Pressemitteilung der Stadt Nürnberg
Tiergartendirektor Dr. Dag Encke bezieht Stellung zu den Vorwürfen von Tierschutzorganisationen bezüglich der Delfinhaltung im Tiergarten der Stadt Nürnberg. Siehe dazu auch den MEERESAKROBATEN-Beitrag Ortmüller poltert wieder los.
„Die Aktivisten der Tierschutzorganisationen ‚Whale & Dolphin Conservation Society‘ (WDCS) und ‚Wal- und Delfinschutz-Forum‘ (WDSF) haben richtig erkannt, dass sich der Tiergarten mit hohem personelle und finanzielle Aufwand um seine Tiere kümmert. Die unhaltbare Kritik an der Verabreichung von Medikamenten im Tiergarten hingegen zeugt von einer tierschutzwidrigen Einstellung zur Haltung von Tieren.
Im Tiergarten der Stadt Nürnberg leben rund 2 500 Tiere, die unter anderem von 60 Tierpflegerinnen und Tierpflegern und zwei Fachtierärztinnen und -ärzten betreut werden. Kranke Tiere, lebensschwache junge Tiere, altersschwache alte Tiere, verletzte Tiere, kurz: jedes Tier, das auf Hilfe angewiesen ist, wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fachgerecht betreut, versorgt und bei Bedarf behandelt. Jede Tierart wird spezifisch, entsprechend ihrer physiologischen und anatomischen Eigenarten behandelt. Für diese komplexe Aufgabenstellung bedarf es zusätzlich zum regulären Tiermedizinstudium der Qualifikation ‚Fachtierarzt für Zoo-, Gehege- und Wildtiere‘. Darüber hinaus gibt es die Qualifikation ‚Fachtierarzt für Tierschutz‘. Die Tierärzte im Tiergarten Nürnberg verfügen über diese Zusatzqualifikationen. Nicht nur der Tiergarten, sondern jeder Tierhalter ist nach dem Tierschutzgesetz verpflichtet, notwendige tierärztliche Behandlungen durchführen zu lassen.
Selbstverständlich unterhält der Tiergarten eine Apotheke, die weit mehr als nur 20 verschiedene Medikamente beinhaltet. Selbstverständlich werden kranke Tiere behandelt. Selbstverständlich werden unterschiedliche Tierarten und Tierindividuen entsprechend der jeweiligen Indikation mit den notwenigen Medikamenten versorgt. Selbstverständlich achtet der Tiergarten darauf, dass Tiere auf Transporten keinem unnötig hohen Stress ausgesetzt werden und setzt dafür prophylaktisch auch – je nach Tierart und Transportlänge – Beruhigungsmittel ein, um die Tiere zu schonen. Selbstverständlich schaut der Tiergarten nicht tatenlos zu, wenn Tiere nicht genug Futter oder Wasser zu sich nehmen. Selbstverständlich verabreicht der Tiergarten keine Medikamente ohne Grund! Selbstverständlich kümmert sich der Tiergarten um seine Tiere und zwar um jedes Individuum und zu jeder Zeit!
Selbstverständlich kommt auch den Delfinen diese Fürsorge zugute. Sieben Große Tümmler leben im Tiergarten in zwei Gruppen, die zurzeit kerngesund und sozial ausgesprochen ausgeglichen sind. Die beiden Bullen Joker und Arni leben mittlerweile in der Lagune in direkter Nachbarschaft zur Zuchtgruppe. Beide Gruppen kommunizieren miteinander, was vor allem den beiden Bullen gut tut.
Vier der sieben Tiere sind in Delfinarien geboren und von ihren Müttern groß gezogen worden. Die drei Tiere, die noch aus freier Wildbahn stammen, haben die normale Lebenserwartung von Delfinen bereits überschritten. Eines der Tiere, Moby, ist mit etwa 52 Jahren einer der ältesten Delfine weltweit. Das wiederum ist nicht selbstverständlich.
Der Versuch der Aktivisten von WDCS und WDSF, Diagnosen aufgrund von verabreichten Medikamenten zu stellen, war a priori zum Scheitern verurteilt. Die Lektüre von Beipackzetteln reicht für eine Diagnose nicht aus. Die Skandalisierung der Verabreichung des Medikaments Diazepam, das den Appetit anregt und bei hohen Dosierungen auch als Beruhigungsmittel eingesetzt werden kann, ist gelungen, aber falsch. Es handelt sich um ein gängiges Mittel in der Tiermedizin, das vor allem im Haustierbereich regelmäßig zur Appetitanregung verschrieben wird und auch im Tiergarten bei entsprechender Indikation eingesetzt wird. Eine veterinärmedizinisch – in der angesprochenen Dosierung – gängige Therapiemaßnahme. Pharmakologisch gehört Diazepam zur Gruppe der Psychopharmaka.
Die von WDSF und WDCS geäußerten Mutmaßungen zu Ursachen und Wirkungen in der Wildtiermedizin entbehren einer erkennbaren fachlichen Basis und Belastbarkeit. Für den Tiergarten ist kein wissenschaftlich nachvollziehbarer Ansatz in der losen Aneinanderreihung von Einzelaussagen zu erkennen. Schlussfolgerungen erscheinen zusammenhanglos in den Raum gestellt.
Dass die zitierten und kritisierten Behandlungen zum Erfolg, nämlich der Genesung und Langlebigkeit der Tiere führten und führen, scheint nicht wichtig zu sein; ebenso wenig dass Moby, Jenny, Anke, Noah und Sunny ein harmonisches und stabiles Sozialleben haben und das auch täglich zeigen.
Die Meere steuern auf einen ökologischen Kollaps zu. Als große Beutegreifer stehen die Delfine an der Spitze der Nahrungspyramide. Sie sind deshalb wichtige Bioindikatoren für den Gesamtzustand des Ökosystems. Um die Nachrichten, die uns die Delfine über den Zustand ihres Lebensraums geben können, überhaupt lesen zu können, müssen wir die einzelnen Arten biologisch verstehen lernen. Erst dann können wir ihnen helfen und ihren Lebensraum effektiv schützen.
Weder die Verklärung der Lebensbedingungen von Tieren in freier Wildbahn noch die Verteufelung der Haltung von Tieren in Menschenhand tragen zum Schutz der Tiere und zur Aufklärung der Menschen bei.
Dank der Delfinhaltung und der damit verbundenen Sensibilisierung der Besucher konnten die Artenschutzgesellschaft „Yaqu pacha“ und der Tiergarten Nürnberg mit mehr als 1 000 000 Dollar Projekte zum Schutz und zur Erforschung von Delfinen in Südamerika unterstützen.“