Wie erzeugen Delfine ihre Laute?

Meeresakrobaten, 18. Juni 2016 (Aktualisierung November 2021)

Mit Unterwassermikrofonen, sogenannten Hydrophonen, kann man die Unterwasserwelt erforschen.  (Foto: Susanne Gugeler)

Mit Unterwassermikrofonen, sogenannten Hydrophonen, kann man die Unterwasserwelt erforschen.
(Foto: Susanne Gugeler)

Delfine haben ein großes Repertoire an Lautäußerungen. Man kann folgende Delfin-Geräusche wahrnehmen:
* Laute, die unter Wasser ausgestoßen werden (Hydrosounds) sowie Laute in der Luft (Air sounds)
* Pfiffe
* langsame Schnarrfolgen
* Elemente, ähnlich der menschlichen Sprechweise (humanoide Laute)
* Laute, die anderen Geräuschquellen ähneln (Fische, Enten, Möwen, Bootsmaschinen, Insekten etc.)
* Geräusche, die mit emotionellem Verhalten verbunden sind (Bellen, Kreischen, Hämmern etc.)
* verschiedene nicht stimmliche Laute, wie Kiefernklappern, Niesen, langsame und schnelle Atemlaute, Darmgeräusche, Blähungen, Schwanzschläge, Wassergeräusche beim Schwimmen an der Oberfläche, beim Springen usw.
* Ultraschall-Laute für Echo-Erkennung und Echo-Navigation (sogenannte Klicks)

Küsten-Delfine produzieren mehr Geräusche

Große Tümmler, die in Küstengegenden zu Hause sind, verfügen über ein größeres Laut-Repertoire als andere Delfinarten, die das offene Meer bewohnen. Dieser Umstand ist wahrscheinlich dadurch zu erklären, dass die Küstengewässer reicher an Hindernissen sind als die Hochsee und somit die Delfine zu einer verstärkten Schall-Ortung veranlassen.

Was die o.g. verschiedenartigen Geräuschabsonderungen aussagen und zu welchen Gelegenheiten sie geäußert werden, weiß man, trotz vieler Beobachtungen, nur zum Teil, denn das Laut-Repertoire jedes Wal-Individuums kann beträchtlich variieren.

Manche Forscher vermuten, dass die klangliche Welt des Delfins außerhalb unseres Vorstellungsvermögens liegt, so wie die Geruchswelt der Hunde.

Schallerzeugung nach Behrmann (Quelle: Behrmann)

Schallerzeugung nach Behrmann
(Quelle: Behrmann)

Tonquelle(n) der Delfinlaute

Delfine haben – im Gegensatz zu anderen Säugetieren – keine Stimmbänder.

Was die Tonquelle(n) angeht, gibt es verschiedene Theorien in der Forscherwelt. Die einen gehen davon aus, dass sich die Tonquelle im oberen Nasengang befindet, der Wal-Experte und Tierpräparator Günther Behrmann dagegen vermutet, dass die Geräusche im Kehlkopf entstehen.

Nach seinem Dafürhalten erfüllt der Kehlkopf der Delfine die Bedingungen, die für die Lauterzeugung zwingend sind. Außerdem entsteht in diesem Körperteil bei den meisten Säugetieren der Schall.

Günther Behrmann hat für die Beweisfindung viele Walköpfe zerlegt, an der Luftröhre Windmotoren angeschlossen, Röntgen- und Computeraufnahmen angefertigt und damit alles belegen können, was er anatomisch gefunden hatte.

Kehlkopf eines Schweinswals (Illustration: Günther Behrmann)

Längsschnitt durch den Kopf eines Schweinswals
(Illustration: Günther Behrmann)

Den folgenden Text habe ich aus Günther Behrmanns Arbeit Wie orientieren sich die Wale; warum stranden sie? von 1998 (in leicht veränderter Form) sowie aus einer überarbeiteten Fassung vom 11. September 2021 übernommen.

Kehlkopf und Luftsäcke

Der Kehlkopf der Wale unterscheidet sich von den Kehlköpfen aller anderen Säugetiere durch seine Form. Er hat eine lange Tube, die in den Nasenhof geschoben werden kann und dort von einem Ringmuskel festgehalten und verschlossen wird. Der Kehlkopf ist mit der Lunge verbunden, von der die notwendige Luft für die Tonerzeugung kommt.

Beim Einatmen über Wasser speichern die Wale Luft in ihrer Lunge für ihre langen Tauchgänge. Beim anschließenden Abtauchen wird die Kehlkopftube verschlossen, damit kein Wasser in die Lunge kommt.

Der Wal kann über Wasser ein- und ausatmen. In beiden Fällen fließt die Luft an den Membranen der Kehlkopftube vorbei, setzt sie in Schwingung und erzeugt dadurch trompetenähnliche Töne.

Ausatmender Seiwal
(Foto: Roland Edler)

Zum Atmen muss die Kehlkopftube aktiv geöffnet werden. Vor dem Abtauchen wird die Kehlkopftube verschlossen und zusätzlich von einem Ringmuskel gesichert.

Tonerzeugung unter Wasser

Eine Tonquelle liegt in den Lufttuben, die vom Kehlkopf zu den Luftsäcken führen. In den Lufttuben liegen Stimmbänder.

Bei geöffneter Kehlkopftube und beim Atmen sind die Pforten zu den Lufttuben verschlossen und dann schwer zu finden.

Wenn die Kehlkopftube im Nasenhof liegt, sind die vom Kehlkopf abzweigenden Nebenhöhlen geöffnet, aus denen Lufttuben zu den Luftsäcken unterhalb der Schädelbasis führen.

Die Luftsäcke haben zwei Funktionen. Erstens können sie Schallwellen aufnehmen und zum inneren Ohr leiten, und zweitens können sie wie Blasebälge arbeiten.

Die Luftsäcke sind mit Muskeln überzogen, die die Luft auspressen, sodass die Luft ständig zwischen Lunge und Luftsäcken ventilieren kann. Dabei entstehen Quietsch- und Pfeiftöne.

 

Kehlkopf eines Weißschnauzendelfins (Foto: Günther Behrmann) (Bild zum Vergrößern bitte anklicken.)

Kehlkopf eines Weißschnauzendelfins
(Foto: Günther Behrmann)
(Bild zum Vergrößern bitte anklicken.)

Nasengang eines Schweinswals (Zeichnung: Günther Behrmann) (Bild zum Vergrößern bitte anklicken.)

Nasengang eines Schweinswals
(Zeichnung: Günther Behrmann)
(Bild zum Vergrößern bitte anklicken.)

 

Zweite Tonquelle

Tiefere und hohe Töne werden mit Membranen und der Luft erzeugt, die durch das Mittelohr in die Eustachische Röhre (auch Ohrtrompete genannt) gepresst wird. Die Eustachischen Tuben führen mitten durch die Membranen in die Nasenhöhle.

Wird durch die Eustachischen Tuben Luft gepresst und gleichzeitig mit den Muskeln die Membranen gespannt, passiert die Luft ruckartig die Membranen. So entstehen Schwingungen, die auf das Wasser im Mundraum übertragen werden. Bei der Erzeugung dieser Töne geht Luft verloren, die sichtbar durch den Mund als kleine Bläschen den Körper verlässt.

Hier entstehen Töne, die für Menschen wegen hoher Frequenzen unhörbar sind.

Dritte Tonquelle

Eine dritte Tonquelle könnte die Zunge sein.

Wenn Pottwale jagen, erzeugen sie Klicks. Günther Behrmann hat über Hydrophone diese Töne abgehört und konnte sie gut mit seiner Zunge imitieren.

Seine Klicks wurden ohne Luftverlust mit der Zunge erzeugt.

Alle Töne werden aus dem Mund auf das Meer übertragen. Eine andere Übertragung von Schallquellen im Wasser hat Behrmann bei den Walen bisher nicht gefunden.

Grindwal/Teneriffa
(Foto: Rüdiger Hengl)

Kein Lautorgan in der Melone

Der Schnitt durch die Melone des Grindwals zeigt, dass unter der Haut nur eine Fettschicht und Muskeln liegen, aber kein Organ, mit dem Töne erzeugt werden könnten. Von der Melone können keine Schallwellen gesendet werden.

Auch bei anderen Walen mit Melone ist eine Tonerzeugung mit ihr unmöglich. Äußerlich sichtbare Veränderungen der Melone entstehen durch Verlagerung der Nasenverschließmuskel.

Ohr muss vor hohen Tönen geschützt werden

Das System gleicht einer Kesselpauke. Bei der Erzeugung der Töne geht allerdings Luft verloren, die sichtbar durch das Blasloch den Körper verlässt. Weil bei der Erzeugung von hohen Tönen bis zu 6.5 Atm verwendet werden, muss das innere Ohr vor Schädigungen geschützt werden. Der Steigbügel wirkt hierbei wie ein Sicherheitsventil, welches aktiv geöffnet werden muss, wenn der Wal hören will.

In den Windungen der zweiten Öffnung des inneren Ohres liegen fächerförmige Knochengebilde, die wie Wellenbrecher funktionieren. Damit ist das innere Ohr vor schädigenden Schallwellen geschützt.

Unterschiedliche Frequenzen

Wie bereits weiter oben erwähnt, können Delfine aber nicht nur hochfrequente Schallwellen erzeugen, um ihre Umgebung mittels Echo abzuhören, sondern sie können auch brummen, keckern, pfeifen und quietschen. Doch wann setzen sie welche Töne ein?

Susanne Gugeler

Delfin-Laute kann man auch sichtbar machen.
(Foto: Susanne Gugeler)

* Tiefe Töne haben im Meer eine sehr große Reichweite und sind daher für die großräumige Orientierung und für die Kommunikation über erhebliche Entfernungen verwertbar.

* Töne im mittleren Frequenzbereich (1.000 bis 20.000 Hertz), also Pfeif- und Quietschtöne, haben eine geringere Reichweite und dienen vorwiegend der Kommunikation zwischen den Tieren in einer Schule.

* Frequenzen im Ultraschallbereich haben dagegen im Meer nur eine Reichweite von einigen Metern, sind aber gut zu fokussieren. Mit solchen Frequenzen können die Nahrungstiere geortet und geschockt werden.

Delfinlaute kann man sichtbar machen

Mittlerweile gibt es im Internet viele Klangproben zu den Lautäußerungen der Delfine. Im Institut des Delfinforschers Bruno Diaz Lopez (früher auf Sardinien, jetzt Galicien) konnte ich die Delfinlaute auf dem Bildschirm sehen. Bruno war so nett und hat mir eine Klangprobe von den ortstreuen Großen Tümmlern aus Sardinien zur Verfügung gestellt.

Hörprobe


(Quellen: Meine 2005 überarbeitete Studienabschlussarbeit zum Thema Großer Tümmler; diverse Arbeiten von Günther Behrmann, u.a. „Wie orientieren sich die Wale; warum stranden sie?“, Nordseemuseum Bremerhaven, 1998, Anatomie des Zahnwalkopfs, 2000; Meeresakrboaten-Beitrag über das Delfin-Forschungsinstitut auf Sardinien u.a.)

Lesetipps

* Pfiffe halten Delfine zusammen
* Pfeifsprachen bei Mensch und Tier