Erlebnisbericht von Hermann Ostermayer/11. November 2006
Auf einer meiner Whale-Watching-Touren bei den Azoren im August 1999 beobachtete ich in einer Gruppe von Pottwalen ein Tier, das sich in einem großen herrenlosen Netz verfangen hatte.
Da Ballone daran befestigt waren, konnte es nicht mehr abtauchen. Schließlich gelang es dem Wal, sich aus dem Netzvorhang zu befreien, doch ein Tau hatte sich in seiner Kinnlade verheddert. Und das konnte er nicht aus eigener Kraft entfernen.
Entgegen dem Rat aller im Boot Anwesenden wollte ich dem Wal helfen. Nicht ganz ungefährlich, denn niemand weiß, wie sich ein wildes Tier verhalten wird. Ich kenne keinen, der schon einmal eine derartige Rettungsaktion gewagt hat: allein, ohne Tauchflasche/Luft, ohne Übung darin, ohne Schutzanzug, einfach in Badehose, mit Kamera und Goodwill.
Aber es war einfacher, als ich gedacht hatte, da der Wal förmlich auf mich zuschwamm (!), mit dem Netz im Schlepptau. Ein Ruck und weg war das Seil. (Ihm fehlten einfach zwei Hände, um sich selbst zu befreien). Schwieriger war es da schon, das Netz in ein vom Kapitän per Funk gerufenes Boot zu hieven, da das Netz viel schwerer und größer war, als angenommen. Letztendlich ging alles gut, die Wale hatten es nicht eilig wegzutauchen, im Gegenteil. Ein unvergessliches Erlebnis auf den Azoren, in der Nähe von Ponta Delgada!
Ob mein Verhalten Dummheit, Glück oder Können war, keine Ahnung. Ich möchte weder jemanden davon abhalten, und vor allem niemanden dazu verleiten, Ähnliches zu tun. So eine „Übung“ kann bei mir selbst oder bei jedem anderen auch in die Hosen gehen. Der Atlantik ist in der Gegend von Ponta Delgada wenigstens 500 bis 2.500 Meter tief … Solche Aktionen muss jede Person ganz für sich selbst entscheiden.
Berücksichtigt werden muss zudem, dass eine gewisse Gefahr nicht nur vom Wal ausgeht, sondern es kann auch passieren, dass man sich selbst im Netz verheddert! Was unbeteiligten Personen zusätzliche Probleme bereiten könnte. Das ist einfach eine Vorsichtsbemerkung für alle Fälle. Zum Glück ist bei mir alles bestens abgelaufen.
Da fragt sich nur, wieso ist der Bursche denn überhaupt erst in das Netz geraten? Macht etwa auch bei Walen die Liebe blind? Um Missverständnisse zu vermeiden: Wale leben anders als manche Vögel und Menschen nicht als Paar ein Leben lang zusammen, nur auf Zeit. Das Größenverhältnis zwischen den Pottwalgeschlechtern ist recht extrem. Ob Menschen oder (Zahn)Wale, die weiblichen sind leichter und kleiner, dafür schöner!
Im Reich der Wale können Pottwale vielleicht keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, auf diesem Gebiet sind die Delfine einfach nicht einzuholen, doch Pottwale sind dafür äußerst gelenkig; sie können in jeder Körperlage hervorragend schwimmen, ob auf dem Rücken, Bauch oder auf dem Kopf, selbst seitwärts – egal… Sie sind außerdem geheimnisvoll und haben das größte Gehirn aller Tiere.
Pottwale scheiden hin und wieder das unverdauliche AMBRA aus – eine organische Substanz, die aus Nahrungsresten im Darm entsteht. Seit der Antike ist Ambra der begehrteste Duftstoff, und schon Cleopatra hat ihn mit Gold aufgewogen. Mehr dazu unter: Meeresakrobaten/Anatomie, Die inneren Organe der Delfine – mit Exkurs „Pottwal“.
Anders als Delfine, die immer nur mit jeweils einer Gehirnhälfte schlafen, schlafen Pottwale tief und fest. So kommt es immer wieder zu Unfällen, da die großen Zahnwale ein herannahendes Schiff nicht wahrnehmen. Zum Schlafverhalten der Pottwale gibt es bei Youtube einen interessanten Film unter „Ein Nickerchen im Meer“.