Meeresakrobaten, 2. Februar 2023
Vor Kurzem habe ich euch die Lahille’s Großen Tümmler aus Brasilien vorgestellt.
Auch heute geht es um eine Delfin-Population, die im Süden Brasiliens lebt.
Außergewöhnliche Kooperation
Eine Gruppe Großer Tümmler hat in der Nähe des Küstenortes Laguna ihre Jagdtechnik an die Bedürfnisse der traditionellen Netzfischer angepasst. Die Meeressäuger schwimmen ganz nah ans Ufer und treiben ihre Beute in die Richtung der Fischer.
Während in anderen Regionen Delfine als Konkurrenten und Diebe beschimpft und aus diesem Grund immer wieder von Fischern erschossen werden, arbeiten in Laguna Fischer und Delfine seit mindestens 140 Jahren zusammen.
Feinmaschige Netze werden schon lange benutzt
Diese außergewöhnliche Kooperation ist durch einen Brief aus dem 19. Jahrhundert schriftlich belegt. Wie lange Delfin und Mensch tatsächlich schon zusammen auf die Jagd gehen, weiß man nicht.
Die feinmaschigen Netze werden jedenfalls seit dem 16. Jahrhundert von den Brasilianern benutzt. Sie stammen ursprünglich von Immigranten von den Azoren.
Win-Win-Situation
In einer Studie, die sich über 15 Jahre hinzog, kamen Forscher aus Brasilien und vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz zu dem Schluss, dass die Delfine ihr Verhalten aktiv zum Wohle von Mensch und Tier koordinieren.
Die vor Kurzem erschienene Veröffentlichung ist unter dem Titel Fishing in synchrony brings mutual benefits for dolphins and people in Brazil, research shows abrufbar.
Durch den Einsatz von Drohnen und Unterwasseraufnahmen konnten MMI-Assistent Professor Mauricio Cantor und seine Kollegen und Kolleginnen herausfinden, dass die Laguna-Fischer und die Großen Tümmler ihr Verhalten miteinander abstimmen. Offenbar ist es für beide eine Win-Win-Situation.
* Für den Menschen: Zusammen mit den Delfinen werden fast viermal so viele Fische gefangen als ohne die Hilfe der Meeressäuger.
* Für die Delfine: Die Überlebenserwartung der Delfine, die sich an der Jagdtechnik beteiligen, steigt um 13 Prozent. Sie erwischen die schnell schwimmenden Fische eher in Küstennähe als auf offenem Meer.
In die Enge getrieben
Wenn die Delfine abrupt abtauchen, ist das ein Zeichen für die Fischer, ihre Netze auszuwerfen.
Anhand der aufgenommenen Delfinlaute registrierten die Biologen, dass die Navigations-Klicks der Delfine in pulsierende Klicks umschlugen, wenn sie Jagd auf Beute machten.
Die Fische verlieren ihre Orientierung, wenn sie von Menschen und Delfinen in die Enge getrieben werden. Einzelne Tiere werden bei dieser Jagdtechnik isoliert.
In diesem Chaos machen die Delfine leichte Beute. Manche Delfine bedienen sich auch an den Netzen und ziehen ein paar Meeräschen heraus.
Im Winter werden vor allem Meeräschen gejagt, im Sommer Sardellen. Wenn sich kein Delfin am Horizont zeigt, sehen die Fischer keine Notwendigkeit, ihre Netze auszuwerfen.
Auch anderswo gibt es ähnliche Kooperationen
Eine ähnliche Kooperation kennt man aus Myanmar von den Irawadi-Delfinen, wo Menschen ebenfalls mithilfe von Delfinen fischen.
Dazu werden sie von den Fischern mit gurrenden Lauten angelockt. Wenn das nichts nützt, klopfen sie mit einem Metallstift auf den Schiffsrumpf – und schon zeigen sie sich: die Irawadi-Delfine.
Ragt die Schwanzflosse senkrecht aus dem Wasser, ist das ein Zeichen für die Fischer. Sie werfen ihre Netze aus. Die Falle schnappt zu. Die Fische werden das Opfer einer Kooperation zwischen Mensch und Delfin.
Die Fischereitechnik wird von Generation zu Generation weitergegeben – sowohl von den Fischern als auch von den Delfinen.
Zusammenspiel ist gefährdet
Mensch und Delfin sind auf eine starke Fischpopulation angewiesen, damit beide Jagderfolg haben. Doch die Zahl der Fische geht immer weiter zurück.
Leider nimmt auch das Interesse an der traditionellen Jagd ab.
Um dem entgegenzuwirken, soll der Einsatz von illegalen Netzen geahndet werden. Die Forscher und Forscherinnen der Laguna-Studie empfehlen außerdem, mit den Fischern zusammenzuarbeiten und die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung der Netzfischerei zu betonen.
Anreiz dafür könnte sein, dass der Preis für traditionell gefangenen Fisch höher festgesetzt wird. So könnte der kulturelle Wert erhalten bleiben.
(Quellen: Max-Planck-Gesellschaft, Oregon State University und Meeresakrobaten-Artikel)
Die Meeresakrobaten hatten bereits vor zehn Jahren über Escubi, Filipe und die anderen Delfine aus dem Küstenort Laguna berichtet.
Lesetipps
* Im Süden Brasiliens helfen Delfine den Menschen beim Fischfang
* Seltene Symbiose: Delfine machen gemeinsame Sache mit Menschen
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* Mit Gurren und Klopfen zum Erfolg
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* Eine schöne Delfin-Geschichte