Berichte

Delfin stützt tagelang totes Jungtier


Themen: ,

Meeresakrobaten, 15. September 2024

Rundkopfdelfin
(Foto: Roland Edler)

Eine Rundkopfdelfin-Mutter wurde von Forschern in Galicien dabei beobachtet, wie sie fünf Tage lang ihr totes neugeborenes Kalb an der Wasseroberfläche hielt.

Delfin-Forschung in Galizien

Dazu hat Dr. Bruno Díaz López (den ich 2009 persönlich auf Sardinien kennenlernen durfte) 2023 eine Studie veröffentlicht.

Delfin stützte Kalb fünf Tage lang

Am 21. September 2020 wurde am Abend die Leiche eines neugeborenen Rundkopfdelfins an der Oberfläche der Ría de Arousa (Meeresbucht in Galicien/Nordwestspanien) treibend beobachtet. Angesichts des äußeren Körperzustands (d. h. aufgeblähter Körper und Hautfärbung) war das Kalb höchstwahrscheinlich weniger als 48 Stunden tot.

In der Gegend war nur ein lebender erwachsener Rundkopfdelfin anwesend, der die Leiche bei sich trug. Das als GGR019 identifizierte Individuum wurde erstmals am 26. September 2018 in enger Verbindung mit einem anderen abhängigen Kalb beobachtet und daher als weiblich eingestuft.

Großer Tümmler mit totem Kalb
(Photo courtesy of Marianna Boorman)

Das Weibchen wurde dann am 23. und 24. September 2020 (20 km bzw. 40 km vom ersten Beobachtungsort entfernt) mit seinem verstorbenen Kalb und am 30. September 2020 mit anderen erwachsenen Individuen gesichtet, wahrscheinlich nachdem die Mutter das tote Neugeborene verloren oder endgültig aufgegeben hatte.

Epimeletisches Verhalten

Solches Verhalten nennt man epimeletisch (pflegerisch). Darunter versteht man, dass sich ein gesundes Individuum um ein verletztes, krankes oder totes Individuum kümmert.

Dieses Verhalten wird sowohl bei einem Individuum derselben oder einer anderen Art als auch bei einem jungen oder einem erwachsenen Tier ausgeübt.

Auch bei anderen Säugetieren – wie Flusspferden, Elefanten Schimpansen und 21 Walarten – wurde bereits epimeletisches Verhalten dokumentiert.

Rundkopfdelfin
(Foto: Frank Blache)

Bei Waltieren variiert die Dauer epimeletischer Ereignisse Berichten zufolge zwischen weniger als einem Tag und 17 Tagen. Im Fall aus Galicien hatte die Mutter die Leiche des Neugeborenen mindestens fünf Tage lang gestützt.

Mutter ist bald erneut empfängnisbereit

Junge Rundkopfdelfine werden normalerweise mehrere Jahre von ihrer Mutter betreut. Nachdem ein Kalb geboren wurde, ist die Delfin-Mutter im Allgemeinen nach etwa sechs bis 32 Monaten wieder empfängnisbereit.

Rundkopfdelfine in spiegelglatter See
(Foto: Frank Blache)

Nach dem Tod eines Kalbes wird diese Zeit jedoch deutlich verkürzt. Sobald die Milchproduktion aufgehört hat, beginnt der normale Fortpflanzungszyklus der Mutter.

Die hormonellen Veränderungen, die die Mutter auf die Ankunft eines neuen Babys vorbereiten, könnten zur Aufgabe der Überreste des Neugeborenen im oben beschriebenen Fall beigetragen haben.

Delfin gab keine Geräusche von sich

Bei der Analyse der akustischen Aufzeichnungen wurden keine Geräusche (Echoortungsklicks oder soziale Signale) festgestellt, die dem Delfin zugeschrieben werden konnten, der das epimeletische Verhalten zeigte. Wahrscheinlich hat das Muttertier die Rufe eingestellt, als das Kalb tot war.

Kontaktrufe zwischen Müttern und Nachwuchs sind wichtig, um eine angemessene elterliche Fürsorge sicherzustellen.

Tiere haben Bewusstsein für den Tod

Forscher gehen davon aus, dass Tiere mit großen Gehirnen, komplexen sozialen Gesellschaften und ausgedehnter elterlicher Fürsorge ähnliche Reaktionen auf tote Individuen aufweisen und möglicherweise ein gesteigertes Bewusstsein für den Tod haben.

Rundkopfdelfine mit Narben
(Foto: Roland Edler)

Trauer bedeute Stress

Trauern kann erhebliche Auswirkungen auf das Überleben des unterstützenden Individuums haben, da es

*** mehr Energie verbraucht,
*** Stress hat,
*** stärker dem Risiko von Raubtieren ausgesetzt ist und
*** weniger Möglichkeiten zur Nahrungssuche hat.

In diesem Fall hat die mutmaßliche Mutter den Kadaver mindestens fünf Tage lang unterstützt, ohne dass ein Fressverhalten beobachtet wurde. Wahrscheinlich wurde sie im Lauf der Zeit immer schwächer.

Erheblicher Energieaufwand

Ebenso stellt das Schwimmen mit einem toten Kalb einen erheblichen Energieaufwand dar und hat höchstwahrscheinlich den Energiehaushalt der Mutter beeinträchtigt.
(Quelle: Epimeletic behavior in a free‑ranging female Risso’s dolphin (Grampus griseus))

Lesetipps

* Sind Delfine gute Mütter?
* Delfine zeigen Trauer-Verhalten
* So trauern Delfine um Artgenossen
* Eine Delfin-Mutter trauert um ihr Baby
* Besuch im Delfin-Forschungsinstitut auf Sardinien

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert