Der Geschmackssinn spielt bei den Delfinen eine untergeordnete Rolle, wie ich im Kapitel„Die Sinnesorgane der Delfine“ bereits ausgeführt habe.
Kann einem Delfin aber trotzdem das Wasser im Maul zusammenlaufen, wenn er einen Leckerbissen präsentiert bekommt? Diese Frage hat mich umgetrieben, als ich gerade mal wieder meine Lieblingsspeise vor mir auf dem Teller betrachtete.
Brehms Tierleben
Um diese Frage beantworten zu können, bemühte ich zunächst einmal den „guten alten Brehm“. Alfred Edmund Brehm wurde 1829 in Thürigen geboren und war Zoologe sowie Tierschriftsteller. In seinem mehrfach neu aufgelegten 10-bändigen „Brehms Tierleben“ entführte er Generationen von Naturfreunden in die Welt der Tiere. Ich besitze zwei Sammelbände aus dem Jahr 1964, in denen neben Brehms Darstellungen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse verarbeitet wurden.
Im 500 Seiten dicken ersten Band „Säugetiere“ widmet Brehm den Walen und Delfinen etwa 16 Seiten.
Dort (Seite 224) steht: „Die Zunge der Wale ist außerordentlich groß. Speicheldrüsen fehlen.“ Demnach schlingen die Delfine und Wale ihre Beute also einfach runter, ohne dass sich im Maul Speichel bildet. Stimmt das tatsächlich? Ich wurde skeptisch und fragte den mir mittlerweile sehr vertrauten Wal-Experten Günther Behrmann, der bereits viele Wale, Delfine und Schweinswale seziert hat und sich mit dem Körperbau der Meeressäuger bestens auskennt.
Meine Skepsis war begründet
Und tatsächlich. Günther Behrmann widerlegte Brehms Erkenntnisse mit einem Foto und Zeichnungen vom Maulinneren eines Weißschnauzendelfins sowie eines Schweinswals. Seine Ausführungen zeigen, dass der Wissensstand ständig einem Wandel unterworfen ist.
Zum Foto rechts: Die Poren im Zungengrund eines Weißschnauzendelfins sind Ausführungsgänge von Speicheldrüsen (Foto zum Vergrößern anklicken).
Günther Behrmann schrieb mir: „Zungenspeicheldrüsen habe ich nicht gefunden, auch keine Rudimente. … Speicheldrüsen auf dem Zungengrund habe ich allerdings entdeckt und die histiologischen Schnitte hat Prof. Flenker für mich angefertigt. Eigentlich kommen diese Speicheldrüsen nur bei Reptilien vor.“
Muskeln und Schwellkörper in der Zunge
Günther Behrmann hat mir zur weiteren Bestätigung des Vorhandenseins von Speicheldrüsen bei Delfinen auch noch einen Ausschnitt aus seinem Buch „Anatomie des Zahnwalkopfes“ geschickt. Dort heißt es: „Mit der Ausnahme eines kleinen Gebietes ist der ganze Zungenrand mit pilzförmigen Papillen besetzt. Drei mächtige Muskeln und ein Schwellkörper bestimmen die Form der Zunge.
Zwei Muskeln ziehen in Längsrichtung und ein Muskel zieht quer. Ganz oder teilweise liegt zwischen den Muskeln und der Haut ein Schwellkörper, der die Form des Zungenkörpers erheblich verändern kann. Ebenso besteht der Innenraum der Papillen aus einem Schwellkörper, der nur von dünneren Muskelpaketen umgeben ist. Die Schwellkörper stehen im Zusammenhang mit dem venösen Blutkreislauf und können viel Blut speichern (Boenninghaus, 1903). Eine derbe, mit einer Schleimhaut bedeckte Epidermis umgibt den Schwellkörper. Die einzelnen Hautschichten (Epidermis/Corium) sind klar erkennbar. Auf den Papillen wurden bei einigen Arten Geschmacksknospen gefunden. Die Zunge ist von einer Schleimhaut überzogen. Die vielen Formen von Nervenendigungen in der Zungen- und Papillenhaut weisen die Zunge als ein hochsensibles Organ aus, was dann auch im zentralen Nervensystem erkennbar ist. Im caudalen Teil der Zunge, im Zungengrund liegen Speicheldrüsen, deren Mündungen, mit Noppen versehenen Poren, an der Oberfläche deutlich erkennbar sind.“
Das Bild oben links zeigt einen Längsschnitt durch die Speicheldrüse eines Weißschnauzendelfins.
Periphere Nerven in der Zunge
Zu den peripheren Nerven in der Zunge und in den Papillen des Schweinswals hat Günther Behrmann eine eigene Arbeit verfasst. Ihr findet sie hier.
Dort wird u.a. beschrieben, dass die Haut der Zungenspitze und der Papillen reichlich mit Nerven und Nervenkörperchen durchsetzt ist. Aber schon wenige Millimeter hinter der Zungenspitze und an der Basis der Papillen ist die nervöse Versorgung der Zungenhaut im Vergleich zu der an der Spitze sehr ärmlich.
Die Zunge der Schweinswale ist ein hochsensibles Organ und vermutlich empfindlicher als diejenige von Landsäugetieren. Weil auch der Geschmackssinn der Schweinswale gut entwickelt ist, kann man davon ausgehen, dass sie auch die Qualität des Wassers (die Belastung mit Fremdstoffen) registrieren können und deshalb ganz besonders Flüsse und Küstengewässer meiden, die früher ihre bevorzugten Lebensräume waren.