieben habe, werden als Konsequenz aus der planlosen Hetze gegen Delfinhaltungen irgendwann alle jetzt unter strengen Regeln gehaltenen europäischen Delfine an neue Halter in der weiten Welt verschachert, die sich gar nicht um Tierschutz, Erhaltungszucht und Bildungsarbeit scheren. Bisher hat keine der durch Aktivisten initiierten politischen Beschlüsse zur Verbesserung der Lebensverhältnisse geführt, sondern nur dazu, dass Tiere aus kontrollierter Haltung entfernt werden mussten und nun nicht mehr greifbar sind für die Erhaltungszucht, das Tierwohl und die Forschung und führte gleichzeitig indirekt auch zu Problemen an anderen Orten wie nun auch hier in einem deutschen Zoo.

    geschrieben von Benjamin
    1. Vielen Dank für deine Ergänzung, Benjamin!

      Ich sehe es ähnlich wie du: Aktivisten, die im Namen des Tierschutzes agieren, ist überhaupt nicht bewusst, dass sie mit den Schließungsforderungen von seriös und wissenschaftlich betriebenen Delfinarien in keinster Weise zum Wohlbefinden der Tiere beitragen. Auch führen grenzwertige Aktionen (zum Beispiel das Springen in Delfinbecken, um gegen die Haltung zu protestieren) nicht dazu, dass ein einziger in freier Natur lebender Delfin, der immensen menschengemachten Gefahren ausgesetzt ist, besser geschützt wird.

      geschrieben von Susanne

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