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Flussdelfine mit Quecksilber belastet


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Meeresakrobaten, 23. Mai 2023

Flussdelfine
(Foto: Roland Edler)

Die Washington Post berichtete am 9. Mai 2023 über eine im kolumbianischen Amazonasgebiet durchgeführte Exkursion zum dort lebenden Flussdelfin (Inia geoffrensis).

Blutproben weisen auf Quecksilberbelastung hin

Dr. Fernando Trujillo, der sich bereits jahrzehntelang mit der Erforschung der Inias beschäftigt, fuhr mit seinem Team in die Region, wo die Flüsse Meta und Orinoco zusammenfließen.

Bei mehreren kurzzeitig gefangenen Delfinen wurden Blut- und Gewebeproben entnommen.

Zu den größten Sorgen des Wissenschaftlers gehört die Belastung der Tiere durch Quecksilber, ein im Bergbau verwendetes Schwermetall, das tödliche Schäden an Gehirn, Herz und Nieren verursachen kann.

Da Delfin und Mensch die gleichen Fische essen, sagt der Gesundheitszustand der Delfine auch etwas über die Gefährdung der Menschen aus.

Amazonas-Delfin
(Foto: Fernando Truijllo)

Wächter der aquatischen Ökosysteme

Im Amazonasgebiet sind Flussdelfine die Kanarienvögel im Kohlebergwerk – „die Wächter der aquatischen Ökosysteme“, erklärte Jimena Valderrama, eine Tierärztin, die seit drei Jahren mit Trujillo zusammenarbeitet: „Sie sammeln das, was wir in den Flüssen entsorgen.“

Tests ergaben, dass drei der untersuchten Flussdelfine durchschnittlich 3,45 Mikrogramm Quecksilber pro Liter Blut aufwiesen – ein Wert, den Trujillo als „alarmierend“ bezeichnet.

Mehr als 30 Mikrogramm Quecksilber im Blut

„Einen Fisch mit 1,2 Mikrogramm Quecksilber sollten wir nicht essen“, warnt der Experte.

Aber er hat Schlimmeres gesehen: Die höchsten Quecksilberwerte bei Flussdelfinen in ganz Südamerika wurden im Orinoco-Becken festgestellt, wo sie 30 Mikrogramm überschreiten können.

Aber nicht nur in Kolumbien weisen Delfine hohe Quecksilberbelastungen auf. Auch in den Everglades in Florida und in den Gewässern um den japanischen Fischerort Taiji wurden hohe Quecksilberwerte registriert.

Flussdelfin Baby aus dem Duisburger Zoo, der 2020 in hohem Alter verstorben ist.
(Foto: Rüdiger Hengl)

Gold- und Coltanabbau

Der Orinoco-Fluss, der Venezuela und Kolumbien im Amazonas trennt, wird durch den Gold- und Coltanabbau verschmutzt. Zur Gewinnung des Goldes verwenden Bergleute häufig Quecksilber.

Die Weltgesundheitsorganisation identifiziert Quecksilber als eine von zehn Chemikalien, die für die öffentliche Gesundheit schädlich sind.

Auch der Wissenschaftler wurde vergiftet

Studien zum Quecksilbergehalt in der menschlichen Bevölkerung in der Nähe des Orinoco-Flusses seien begrenzt, sagte Trujillo.

Als die Washington Post nach seinem eigenen Wert fragte, ließ er sich testen – und stellte fest, dass dieser mehr als zehnmal so hoch war wie der der Delfine: 36,25 Mikrogramm.

Nach 30 Jahren der Delfinforschung in diesen Gewässern wurde auch Trujillo vergiftet.

Dr. Fernando Trujillo bei einem Vortrag im Nürnberger Tiergarten
(Foto: Rüdiger Hengl)

Seit Jahrzehnten im Dienst der Flussdelfine

Der 55-jährige Wissenschaftler beschäftigt sich seit seinem College-Studium in den 1980er-Jahren mit Amazonas-Flussdelfinen.

1993 war Fernando Trujillo Mitbegründer der Omacha Foundation, die sich auf den Schutz von Tieren und Ökosystemen konzentriert. (In der Sprache des indigenen Tikuna-Volkes bedeutet „Omacha“ der Delfin, der sich in einen Menschen verwandelt hat.)

Der Biologe hat mit Organisationen wie dem World Wildlife Fund, dem Whitley Fund for Nature und, zusammen mit anderen Wissenschaftlern aus den Regionen Orinoco und Amazonas, der South American River Dolphin Initiative zusammengearbeitet. Er gilt als einer der wenigen weltweiten Experten für Flussdelfine und ist zu einem bekannten Gesicht in Dokumentarfilmen und Spielfilmen über die Amazonasregion geworden.

Anmerkung Meeresakrobaten: Auch im Nürnberger Tiergarten war Fernando Trujillo bereits Gast und hat über die Schutzbemühungen für den Amazonas-Flussdelfin referiert. Die im Zoo ansässige Artenschutzorganisation Yaqu Pacha unterstützt die Projekte in Südamerika.

Flussdelfine
(Foto: Verena Pecsy)

Es geht vor allem um Kälber-Schutz

„ Delfine sind ein Indikator: Wenn sie ein Problem haben, haben wir auch ein Problem, da wir gemeinsame Ernährungsgewohnheiten haben“, sagte José Saulo Usma, Koordinator des Süßwasserprogramms des World Wildlife Fund für Kolumbien.

Da Delfin-Weibchen standorttreuer sind als Männchen, sei es besonders wichtig, die Gebiete, in denen sie ihre Jungen aufziehen, zu identifizieren und zu schützen, mahnt Trujillo. „Wenn diese Orte verschmutzt sind, könnten die Kälber nicht überleben.“

Delfine sind „Botschafter

Trujillo hat mehr als 40 Expeditionen weltweit geleitet. Dies war die fünfte binationale Expedition. Er wurde von Regierungsbeamten aus Kolumbien und Venezuela begleitet. Seine Hoffnung bestand darin, beide Regierungen dazu zu bewegen, beim Schutz der Flüsse zusammenzuarbeiten.

Die Delfine, sagte Trujillo, seien gute „Botschafter“. Die menschliche Zuneigung zu den Tieren kann Regierungsbeamte und die breite Öffentlichkeit dazu veranlassen, ihre Aufmerksamkeit auf die gewaltigen Probleme zu richten, mit denen der Amazonas konfrontiert ist.

„Wenn wir die Abholzung stoppen, die das natürliche Quecksilber im Amazonas-Boden freisetzt, und an sauberen Bergbautechnologien arbeiten, können wir eine bessere Zukunft haben“, sagte er. „Alles, was wir brauchen, sind entschlossene politische Maßnahmen.

Flussdelfin
(Foto: Roland Edler)

Kein Konsens über Quecksilberwerte

Es besteht kein Konsens darüber, wie viel Quecksilberbelastung für den Menschen zu hoch ist.

Einige Behörden glauben, dass Werte über 5 Mikrogramm pro Liter Blut Alarm auslösen sollten; andere sagen, dass Werte unter 20 als normal angesehen werden können. Aber so oder so geben Trujillos Ergebnisse Anlass zur Sorge.

Seit Trujillo die Auswertung seiner Quecksilberbelastung kennt, sorgt er sich insbesondere um die indigenen Gemeinschaften, die am Flussufer leben.

Er denkt aber auch an die Menschen in ganz Kolumbien und darüber hinaus, die Fisch aus den Flüssen Orinoco oder Amazonas essen. „Jeder sollte seinen Quecksilbergehalt kennen“, fordert er.

Keine Möglichkeit für Tests

Aber in Puerto Carreño, der kleinen Stadt am Zusammenfluss der Flüsse Meta und Orinoco, gibt es kein Labor, um Bluttests auf Quecksilber durchzuführen.

Die Proben der Delfine wurden zur Verarbeitung Hunderte von Kilometern geflogen. In Kolumbien sind nur wenige Unternehmen für die Durchführung des Tests zertifiziert.

Trujillo hält nun strenge Diät ein

Trujillo versucht nun, die Auswirkungen des Quecksilbers in seinem Körper zu verringern.

Er hat sich mit einem Toxikologen getroffen und begonnen, eine strenge Diät einzuhalten, die reich an Selen ist, was die toxischen Wirkungen des Quecksilbers umkehren kann. Er vermeidet den Verzehr von Fisch und Schalentieren.

Aber ihm ist bewusst, dass das Schwertmetall in seinem Blut eines Tages seinem Nervensystem großen Schaden zufügen könnte. „Ich weiß, dass ich eine tickende Bombe in mir habe, die jeden Moment hochgehen kann.“
(Quelle: The Washington Post)

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