Biologen-Blog von Dr. rer. nat. Benjamin Schulz, Diplom-Biologe, Volontär, Zoo Dortmund, Teil 35
25. Oktober 2022
Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen
Nun gut, beide beschriebenen Szenarien sind so nicht unbedingt realistisch, die Wahrheit wird in den meisten Fällen wohl irgendwo dazwischenliegen. Mir ist wichtig, dass aus den aufgezeigten Szenarien klar wird, dass das Tierwohl von Zootieren, in diesem Beispiel bei den Delfinen besonders stark, von der Kooperation und der professionellen Arbeit aller zoologischen Einrichtungen und anderer Haltungen abhängt.
Tierwohl im Alleingang ist nicht möglich
Alleine ist es kaum möglich, den Tieren optimales Tierwohl im Rahmen der fünften Freiheit zu garantieren, selbst wenn der einzelne Zoo oder das Delfinarium von seiner Seite aus alles Nötige und Richtige tut.
Die Haltung und das Management einer Gruppe von Tieren hängen unlösbar mit dem Management der gesamten Zoopopulation zusammen. Wenn die anderen Parteien ihren Aufgaben nicht nachkommen, leidet automatisch auch die verantwortlich geführte Haltung darunter.
Die fünfte Freiheit ist die schwierigste Herausforderung
Dieser kritische Aspekt macht die fünfte Freiheit zu den schwierigsten Aufgaben, die ein Zoo angehen muss, um den Tieren dauerhaft ein artgerechtes und gesundes Leben zu ermöglichen. Und er macht deutlich, worin genau die Bedeutung der Arbeit der nationalen und internationalen Zooverbände liegt.
Sie sorgen dafür, dass die Vernetzung und Zusammenarbeit reibungslos funktioniert.
Akkreditierung der Zooverbände
Klappt das immer? Wie bei allem mit vielen Parteien gibt es auch hier immer wieder Interessenskonflikte und Partner, die ihren Aufgaben besser oder schlechter nachkommen.
Genau dafür gibt es die Akkreditierung der Zooverbände, durch die eine durchgängig hohe Qualität der Tierhaltung innerhalb der Gemeinschaft sichergestellt werden soll.
Welche Rollen genau die Zooverbände und andere Interessensgruppen speziell in der Delfinhaltung spielen, möchte ich dann im nächsten Beitrag erläutern und auf Probleme und Chancen aufmerksam machen.
Bis dahin hoffe ich, dass dieser Artikel für euch interessant war, wünsche allen Meeresakrobaten-Fans wie immer alles Gute und verabschiede mich bis zum nächsten Mal!
Euer Benjamin
In der Rubrik Biologen-Blog könnt ihr noch viele weitere Beiträge von Benjamin finden.
Ich möchte zu meinem Blogbeitrag noch anmerken, dass ich die Szenarien schon vor längerer Zeit als Konzept aufgeschrieben habe, lange bevor der kürzlich öffentlich gewordene Inzuchtfall im Zoo Duisburg bekannt geworden ist.
Ich habe zunächst überlegt, ob ich diesen Beitrag noch veröffentlichen soll, mich aber letzten Endes dafür entschieden, da nun tatsächlich alle in meinem Szenario 1 beschriebenen Dinge irgendwo tatsächlich passiert sind und deutlich machen, wie wichtig eine funktionierende Kooperation für die Haltung von Delfinen ist. Im aktuellen Fall würde ich dem Zoo Duisburg nie einen Vorwurf machen, weil ich auch die Hintergründe der Zuchtbuchsituation in Europa kenne und die Folgen des einseitigen politischen Drucks in mehreren Ländern, wo Delfinarien aus ideologisch verklärten Gründen geschlossen worden sind, ohne einen Plan zu haben, was mit diesen Tieren geschieht und auch welche Konsequenzen es für die verbleibenden Zoos hat. Wie ich schon in einer niederländischen Zeitung geschrieben habe, werden als Konsequenz aus der planlosen Hetze gegen Delfinhaltungen irgendwann alle jetzt unter strengen Regeln gehaltenen europäischen Delfine an neue Halter in der weiten Welt verschachert, die sich gar nicht um Tierschutz, Erhaltungszucht und Bildungsarbeit scheren. Bisher hat keine der durch Aktivisten initiierten politischen Beschlüsse zur Verbesserung der Lebensverhältnisse geführt, sondern nur dazu, dass Tiere aus kontrollierter Haltung entfernt werden mussten und nun nicht mehr greifbar sind für die Erhaltungszucht, das Tierwohl und die Forschung und führte gleichzeitig indirekt auch zu Problemen an anderen Orten wie nun auch hier in einem deutschen Zoo.
Vielen Dank für deine Ergänzung, Benjamin!
Ich sehe es ähnlich wie du: Aktivisten, die im Namen des Tierschutzes agieren, ist überhaupt nicht bewusst, dass sie mit den Schließungsforderungen von seriös und wissenschaftlich betriebenen Delfinarien in keinster Weise zum Wohlbefinden der Tiere beitragen. Auch führen grenzwertige Aktionen (zum Beispiel das Springen in Delfinbecken, um gegen die Haltung zu protestieren) nicht dazu, dass ein einziger in freier Natur lebender Delfin, der immensen menschengemachten Gefahren ausgesetzt ist, besser geschützt wird.