Biologen-Blog von Benjamin Schulz, Teil 22
8. Januar 2018
Hallo liebe Meeresakrobaten-Fans!
Zunächst einmal möchte auch ich euch ein frohes und gesegnetes neues Jahr 2018 wünschen!
In dieser Zeit des Jahres, in der es noch früh dunkel wird und man gerne gemütlich im warmen Heim sitzt, liest doch jeder gerne ein gutes Buch. Manchmal ist es aber noch viel schöner, einer erzählten Geschichte zuzuhören. Diese Tradition der Menschen ist älter als das Lesen und Schreiben selbst und verbindet oft wahre Begebenheiten mit Fiktion, um vor allem moralische Werte und gesellschaftliche Normen zu vermitteln. Märchen haben dabei schon immer eine große Rolle gespielt. Deshalb möchte ich euch heute zum kalten dunklen Jahresbeginn eines erzählen: das Märchen vom bösen Wolf und der heiligen Kuh.
Zu den Ursprüngen der Tierrechte
O.k., zugegeben: es wird natürlich nicht wirklich ein Märchen, sondern ein Kommentar. Wer mich kennt und dem Biologen-Blog schon einige Male aufmerksam gefolgt ist, der weiß, dass ich schon öfter über Tierrechte und deren Sinn und Gefahren berichtet habe.
Heute möchte ich mich sozusagen den Ursprüngen der Tierrechte zuwenden und einen Erklärungsversuch wagen, warum Menschen in der ganzen Geschichte Tiere immer wieder so fantasievoll, verehrend oder verachtend, aber vor allem ganz falsch dargestellt und behandelt haben. Und dabei spielen heute der böse Wolf und die heilige Kuh eine wichtige Rolle.
Wandmalereien und Tiere
Irgendwann im Laufe der Menschheitsgeschichte, als sich bei unseren Vorfahren ein komplexes Bewusstsein entwickelte, begannen die ersten Menschen, Tiere nicht mehr nur als Beute oder Feinde zu betrachten, sondern ihnen eine weitaus höhere Bedeutung für die Existenz des Menschen zuzumessen.
Diese Entwicklung fand etwa zur selben Zeit statt, wie die ersten Höhlenmenschen wohl Wandmalereien der Tiere, ihrer Umgebung und Epoche anfertigten. Plötzlich wurden Tiere in der Wahrnehmung des Menschen zu viel mehr als nur Nahrungsquelle oder tödliche Gefahr: Sie wurden zu Bestandteilen der bereits religiös verankerten „Mutter Natur“ und wurden dementsprechend verehrt oder gefürchtet. Teilweise wurden Tiere selbst zu Gottheiten erhoben.
Zur etwa selben Zeit begann der Mensch auch mit den ersten Annäherungsversuchen an Wildtiere und mit der Domestikation. Tiere wurden im Laufe weniger Jahrhunderte zu Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft. Da war es logisch, dass diese durch ihre neuen Herren auch sozusagen eine neue Identität erhielten.
Auf der nächsten Seite: Wie die Vermenschlichung begann.
Ich möchte noch einen anderen Aspekt ergänzen, der genau das Gegenteil von „Vermenschlichung“ ist, meiner Meinung nach aber genau so falsch: die Auffassung, die von einigen religiösen Gruppen, aber in früheren Zeiten auch von vielen Wissenschaftlern vertreten wurde: die strikte Abgrenzung zwischen Menschen und Tieren, die teilweise so weit geht, dass man meinen könnte, der Mensch würde außerhalb des Stammbaum des Lebens und der Evolution stehen. In alten Biologiebüchern findet man oft die Ansicht, Tiere seien rein instinktgesteuert, während der Mensch das einzige Wesen ist, das vernunftbegabt ist und planvoll handeln kann. Tiere wurden da fast wie „Roboter“ dargestellt, die gar nicht anders können als entsprechend ihrer „Programmierung“ zu agieren. Bei manchen Zeitgenossen hält sich diese Auffassung bis heute, obwohl dies spätestens mit der Entdeckung des planvollen Werkzeuggebrauchs bei vielen Säugetieren und Vögeln, aber auch bei einigen angeblich „niederen Tieren“ wie Tintenfischen nachgewiesen wurde und auch langfristiges planvolles Verhalten nachgewiesen wurde. SO haben viele Primaten einen feinen Sinn für fairness und Gerechtigkeit.
Ich denke, dsss die grundlegenden Bedürfnisse höherer Säugetiere durchaus vergleichbar sind. Wohl jedes Lebewesen hat bestimmte Bedürfnisse. Ein Hund möchte will genau so gerne Nahrung wie wir und liebt es, gestreichelt zu werden – andererseits schnuppern Hunde gerne am Hinterteil von anderen Hunden – ein Verhalten, das man unter Menschen eher seltener findet.
AM meisten ärgern mich aber diejenigen Leute, die – auf das menschengemachte Artensterben angesprochen – schulterzuckend sagen: „Na und? Im Lauf der Erdgeschichte sind unzählige Arten ausgestorben, die sollen sich halt anpassen, ansonsten verdienen sie es gar nicht zu überleben“. Das sind diejenigen, die auch beim Thema Klimawandel das Thema mit dem Satz „Das Klima hat sich schon immer verändert, das ist ganz normal“ abtun…
Danke für deine Ergänzungen, Oliver! Du hast Recht, es gibt natürlich auch das entgegengesetzte Extrem. Wie immer typisch eigentlich für menschliche Sichtweisen, sich größtenteils mit den Extremen zu beschäftigen während nur sehr wenige die Wahrheit in der ausgeglichenen Mitte finden. Ich denke, dass der Mensch sich gerne überschätzt und von anderen abgrenzt. Ich halte mich gerne aus dieser Diskussion heraus, weil es meist zu nichts führt. Ich konzentriere mich deshalb auf die Beobachtung der Natur, weil man nur dort sicher erkennen kann, was Tiere wirklich brauchen. Für mich spielt es auch keine Rolle, ob Tiere nur instinktgesteuert sind oder planvoll handeln, sie verdienen trotzdem alle eine respektvolle Behandlung. Ganz klar, bei der Arbeit mit Delfinen habe ich so manche beeindruckende Handlungen erlebt die ganz eindeutig von großer Intelligenz und Kreativität zeugen. Das Problem des Menschen bei der Beobachtung und Beurteilung von Tieren ist halt, dass er oft viele verschiedene Themenbereiche unpassend miteinander vermischt, also Intelligenz, Empathie, Gefühlsleben, Ethisches Verhalten (oder was wir als solches ansehen). Tiere können extrem intelligent sein, sich gleichzeitig aber nach menschlichen Maßstäben unmoralisch verhalten. Das fließt dann oft ungewollt in die Beurteilung mit ein. Oder man beobachtet immer gleichbleibende Verhaltensweisen, die rein instinktiv gesteuert sind, schließt aber gleichzeitig falsch darauf, dass dabei keine Gefühle involviert sind etc. Die menschliche Intelligenz ist in meinen Augen häufig stark begrenzt wenn es darum geht, zusammenhanglos Einzelbereiche zu analysieren und diese hinterher im Puzzle richtig zusammenzusetzen. Weil immer wieder eingearbeitete Vorurteile oder Denkschemata, die durch Tradition und nicht durch eigenständige Analyse erworben wurden, diese Bemühungen zunichte machen.