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Stellungnahme einer Delfin-Expertin, Teil 3


Dr. Kerstin Ternes ist Leitende Zootierärztin des Zoos Duisburg, Kuratorin des Duisburger Delfinariums sowie Fachtierärztin für Zoo- und Wildtiere.

Die neugierigen Duisburger  (Foto: Rüdiger Hengl)

Die neugierigen Duisburger
(Foto: Rüdiger Hengl)

In Duisburg ist Dr. Ternes u.a. auch für die dort lebenden sieben Großen Tümmler zuständig. Anlässlich der öffentlichen Anhörung im Düsseldorfer Landtag am 28. April 2014 (die MEERESAKROBATEN hatten darüber berichtet) hat Dr. Ternes die Stellungnahmen der Delfinariengegner in einem eigenen Statement bewertet.

Da diese Bewertung sehr umfangreich ist, habe ich sie in mehrere Teile gegliedert, die nach und nach bei den MEERESAKROBATEN veröffentlicht werden.

TEIL 1: Kritische Bemerkungen zur Stellungnahme von Dr. Tanja Breining, PETA Deutschland
TEIL 2: Kritische Bemerkungen zur Stellungnahme von Dr. Karsten Brensing, WDC
TEIL 3: Kritische Bemerkungen zur Stellungnahme von Nicolas Entrup, Shifting Values
TEIL 4: Kritische Bemerkungen zur Stellungnahme von Jürgen Ortmüller, Steuerberater und Geschäftsführer des WDSF

Heute geht es um die Stellungnahme von Nicolas Entrup, Shifting Values

Wildfänge sind schon lange kein Thema mehr

Herrn Entrups Stellungnahme bezieht sich fast ausschließlich auf den Wildfang von Delfinen. Als Sachverständiger zum Thema Delfinhaltung sollte Herr Entrup freilich wissen, dass das Thema Wildfang für die europäischen Delfinarien, die Mitglied in der European Association of Aquatic Mammals (EAAM) sind, seit vielen Jahren von keinerlei Bedeutung mehr ist.

Der letzte Wildfang für ein EAAM-Delfinarium erfolgte im Jahr 2003. Der letzte Wildfang für ein deutsches Delfinarium im Jahr 1990. Der letzte Wildfang für das Duisburger Delfinarium im Jahr 1982, vor über 30 (!) Jahren.

Zu Recht prangert Herr Entrup den Wildfang von Delfinen für kommerzielle Delfinshows speziell in den Touristenhochburgen z.B in Ägypten an, verkennt hierbei jedoch, dass all diese Einrichtungen nicht Mitglied der EAAM sind, mit denen kein EAAM-Delfinarium und auch kein deutsches Delfinarium jemals kooperieren.

(Anmerkung MEERESAKROBATEN, 5. Juni 2014: Herr Entrup macht in einem Kommentar vom 4. Juni 2014 darauf aufmerksam, dass man den Begriff „Ägypten“ nicht in seiner Stellungnahme findet. Ich denke mal, dass dies hier keine Rolle spielt und Ägypten als bekannte Touristenhochburg von Frau Ternes nur als Beispiel für viele andere Touristenhochburgen genannt wurde. Frau Ternes ging es darum, dass kommerzielle Delfinshows in Touristenhochburgen nicht Mitglied der EAAM sind.)

Hier werden seitens Herrn Entrup „Äpfel mit Birnen“ verglichen, indem er alle Delfinhaltungen, sowohl die anerkannten Delfinarien der EAAM als auch die rein kommerziellen Delfinshows, die nie Mitglied der EAAM werden können, „in einen Topf wirft“ und hiermit ein völlig verzerrtes und falsches Bild abliefert.

Gefangene Delfine in Taiji (Foto: Boyd Harnell)

Zoos verurteilen Treibjagden in Taiji (Foto: Boyd Harnell)

Zoos sind gegen Treibjagden

Die Mitgliederzoos der EAAM sprechen sich seit Jahren gegen Treibjagden im Freiland und die damit einhergehenden Wildfänge aus.

Ganz aus dem Kontext gerissen wird seitens Herrn Entrup zudem eine Aussage des Nürnberger Zoodirektors Dag Encke, der dahingehend zitiert wird, dass man auf Wildfänge nicht verzichten könne. Die Tatsache, dass Herr Encke hiermit meine, dass man auf Zuchterfolge der bereits in den europäischen Delfinarien gehaltenen Wildfänge angewiesen sei, die z.T. noch keine Zuchterfolge aufzuweisen haben, wird hierbei nicht erwähnt, sondern der Eindruck erweckt, dass Herr Encke die Meinung vertritt, dass noch mehr Delfine für Delfinarien gefangen werden müssten.

Internationale Rechte

Zum Ende seiner Ausführungen weist Herr Entrup auf das Zuchtbuch des Großen Tümmlers hin, welches nicht frei zugänglich ist, da es sich hierbei um ein Europäisches Zuchtbucht handelt, welchem auch Halter angehören, die nicht dem deutschen Recht unterliegen und somit frei entscheiden können, ob sie ihre Informationen an Organisationen herausgeben möchten, die sich zur Aufgabe gemacht haben, Delfinarien zu schließen.

2 Kommentare

  1. Verzeiht liebe Leute, aber ich habe selten einen fachlich inkompetenteren Kommentar zu meinen Stellungnahmen gelesen als diesen. Schade eigentlich, denn ich hätte mich über eine fachliche Auseinandersetzung gefreut. Bitte informieren Sie mich, wenn Frau Dr. Ternes sich ernsthaft mit meiner Stellungnahme auseinander setzt und kommentiert: contact@shiftingvalues.com
    Ich rate jedoch an, dass Sie zunächst korrekt zitieren bzw. Angaben, wo es um angeblich aus dem Kontext gerissene Zitate geht, ebenfalls zitiert und dokumentiert. Wer eine Referenz zu Ägypten in meiner Stellngnahme findet, bitte melden.
    Besten Gruß, Nicolas Entrup

    geschrieben von Nicolas Entrup
    1. Sehr geehrter Herr Entrup,

      Ihre Stellungnahme arbeitet mehrfacht mit erwiesen falschen oder zumindest mehr oder weniger stark veralteten Behauptungen; wie z.B. der Aussage: „Ungeachtet dessen besteht kaum ein Zweifel, dass die Fortsetzung der Haltung von Großen Tümmlern in europäischen Delfinarien weitere Einfuhren wild gefangener Großer Tümmler und somit deren Fang zur Folge hat.“
      Dem widerspricht die Tatsache, dass die Zahl der großen Tümmler ind Delfinarien und im EEP in den letzten 20 Jahren seit dem letzten Wildfang stark (+150%) zugenommen hat und weiter zunimmt.
      Und die „Leitung des TGN“ hat auch (in den letzten 20 Jahren) niemals neue Wildfänge gefordert, sondern lediglich festgestellt, dass die bereits seit über 20 Jahren in Delfinarien lebenden Wildfänge (die auch schon lange nicht mehr auswilderungsfähig sind), für die Zucht unentbehrlich sind – nämlich, um die maximal mögliche genetische Vielfalt im EEP zu erreichen. Die *bereits vorhandenen* Wildfänge dafür nicht zu nutzen, würde auch niemandem dienen – am wenigsten den Delfinen selbst.
      Alle wissenschaftlichen Zahlen im EEP (ich hatte dort Einblick) zeigen, dass die genetische Vielfalt und die Reproduktionsrate selbst im „worst case“ (wie z.B. angenommene Ausfälle kompletter Haltungen z.B. durch Infektionen etc.) einen dauerhaft stabilen und genetisch gesunden Tierbestand erwarten lassen – und dabei ist nicht einmal die Möglichkeit berücksichtigt, dass im Bedarfsfall auch mit (F2+) – Nachzuchten aus den USA eine zusätzliche genetische Variabilität importiert werden könnte – wohgemerkt ebenfalls OHNE Wildfänge.

      Auch dass nach 50 Jahen noch wenige („keine“ stimmt auch nicht mehr) F2-Nachzuchten im EEP vorhanden sind, liegt schlicht an der langen Zeit bis zur Geschlechtsreife der Tiere und den Haltungsproblemen/Forschungsbedarf vor 20+ Jahren (fehlende Medikamente, fehlende, weil damals noch zu teure Diagnosemöglichkeiten etc.). Zudem waren die ersten Delfinhaltungen vor 50 Jahren noch nicht auf Zucht ausgelegt (eigentlich wusste man damals auch noch ziemlich wenig über die Tiere) sondern begnügten sich – der damaligen Zeit geschuldet – mit der Präsentation der Tiere. Die systematische Zucht von Großen Tümmlern begann in Europa also faktisch erst vor 20 – 25 Jahren. Bei 8 – 12 Jahren bis zur Geschlechtreife dürfte dann auch klar sein, warum man erst heute die ersten Tiere der F2-Generation zu Gesicht bekommt.

      Auch die Tatsache, dass in „naturnah“ aufgebauten Tiergruppen immer nur die dominanten (und damit meist ältesten) Männchen zum Zuge kommen, verzögert die Geburt „echter“ F2 und F3- Nachzuchten – ohne dass es dafür „harte“, also reproduktionsbiologische Gründe gibt.
      Ihre Schlussfolgerung für die Zukunft („Delfinzucht geht nicht“) ist also bereits eindrucksvoll und zweifelsfrei widerlegt. Vielmehr ist seit mehr als 10 Jahren die Zucht so erfolgreich und auch einigermaßen problemlos (Kälbersterblichkeit geringer als z.B. bei den bekannt „unproblematischen“ Seelöwen), dass die meisten Delfinairen inzwischen mit Verhütungsmaßnahmen eingreifen müssen, um eine Überpopulation der vorhandenen Tierhaltungen zu vermeiden.

      In den USA sind übrigens inzwischen auch schon die ersten F3 – Nachzuchten des karibischen Großen (Küsten-) Tümmlers (das ist die genaue Unterart, die im EEP und in USA gehalten wird) unterwegs: Gesund und munter, aber noch zu jung, um die nächste Generation zu zeugen. Ist aber auch nur noch eine Frage der Zeit.

      Dass Sie über Seiten dann Delfinarien in der Türkei (und anderswo) und deren Gebaren schildern, ist wohl als Nebelkerze zu werten, da diese nicht nur eine andere Tierart halten (pazifische Tümmler – 50% kleiner, mit zunehmendem Alter fleckiger Bauch), sondern auch keinerlei Verbindung zu den EEP – Delfinarien (einschließlich Duisburg) haben.

      Damit fällt Ihre gesamte Argumentationskette trotz aller aufgeblähten Zitate und Verweise wie ein Kartenhaus in sich zusammen: Denn solange keine Wildfänge erfolgen (und dazu besteht auf absehbare Zeit auch keinerlei Grund mehr), beeinträchtigt die Delfinhaltung den Wildbestand und dessen Befinden in keinster Weise. Im Gegenteil: Die EEP-Delfinarien (einschließlich Duisburg) leisten als wissenschaftliche Forschungsbasis einen elementaren Beitrag zum Schutz der wildlebenden Bestände und zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit im Bezug auf den Tier- und Meereschutz. Was letztlich auch bei Ihnen und den von Ihnen unterstützen Organisationen den konstanten Fluss an Spendengeldern sichert.

      Damit müsste Ihre Schlussfolderung auch konsequenter Weise eine wissenschaftliche Delfinhaltung *ohne* Wildfänge und damit den inzwischen erreichten Status Quo in Westeuropa zumindest als solide Basis für die weitere Entwicklung der Delfinhaltung befürworten.

      Womit wir (eigentlich) einer Meinung wären.

      geschrieben von Norbert

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