Meeresakrobaten, 20. Juni 2024
Treffender Titel
Im aktuellen mare-Magazin wurde ein Artikel über unseren langjährigen Freund, Wal-Experten und Meeresakrobaten-Berater Günther Behrmann veröffentlicht.
Den Titel des Textes – „Der König der Wale“ – finde ich treffend gewählt. Und der Beitrag ist eine schöne Würdigung von Günthers Arbeit und Forscher-Leidenschaft, auch wenn einige Aussagen nicht richtig wiedergegeben wurden. Weiter unten dazu mehr.
In diesem Meeresakrobaten-Beitrag fasse ich den mare-Artikel kurz zusammen. Außerdem habe ich eigene Sichtweisen eingestreut. Die Fotos stammen aus unseren Begegnungen mit Günther oder sind früheren Veröffentlichungen entlehnt.
Leiter des Nordseemuseums
Der mare-Beitrag handelt nicht nur von Günthers Errungenschaften in Sachen Meeressäuger, er stellt Günther außerdem als den Schöpfer des Bremerhavener Nordseemuseums vor.
Der Leser erfährt, dass Günther Ende 1944/Anfang 1945 bereits als Jugendlicher im Halberstädter Museum seinen Schulkameraden die dort ausgestellte Sammlung erklärte. Für ihn stand schon früh fest, dass er einmal Museumsleiter werden wollte.
1972 war es dann soweit: Günther wurde in Bremerhaven Museumsleiter im Institut für Meeresforschung.
Viele interessierte Bremerhavener und Schulklassen schauten sich die Sammlung an und lauschten den sphärischen Klängen der Wale. Es gab Tiefseedioramen und ausgestopfte Tiere zu bewundern.
Wertvolle Exponate lagern in Kisten
Leider wurde das Nordseemuseum im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen 1999 geschlossen. Seither lagern viele Exponate in Kisten und werden Liebhabern von Tiefseefischen und anderen Meerestieren nicht mehr zugänglich gemacht.
Pottwal 1
Erwähnt wird bei mare auch der riesige tote Pottwal, der am 20. November 1984 in der Außenweser trieb.
Mit vielen Helfern gelang es Behrmann, den 57 Tonnen schweren Wal in Brocken zu zerlegen und die Knochen in Wasser auszukochen.
Doch leider war das Skelett des Meeressäugers für das Nordseemuseum zu groß. Der 1,5 Tonnen schwere Schädel passte nicht durch die Tür. So lagerte das Skelett 15 Jahre in Containern, bis es endlich im Deutschen Schifffahrtsmuseum eine Heimat fand.
Pottwal 2
Bei einem weiteren Pottwal, der zehn Jahre später vor Baltrum strandete, traf sich Günther Behrmann mit dem Leichenpräparator Gunther von Hagens im Inneren des Tieres.
Der eine wollte die Speise- und Luftröhre erforschen, der andere die inneren Organe des Wals plastinieren. Den Pottwal samt plastinierter Organe kann man heute im Wattenmeer Besucherzentrum in Wilhelmshaven bestaunen.
Hohe Anerkennung durch Sultan
Aber auch Günthers Verdienste im Ausland sind Thema des mare-Artikels.
So präparierte der Wal-Experte am Golf von Oman einen Zwergpottwal. Er bekam einen Dreijahresvertrag am Museum von Omans Hauptstadt Maskat und als Dank für seine Arbeit vom Sultan einen kostbaren Dolch als Andenken.
Weitere Stationen, in denen er als Forscher und Präparator gefragt war, waren Dominica in der Karibik und Kuramathi auf den Malediven.
Publikationen
Behrmann hat seit 1965 viel publiziert. Man findet seine Veröffentlichung unter anderem in der Datensammlung PANGAEA.
mare-Recherche lässt Sorgfalt vermissen
Auch wenn die Würdigung von Günthers Arbeit im mare-Artikel aus meiner Sicht gelungen ist, war ich etwas enttäuscht, weil sich im Text etliche Unstimmigkeiten eingeschlichen haben.
Damit meine ich keine orthographischen Fehler – dagegen ist wohl kein Redakteur gefeit -, sondern falsche Informationen. Diese rühren eventuell aus Missverständnissen oder ungenügender Recherche.
Richtigstellungen zum mare-Artikel
Günther ist nicht nur ein genialer Forscher, sondern auch ein kritischer Leser. So hat er mir geschrieben, dass einige Dinge im mare-Artikel nicht richtig wiedergegeben wurden. Ich habe die Richtigstellungen in gelber Schrift hervorgehoben. Sämtliche Zitate stammen aus dem aktuellen mare-Heft Nr. 164, Seiten 116 bis 120.
Delfin, Walross und Finnwal
Zitat mare: „Unter der Decke schwebt das Skelett eines Zwergwals.“
An der Decke in Günthers Walforschungszimmer schwebt kein Zwergwal-Skelett, sondern dort hängen die Skelette eines Weißseiten- und eines Gemeinen Delfins. An der Wand befindet sich das Flossenskelett eines Grindwals.
Zitat mare:“Andere rätselten über die Anatomie der ausgestopften Seekuh …“
Im Museum stand ein Walross von Sylt und keine Seekuh.
Zitat mare:“… nur dass über einem das mächtige Skelett eines Pottwals hing.“
Im Museum hing das Skelett eines Finnwals und nicht das eines Pottwals.
Brocken statt Stückchen
Zitat mare:“Behrmann, der zusammen mit … das Mathematikum in Halberstadt besuchte, …“
Günther hat in Halberstadt nicht das Mathematikum, sondern das Martineum besucht.
Zitat mare:“… den Wal in 200 bis 500 Gramm schwere Brocken zerteilten, die mit einem Bagger in Container geladen und abtransportiert wurden.“
Natürlich handelt es sich um 200 bis 500 Kilogramm schwere Brocken …
Zitat mare:“Von Behrmann präparierte Eisbärin Suse.“
Der Eisbär ist nicht von Günther, sondern von Manfred Graefe (von Günther Behrmann ausgebildet) präpariert worden.
Auch wenn ich es bedauerlich finde, dass im mare-Artikel einige unrichtige Behauptungen stehen, halte ich den Beitrag in weiten Teilen für eine gelungene Hommage an Günther Behrmann.
Forscher mit scharfem Verstand
Rüdiger Hengl, Gast-Autor und Fotograf der Meeresakrobaten, ist ebenfalls seit langer Zeit mit Günther befreundet. Er hat ein paar treffende Worte formuliert, die ich hier gerne wiedergebe:
„Günther Behrmann, ein Wissenschaftler, der noch aus einer Zeit stammt, in der direkte Beobachtungen und eigene manuelle Untersuchungen zentral waren. Mit geschickten Händen und einem scharfen Verstand entdeckte er die Geheimnisse des Lebens durch sorgfältige Präparation, während parallel die sogenannten ‚modernen Methoden und Technologien‘ langsam ihren Weg in die Forschung fanden. Behrmanns tiefes Wissen und seine praktische Erfahrung machen ihn zu einer lebenden Legende der Biologie. Ich bin stolz, ihn zum Freund zu haben.“
Dieser Einschätzung kann ich mich nur anschließen.
Ohne Günther gäbe es keine Meeresakrobaten-Anatomie
Schon öfter habe ich auf meiner Website Günthers Forschertätigkeiten gewürdigt (siehe auch Lesetipps unten). So gäbe es ohne die Studien und Ausarbeitungen von Günther keine Rubrik Anatomie bei den Meeresakrobaten.
Günther schaut genau hin
Was mir an Günther besonders gefällt, ist, dass er seine Schlüsse erst zieht, wenn er vorher ein Tier genau obduziert hat oder sich über Experimente Abläufe plausibel gemacht hat.
Sein Wissen stammt nicht aus Büchern oder theoretisch verfassten Blättern, sondern voll und ganz aus der Praxis. Er ist sich nicht zu schade, in einen stinkenden Walkörper zu klettern und sich die anatomischen Besonderheiten vor Ort anzusehen.
Aber nicht nur die Riesen der Ozeane schaut sich Günther vor Ort genau an. Er forscht auch an kleinsten Zellen, wozu er ein hochauflösendes Mikroskop einsetzt. Mit dessen Hilfe untersuchte er zum Beispiel die Chromatozyten in den Hautzellen der Wale.
Lesetipps
* Förderverein Nordseemuseum Bremerhaven e.V.
* 90 Jahre Günther Behrmann …
* Veröffentlichungen von Günther Behrmann
* Anatomie
* Günther Behrmann: Ein Leben für die Wale
* Ein Pottwal vor der Haustür
* Schweinswal – da bläst er!
* FINN und der Wal-Experte
* Wal-Experte erklärt die Strandungen
* Günther Behrmann und der Pottwal von Cuxhaven
* Kein Ruhestand in Sicht
* Der Meister der Wale
* Ein dreifaches Hoch auf den Wal-Experten
* Mann im Pottwal
* Wal-Experte bei der Arbeit
* Knochenjob im Urlaubsparadies
* Schneewittchen
* Wale in der Nordsee
* Evolution der Wale im Unterricht
* Auf den Zahn gefühlt
* Knochenarbeit
Nach meinem Kenntnisstand war Günther lange Zeit Leiter des Nordseemuseums in Bremerhaven, wo neben Museumspädagogen, die dort beschäftigt waren, u.a. auch Lehrlinge zu Tierpräparatoren ausgebildet und viele Unterrichtsmaterialien für Schulen erstellt wurden.
1986 wurde die Einrichtung in das neu gegründete Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) integriert. Da dieses Institut als staatliche Einrichtung angeblich keinen Museumsbetrieb betreiben durfte, wurde das Nordseemuseum geschlossen und die Präparate schließlich in Kisten verpackt und eingelagert.
Alle Versuche, die Exponate der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen, sind gescheitert. Ob es an finanziellen Problemen lag oder aus anderen Gründen politisch einfach nicht gewollt war, ist mir nicht klar.
So verschwanden große Teile von Günthers Lebenswerk– buchstäblich vor seinen Augen – „in der Versenkung“.
Wirklich schade.